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Der 1. Mai in Berlin

Gewerkschaftsdemo, Anti-Nazi-Blockaden und revolutionäre Demo

Am 1. Mai 2010 wurde der internationale Kampftag der ArbeiterInnen zum 120. Mal abgehalten (1). In Berlin gab es sehr viele Veranstaltungen – laut der Polizei wurden im Vorfeld 43 angemeldet.

Morgens: Die Gewerkschaftsdemo

Pünktlich um 10 Uhr zog die Gewerkschaftsdemo vom Wittenbergplatz in Westberlin los. Die Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wird von Jahr zu Jahr kleiner: dieses Jahr waren höchstens 2.000 DemonstrantInnen dabei. Darunter waren wenige ArbeiterInnen oder Auszubildende – dafür aber Bürgermeister Klaus Wowereit, ganz vorne am Fronttransparent. Dieser Sozialdemokrat war in den letzten acht Jahren für die "Sparen, bis es quietscht"-Politik im Öffentlichen Dienst und im Bildungssystem verantwortlich, doch die Gewerkschaftsführungen setzen immer noch lieber auf die Anbiederung an SozialdemokratInnen als auf Klassenkampf.

Auf der Demo waren verschiedene Kräfte, die die politische Linie des DGBs entschieden ablehnen, z.B. die anarchosyndikalistische FAU, die ArbeiterInnen zum Austritt aus den DGB-Gewerkschaften auffordert, und mehrere türkische stalinistische Kräfte, deren Intervention hauptsächlich durch die Parole "Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao - Viva, Viva, Viva!" auffiel.

Unübersehbar war der Klassenkämpferische Block von mehreren hundert Leuten, die mit Transparenten, Schildern und einem eigenen Lautiwagen "Klassenkampf statt Standortlogik" forderten. Dieser Block – organisiert unter anderem von der "Revolutionären Perspektive", der ARAB und der DKP Berlin (2) – setze sich für den Aufbau einer klassenkämpferischen Opposition an der Basis der großen Gewerkschaften ein. Dieser Block wurde auch von der "jungen GEW" unterstützt, weshalb es im Gegensatz zum letzten Jahr keine Versuche der DGB-Führung gab, den Lautiwagen aus der Demo zu vertreiben.

Ein Redebeitrag über die "Alternative" im Berliner Daimler-Werk (3) erklärte, wie die IG Metall-Bürokratie versucht, eine oppositionelle Strömung im Betrieb mit Ausschlussverfahren mundtot zu machen. Die UnterstützerInnen der "Alternative" forderten dazu auf, die IG Metall nicht zu verlassen, sondern den innergewerkschaftlichen Kampf für eine kämpferische Politik zu verstärken. Ein Redebeitrag von der "AG Arbeitskämpfe" an der FU Berlin machte klar, dass SchülerInnen und Studierende im Rahmen des bevorstehenden Bildungsstreiks sich an die ArbeiterInnenbewegung wenden müssen.

Nachmittags: Blockaden gegen den Naziaufmarsch

Über 10.000 NazigegnerInnen sind dem Aufruf des Bündnisses "1. Mai Nazifrei!" gefolgt und haben in Prenzlauer Berg den geplanten Aufmarsch der FaschistInnen erfolgreich blockiert. Seit dem frühen Morgen wurde versucht, die von der Polizei abgesicherte Naziroute zu besetzen. Doch nicht wo die Flashmobs planlos von Absperrung zu Absperrung gehetzt wurden und auf eine Einladung der Polizei warteten, sondern wo AntifaschistInnen sich ein Herz nahmen und zielgenau die Absperrungen gewaltsam durchbrachen, konnten Blockaden gebildet werden.

So konnte die Naziroute bereits am Vormittag an drei wichtigen Punkten massenhaft blockiert und trotz Einschüchterungsversuchen mit bereitgestellten Wasserwerfern gehalten werden. Nur die Blockade der östlichen Bornholmer Straße gelang nicht in ausreichender Zahl. Hier, in der Nähe des Sammelpunktes der Rechten, ging die Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken vor. So konnten bis zum späten Nachmittag nur kleine Blockaden oder ein Sabotageversuch des Lautis durchgeführt werden.

Doch letztendlich konnten die rund 600 Glatzen, die schlussendlich erschienen, nur einige Hundert Meter marschieren, bevor sie kurz vor 18 Uhr umdrehen und nach Hause fahren mussten.

Abends: Die Revolutionäre Demo

Zum 22. Mal fand die Revolutionäre 1. Mai Demonstration statt. Mit erheblicher Verspätung (damit BlockadeteilnehmerInnen noch eintreffen konnten) begann der Aufzug durch Kreuzberg und Nordneukölln unter dem Motto "Die Krise beenden – Kapitalismus abschaffen!" Über 15.000 Menschen hatten sich trotz massiver Vorkontrollen und brutalster Drohungen durch die Polizei ("Es könnte Tote geben") auf der Südseite des Kottbusser Tors versammelt.

Der Hauptredner, Heinrich Fink vom VVN-BdA, sprach sich deutlich für die Überwindung des Kapitalismus aus. Doch konkrete Perspektiven, wie der Kapitalismus überwunden werden könnte, waren sowohl in seiner Rede wie auf der gesamten Demonstration nicht immer leicht zu erkennen.

Zum Glück lief der ziemlich gut organisierte Klassenkämpferische Block an der Spitze, was die gesamte Demonstration disziplinierter und vor allem politischer machte. Dort gab es Forderungen nach Widerstand in den Betrieben, klassenkämpferischen Gewerkschaften und politischen Streiks – ein positiver Gegensatz zu den eher abstrakten Parolen, die sonst den 1. Mai dominieren.

Trotz der wochenlangen Hetze in den bürgerlichen Medien über die "Mai-Randale" verlief die Demonstration überraschend friedlich. "Hey, hier sind irgendwie keine Bullen", meinte ein erstaunter Punker im vorderen Teil der Demo. Tatsächlich hielten sich die über 6.000 PolizistInnen fast komplett außer Sichtweite und deswegen kam es auch nicht zu Ausschreitungen.

Die Demo bewegte sich sehr schnell und erreichte in weniger als einer Stunde den Ort der Abschlusskundgebung am Spreewaldbad. Erst hier begannen die Angriffe der Bullen auf Linke – die in den bürgerlichen Medien gefeierte Polizeistrategie der "ausgestreckten Hand" bedeutete keine Hemmung der Polizeigewalt, wie ein Video auf Youtube eindrucksvoll zeigt. Doch selbst das war eher bescheiden im Vergleich zur polizeilichen Gewaltorgie vom letzten Jahr, als fast 300 Menschen festgenommen wurden.

RIO

RIO, die Revolutionäre Internationalistische Organisation, war mit einem kleinen aber gut sichtbaren Kontingent im klassenkämpferischen Block auf beiden Demonstrationen. Mit unseren neuen roten "Streik!"-Shirts ausgestattet und mehreren Auszubildenden und SchülerInnen dabei verteilten wir rund 2.000 Flyer für unser bevorstehendes Seminar über Lateinamerika und unser linkes Hiphop-Konzert (beide im Juni).

//von Wladek (RIO) und David, Berlin //3. Mai 2010

 

Notizen:

(1) Zur Geschichte des 1. Mais siehe den Artikel von Nick Brauns aus der jungen Welt.
(2) Für unsere Einschätzung der DKP Berlin, die deutlich linker als die Bundes-DKP ist, siehe: Links von der Linkspartei
(3) Für mehr Infos über die Alternative, siehe: Gegen Ausgrenzung und Ausschlüsse aus der IG Metall!

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