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Gewalt, Gewalt!

Gewalt, Gewalt, Gewalt, Gewalt!

Das Versagen des deutschen Schulsystems wurde erneut offenbar. Während die bürgerlichen Medien über schulische Gewalt berichten, ist kaum zu verheimlichen, dass tiefe soziale Probleme dahinter stecken.

Ende März schickte das Kollegium der Rütli-Hauptschule in Berlin-Neukölln einen „Hilferuf“ an den Senat. Darin beklagten sie die „Aggressivität, Respektlosigkeit und Ignoranz“ der Schüler. Sie schrieben weiter, dass die Lehrerschaft „am Rande ihrer Kräfte“ sei.

Der Brief gelangte an die Öffentlichkeit und sensationslüsterne Journalisten strömten zur Rütli-Schule. Sie berichteten von randalierenden jugendlichen Migrantenkindern und zeigten Bilder von Steinwürfen, für die sie laut Aussagen von Schülern auch gern 70 € bezahlt hatten. „Gewalt ist normal in Neukölln“ war die von den Medien gewollte Botschaft. Jetzt aber sei „ein derart unerträgliches Ausmaß erreicht, dass Schulleiter sich gezwungen sehen, die komplette Auflösung ihrer Schule bei den Behörden zu beantragen“, verkündete Anne Will in den ARD-Tagesthemen.

Mal abgesehen davon, dass es den Verfassern des „Hilferufs“ um die Abschaffung der Hauptschule als solche und nicht darum ging, die eigene Schule zu schließen, ist auch das „unerträgliche Ausmaß“ nicht neu.

Horst Bosetzky, der die Rütli-Schule 1951 verließ, schrieb in der Berliner Zeitung vom 8. April: „Ein Rütli-Schüler, ja das war ich. Zu Schlägereien verabredet, Lehrer geärgert und Schwächere geschlagen – all das, was man heute so liest über die angeblich so schreckliche Neuköllner Schule, das haben wir auch gemacht. Und wir waren keine Ausländer.“ Auch in der Sekundarschule „Karl Marx“ in Gardelegen bei Magdeburg gibt es entsprechende Probleme, auch hier gab es ein Schreiben, einen „Hilferuf“, in dem von „Ohnmachtsgefühlen und Resignation“ die Rede war.

Obwohl der „Ausländeranteil“ an der Karl-Marx-Schule nicht nennenswert ist, wird die öffentliche Debatte über Gewalt an Schulen meist im Zusammenhang mit „Integrationsproblemen“ geführt. So gab es neben unzähligen Artikeln auch im Bundestag eine Aktuelle Stunde zum Thema „Integration und Gewalt an Schulen“, bei der die Themen Gewalt und Migration fest miteinander verknüpft wurden. Das ist nichts weiter als rassistische Hetze. Denn mit den vielbeschworenen „Integrationsproblemen“ hat die Schulgewalt nur sehr bedingt zu tun.

Aus Arbeiterfamilien

Die Karl-Marx-Schule und die Rütli-Schule verbindet nicht der „hohe Ausländeranteil“, sondern vor allem eines: Die SchülerInnen kommen aus schlecht gestellten Arbeiterfamilien, ihre Zukunft sieht alles andere als rosig aus. Es erwartet sie der Fortlauf der Krise des Kapitalismus: Niedrigstlöhne, Arbeitslosigkeit, ständige Sozialkürzungen – wachsende Unsicherheit.

Doch ehe man zugibt, dass die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft für die Misere verantwortlich sind, stürzt man sich auf die am stärksten Betroffenen, auf die Flüchtlinge und Migranten und macht deren „mangelnde Integration“ für die Probleme des kapitalistischen Systems verantwortlich.

Dieser Rechtsruck zum Selbstschutz ist ganz natürlich, aber deswegen nicht minder gefährlich. Der staatlich und medial geförderte Rassismus trägt auch schon Früchte. So ist es nicht verwunderlich, dass sogar das Lehrerkollegium der Rütli-Schule ihren „Hilferuf“ mit einer Ausführung über den hohen „Gesamtanteil der Jugendlichen n.d.H. (nicht deutscher Herkunft)“ beginnt.

Auch das Anwachsen faschistischen Gedankenguts in der Bevölkerung, die Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien sind in diesem Zusammenhang zu sehen.

„Wenn wir uns die Entwicklung unserer Schule in den letzten Jahren ansehen, so müssen wir feststellen, dass die Hauptschule am Ende der Sackgasse angekommen ist und es keine Wendemöglichkeit mehr gibt.

Welchen Sinn macht es, dass in einer Schule alle Schüler/innen gesammelt werden, die weder von den Eltern noch von der Wirtschaft Perspektiven aufgezeigt bekommen, um ihr Leben sinnvoll gestalten zu können. [...] Hauptschule isoliert sie, sie fühlen sich ausgesondert und benehmen sich entsprechend.

Deshalb kann jede Hilfe für unsere Schule nur bedeuten, die aktuelle Situation erträglicher zu machen. Perspektivisch muss die Hauptschule in dieser Zusammensetzung aufgelöst werden zu Gunsten einer neuen Schulform mit gänzlich neuer Zusammensetzung. [...]

2009 wird unser Schulgebäude 100 Jahre alt und wir hoffen, dass bis dahin eine Schule geschaffen werden kann, in der Schüler/innen und Lehrer/innen Freude am Lernen bzw. Lehren haben.“

Ein frommer Wunsch der Lehrer der Rütli-Schule, jedoch ein höchst irrealer, denn solange der Kapitalismus existent ist, werden sich die sozialen Probleme immer weiter verschärfen.

//von Wilhelmine Clementine und Jalava aus Berlin //REVOLUTION Nr. 17

 

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