SEGI ist nicht terroristisch!
Stoppt die Verfolgung gegen die linke Jugendorganisation SEGI im Baskenland
Der Begriff "Terrorismus" ist schwer zu definieren. Wikipedia sagt uns, er bezieht sich allgemein auf Gewalt für politische Zwecke. Aber wenn die US-Armee ein Bagdader Stadtviertel bombardiert, wird dies dies als "Kampf gegen den Terror" deklariert. Wenn Jugendliche in Euskal Herria (dem Baskenland) mit Massendemonstrationen und öffentlichen Kampagnen für demokratische und soziale Rechte kämpfen, können sie wegen solcher "terroristischen Aktivitäten" eingesperrt werden.
Terroristen ohne Waffen
Genau das passiert der baskischen linken Jugendorganisation SEGI. Am 19. Januar 2007 urteilte der Oberste Gerichtshof Spaniens, dass SEGI, eine Organisation mit Tausenden jungen AktivistInnen im ganzen Baskenland, "eine bewaffnete Bande oder eine terroristische Organisation" wäre und verurteilte 23 Mitglieder zu sechs Jahren Haft. Vier von ihnen sind sofort verhaftet worden, während weitere 18 sich der Polizei stellten, am 3. Februar auf einer öffentlichen Protestversammlung in Bilbo.
Es gibt keine Beweise gegen SEGI. In einem früheren Prozess Anfang 2005 urteilte Spaniens Audiencia Nacional (Sondergericht für Drogen- und Terrorismusdelikte), dass SEGI keine terroristische Organisation sei, weil sie nicht in Verbindung mit "Schusswaffen, Bomben, Granaten, Explosivstoffen ohne ähnlichem" gebracht werden konnten. Sie konnten nicht mal für den kale borroka (Straßenkämpfe zwischen baskischen Jugendlichen und der Polizei, die regelmässig stattfinden) verantwortlich gemacht werden. Trotzdem wurde SEGI zu einer "illegtimen Organisation" erklärt und 24 AktivistInnen wurden zu Haftstrafen zwischen 15 Tagen und vier Jahren verurteilt - nachdem sie bereits vier Jahre in Untersuchungshaft verbracht hatten!
Seit dem ersten Verfahren wurden keine neuen Beweise vorgelegt. Das Oberste Gericht erklärte einfach: wer die allgemeinen Ziele der bewaffneten Gruppe ETA – Unabhängigkeit für Euskal Herria und Sozialismus – teilt, ist Mitglied in einer terroristischen Vereinigung. Nach dieser Definition sind alle UnterstützerInnen der baskischen Pro-Unabhängigkeits-Linke (Zehntausende Menschen!) TerroristInnen. Auf dieser Grundlage hat der spanische Staat in den letzten Jahren die linke Partei Batasuna und weitere Wahllisten verboten, Zeitungen geschlossen, Radiosender dicht gemacht und hunderte Menschen verhaftet und gefoltert.
Repression in der EU
Dies ist eins von vielen Beispielen, wie Vorwürfe des "Terrorismus" benutzt werden, um die Linke in Europa zu unterdrücken. In der Türkei sind Hunderte Mitglieder der MLKP in den letzten Monaten verhaftet worden. Mitglieder der türkischen DHKP-C werden in ganz Europa verfolgt. Der Kommunistische Jugendverband Tschechiens wurde vom Staat aufgelöst, weil er die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln forderte. Diese zunehmende Repression ist Teil des Projekts, die EU in eine wirtschaftliche und militärische Supermacht zu verwandeln – jeglicher Widerstand gegen das europäische Kapital soll erdrosselt werden.
Die Mehrheit der europäischen Bevölkerung, vor allem die Jugend, leidet unter den Auswirkungen von Sozialabbau und Privatisierungen. Die Situation in Euskal Herria ist hier keine Ausnahme. Baskische StudentInnen müssen gegen immer höher werdende Studiengebühren kämpfen, ähnlich wie StudentInnen in fast allen anderen Ländern. Das Baskenland gehört zu den wirtschaftlich entwickeltsten Regionen auf der iberischen Halbinsel, aber mehr als 20% der Jugendlichen sind arbeitslos. Von denjenigen, die Arbeit haben, haben 95% sogenannte "Müllverträge" ohne Jobsicherheit oder angemessenen Lohn. Obwohl Hunderttausende Wohnungen leer stehen, wohnt nur 1 von 5 Jugendlichen unter 30 außerhalb des Elternhauses. SEGI hat eine wichtige Rolle in den Kämpfen der baskischen Jugend gegen diese Misere gespielt (z.B. durch die Verteidigung von besetzten Häusern für Jugendliche) und aus diesem Grund sind sie ins Visier des Staates geraten.
SEGIs zentrale Forderung ist die nach Selbstbestimmung für Euskal Herria. Die BaskInnen hatten nie die Chance, demokratisch zu entscheiden ob sie Teil von Spanien und Frankreich sein wollen – ganz im Gegenteil, die spanische Verfassung schreibt die "unteilbare Einheit" des spanischen Staates vor. Unter dem faschistischen Regime Francos wurde jeder Ausdruck einer baskischen Identität brutal unterdrückt. In den ersten Massenrevolten der 60er Jahre wurde eine bewaffnete Widerstandsgruppe, die ETA, gebildet um den faschistischen Staat durch militärische Anschläge zu destabilisieren. Während des sogenannten "Übergangs zur Demokratie" in den 70ern wurden die faschistischen Polizisten, Armeeoffiziere und Staatsbeamten (und viele der Politiker) in ihren Posten belassen, während die politischen Gefangenen im Knast blieben. Weil der spanische Staat sich weigert, das Selbstbestimmungsrecht der BaskInnen anzuerkennen, setzt sich der bewaffnete Widerstand bis heute fort. Dieser bewaffnete Widerstand wirkt in der Regel kontraproduktiv, da die spanische Bevölkerung durch Anschläge der ETA von den Forderungen der BaskInnen nach Selbstbestimmung abgestoßen wird. Aber der größte Teil der baskischen Linken kämpft mit friedlichen Mitteln für die Durchsetzung demokratischer Rechte.
Die baskische Jugendbewegung hat immer eine tragende Rolle beim Widerstand gegen die Unterdrückung gespielt und jede neue Generation in den Kampf gegen das post-frankistische System einbezogen. SEGI (was "Weitermachen" auf Baskisch bedeutet) ist bereits die dritte Jugendorganisation, die verboten wurde: JARRAI ("Vorwärts") und HAIKA ("Aufstehen") wurden früher verboten. Wie sich im aktuellen Prozess erneut gezeigt hat, waren die Vorwürfe über Verbindungen zur ETA eine Erfindung, um politische Repression zu rechtfertigen.
Die Grenzen des Nationalismus
Als KommunistInnen unterstützen wir Kämpfe für das Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Nationen. Nichtdestotrotz stehen wir SEGIs Strategie des linken oder "revolutionären" Nationalismus, die die Unabhängigkeit als einen Schritt zum Sozialismus anstrebt, kritisch gegenüber.
Der laufende Friedensprozess zielt darauf, alle Schichten der baskischen Nation (einschließlich der Kapitalisten) zu vereinen, um demokratische Rechte zu sichern. Aber demokratische Rechte können im Rahmen des Kapitalismus nie vollständig umgesetzt werden – der beste Beweis hierfür ist die andauernde Unterdrückung und Folter in Euskal Herria, durchgeführt von zwei hoch entwickelten kapitalistischen (und "demokratischen") Staaten.
Das Privateigentum an den Produktionsmitteln schließt volle demokratische Rechte für alle aus, die über keine Prodkutionsmittel verfügen. So lange eine Mehrheit der Bevölkerung als LohnarbeiterInnen ausgebeutet wird, wird es immer Repression geben, um diese Ausbeutung und die Herrschaft der Kapitalisten aufrecht zu halten.
Der spanische und der französische Staat haben kein Interesse an einem unabhängigen Euskal Herria, was für sie bedeuten würde, auf eine hoch industrialisierte Region zu verzichten. (Für den französischen Staat würde es bedeuten, auf eine Touristenregion zu verzichten.) Gleichzeitig haben wir als SozialistInnen kein Interesse an einem unabhängigen, kapitalistischen Euskal Herria. Die Vorherrschaft des Finanzkapitals in der baskischen Wirtschaft bedeutet, dass ein solches Land ein imperialistisches Land wäre, das die Dritte Welt ausbeuten würde um seinen Reichtum zu vermehren.
Aus diesem Grund unterstützen wir das Recht auf Unabhängigkeit, aber wir befürworten Unabhängigkeit nicht. Unsere Strategie ist nicht, alle BaskInnen über die Klassengrenzen hinweg zu vereinen, sondern alle ArbeiterInnen über die Landesgrenzen hinweg. Selbstverständlich kann eine solche Einheit nur über die Anerkennung gleicher Rechte für alle basieren – spanische und europäische ArbeiterInnen müssen das Recht der BaskInnen auf Selbstbestimmung unterstützen.
Jeder Kampf gegen Unterdrückung verdient Unterstützung. Aber gleichzeitig muss klar sein, dass nur eine klassenlose Gesellschaft die Freiheit von allen Formen der Unterdrückung garantieren wird.Unsere Kämpfe müssen strategisch darauf ausgerichtet sein, dass die Arbeiterklasse die politische Macht auf der ganzen Welt ergreift. Nur eine sozialistische Republik in Europa, basierend auf einer freien Verbindung von Arbeiterrepubliken, wird das Selbstbestimmungsrecht und gleiche Rechte für die BaskInnen und andere unterdrückte Nationen sichern.
Stoppt die Repression!
Wir von REVOLUTION verteidigen SEGI und die Rechte von Jugendlichen in Euskal Herria seit einigen Jahren. Wir werden weiter mit ihnen zusammenarbeiten (z.B. mit Aktionstagen gegen Repression oder auf dem Europäischen Sozialforum), aber auch solidarische Kritik üben.
- Protestiert gegen die Verfolgung gegen SEGI! Für Demonstrationen vor spanischen Institutionen auf der ganzen Welt!
- Freiheit für alle politischen Gefangenen! Vorwürfe des Terrorismus können alle treffen, die gegen die EU-Supermacht sind.
- Bauen wir eine revolutionäre Jugendinternationale auf! Die Jugend muss sich vereinen im Kampf gegen den Kapitalismus!
- Für eine revolutionäre Internationale! Nur mit einer internationalen Organisation der Arbeiterklasse können wir den Kapitalismus besiegen.
- Für ein sozialistisches Europa in einer sozialistischen Welt, das das Recht auf Selbstbestimmung garantiert!
iREVOLUTION-Koordinierung, 7. Februar 2007