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Bürgerkrieg in Palästina

Der Gazastreifen wird zum größten Freiluftgefängnis der Welt

Als größtes Freiluftgefängnis der Welt gilt der Gazastreifen, ein Küstenstreifen am Mittelmeer, etwa 40 km lang und 10 km breit. Er ist etwa ein Drittel so groß wie Berlin, dennoch mit 1,4 Millionen EinwohnerInnen dichter besiedelt. 81% von ihnen leben unter der Armutsgrenze.

An den nördlichen und östlichen Grenzen gibt es eine große Mauer. Der Luftraum und die Küste werden von den israelischen Streitkräften kontrolliert. Selbst die Grenze zu Ägypten im Süden wird von Israel überwacht. Die EinwohnerInnen können diesen kleinen Landstreifen nur in Ausnahmefällen verlassen.

Seit Januar 2006 sind die Almosen, von denen die Menschen im Gazastreifen gelebt haben, gestoppt worden und seit Juli 2007 ist er vollständig von der israelischen Armee belagert. Militärische Übergriffe auf Gaza finden ständig statt.

Der Hintergrund ist der Wahlsieg der islamistischen Partei Hamas in den palästinensischen Gebieten im Januar 2006. Die Hamas wurde von Israel und dem Imperialismus in eine Koalitionsregierung mit der bürgerlich-nationalistischen Fatah gezwängt, die die ungeliebte Hamas so schnell wie möglich los zu werden versuchte.

So drangen im Januar von Ägypten aus KämperferInnen des lokalen Fatah-Warlords Mohamed Dahlan in den Gazastreifen ein, deren Ausbildung mit CIA-Geldern in Ägypten gewährleistet war. Ziel der Dahlan-Truppe war es, die im Gazastreifen sehr populäre Hamas zurückzudrängen. Bei den ausbrechenden Kämpfen behielt allerdings die Hamas die Oberhand gegen die numerisch und materiell besser dastehnden Fatah-Kämpfer, was einerseits einer überlegen Taktik, aber vor allem dem Rückhalt in der Bevölkerung geschuldet ist.

Wie kam es dazu?

Die Entwicklung, die sich nun im Gazastreifen abspielt, ist nur zu verstehen, wenn mensch sich die Hintergründe ansieht: Der Gazastreifen wurde 1967 von Israel besetzt. Der Kampf der PalästinenserInnnen für nationale Selbstbestimmung erreichte erst mit der ersten Intifada, dem palästinensischen Aufstand von 1987, Massencharakter. War der Widerstand ursprünglich von der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO (einem Bündnis, dessen stärkster Teil die Fatah ist) geführt, betrat mit der ersten Intifada eine neue politische Kraft die Bühne: die islamistische Hamas.

Die erste Intifada endete mit den Friedensabkommen von Oslo 1993. Die dabei entstandene palästinensische Autonomiebehörde um Jassir Arafat wurde bald zu einem Hort der Korruption und Vetternwirtschaft. Für die PalästinenserInnen verschlechterte sich die Situation weiter – trotz des Friedensprozess ist ihr Lebensstandard zwischen 1993 und 2001 um 40% gesunken. Die israelische Militärrepression war nur etwas zurückgezogen, aber weiter allgegenwärtig.

Der Aufstieg der Hamas zu einem bedeutenden Faktor ging mit der zweiten Intifada ab 2000 einher, bei der der Massenkampf begleitet war durch terroristische (Selbstmord-) Attentate – Kampfformen, die Ausdruck militärischer Schwäche gegenüber dem israelischen Militärapparat sind. Die neue Intifada war Ausdruck der Enttäuschung über das Oslo-Abkommen und der hoffnungslosen Situation im Westjordanland und im Gazastreifen.

Bei den ersten Wahlen zur Autonomiebehörde im Januar 2006 erzielte die Hamas eine absolute Mehrheit. Auf diese demokratischen Wahlen antworteten die imperialistischen Staaten und Israel mit der Streichung von Geldern und der Nicht -Auszahlung von Steuereinnahmen, die vom israelischen Militär eingetrieben werden..

Hamas und Fatah

Die Fatah war ursprünglich der Kern der PLO (zu der auch stalinistische Gruppierungen wie PFLP und DFLP gehören) und vertrat ein bürgerlich-nationalistisches Programm (für ein säkulares, arabisches Palästina) und setzte auf eine Guerillastrategie. Vor allem mit der Schaffung der palästinensischen Autonomiebehörde wurde die PLO immer mehr zu einer reinen Herrschaftsclique, die sich Posten und Hilsgelder zuschanzte und offen die Politik des Imperialismus durchsetzte. Dadurch hat sie einen Großteil des Rückhalts in der Bevölkerung im Gazastriefen, aber auch im Westjordanland, verloren.

War die Hamas ursprünglich von Israel unterstützt worden und spielte mit ihrer religiösen Doktrin eine reaktionäre Rolle, wurde sie zur Hauptkraft des Widerstands gegen die israelische Besatzung. Dazu trugen auch ihre sozialen Projekte wie Schulen und Krankenhäuser bei. Ihre Rolle ist zweischneidig, einerseits ist sie als islamistische Organisation der geschworene Todfeind der organisierten ArbeiterInnenbewegung, andererseits erscheint sie vielen PalästinenserInnen als die konsequenteste Kämpferin gegen das Besatzungsregime.

RevolutionärInnen können in einem Konflikt zwischen dem proimperialistischen Kollaborationsregime der Fatah und der von der Bevölkerung als Widerstandskraft wahrgenommenen Hamas nicht neutral sein. Die Hamas sollte durch einen stillen Staatsstreich im Gazastreifen entmachtet werden und wurde als Resultat der Kämpfe aus der Regierung geworfen. Nun will die Fatah sie noch von den Wahlen ausschließen. Wie sehr wir auch die Hamas und ihre reaktionäre Ideologie und Politik bekämpfen müssen, können wir nicht neutral zusehen, wie ihr – und somit den PalästinenserInnen – die elementarsten demokratischen Rechte vorenthalten werden.

Perspekivlosigkeit

Die New York Times sprach zum Beispiel mit einem 19jährigen Kämpfer der Hamas: „Ich bin sehr pessimistisch“ sagt er. „Aber ich habe das Gefühl, ich kann mein Leben der Sache opfern. Ich finde dieses Leben sehr langweilig, ehrlich gesagt. Dieses Leben hat keine Bedeutung für mich.“

Der Islamismus nährt sich von der Hoffnungslosigkeit unter den PalästinenserInnen. Eine fortschrittliche politische Bewegung müsste eine klare Perspektive für ein besseres Leben für die palästinensischen Massen diesseits des Himmels anbieten.

Wie könnte diese Perspektive aussehen? Die Versprechen für einen „palästinensischen Staat“, die von den US-amerikanischen und israelischen Regierungen stets wiederholt werden, sind leer. Dieser „Staat“, selbst wenn er gegründet werden könnte würde seine Außengrenzen kontrollieren und er hätte keinen Platz für die rund 5 Millionen palästinensische Flüchtlinge in der Region, die in ihre Heimat zurückkehren wollen. Dieser palästinensische „Staat“, als Teil einer sogenannten „Zwei-Staaten-Lösung“, wäre nichts anderes als eine Kolonialverwaltung. Die erdrückende Armut und die Arbeitslosigkeit unter den PalästinenserInnen, die letztendlich die Wurzel des Konfliktes darstellen, würden bleiben.

Eine wirkliche Perspektive ist nur jenseits der kapitalistischen Gesellschaft zu finden. Die herrschende Klasse Israels lebt gerade von der Besetzung und Israels Rolle in Nahost, und hat keinerlei Interesse an einem Frieden mit den arabischen Nachbarn. Auch eine dünne Schicht in Palästina hat sich in der Situation eingerichtet: die luxuriösen Villen von Fatah-PolitikerInnen im Riesenslum Gaza sind bekannt. Insofern können nur die Ausgebeuteten und Unterdrückten der Region die Grundlage für ein anderes System bilden.

Zusammen kämpfen!

Die PalästinenserInnen haben einen mächtigen potenziellen Verbündeten innerhalb der israelischen Gesellschaft. Israel ist, im Gegensatz zu den Vorstellungen der Antisemiten, kein Block mit einheitlichen Interessen, sondern eine Klassengesellschaft.

Die Unterschichten in Israel (Juden/Jüdinnen aus der arabischen Welt oder der ehemaligen Sowjetunion) leiden, wie sonst überall auf der Welt, unter den Folgen von Kürzungen und Privatisierungen, während der Staat unvorstellbare Summen fürs Militär ausgibt. Immer wieder kommt es zu sozialen Protesten – gegen Entlassungen, gegen Studiengebühren usw. – die aber recht schnell an ihren Grenzen stossen, wegen der Bunkerstimmung in der Bevölkerung und der vorherrschenden zionistischen Ideologie. Wenn die Klassenkonflikte in Israel sich zuspitzen, ist davon auszugehen, dass ein Teil der israelischen ArbeiterInnen vollständig mit dem zionistischen Block bricht und sich mit dem PalästinenserInnen als seine Klassenbrüder und -schwester verbinden.

Der Widerstand der PalästinenserInnen ist legitim und von allen RevolutionärInnen in der Welt zu unterstützen. Unsere Unterstützung kann jedoch nur eine kritische sein, denn sowohl die bürgerlich-nationalistischen wie die islamistischen Kräfte haben keine Perspektive für eine wirkliche Befreiung: erstere wollen nur ihre eigenen Privilegien sichern, letztere schwächen den Widerstand mit dem Ausschluss von Frauen und Minderheiten aus dem gesellschaftlichen Leben und damit auch aus dem Widerstand.

Nur im gemeinsamen Kampf auf sozialistischer Grundlage kann die israelische Besatzung beendet und in eine sozialistische Revolution überführt werden. Internationalistische Israelis müssen den Widerstand der PalästinenserInnen unterstützen und die sozialen Kämpfe in Israel mit dem Kampf gegen die Besetzung verbinden. Genauso haben palästinensische InternationalistInnen die Pflicht, gegen antisemitische Vorurteile zu kämpfen.

//von Wladek, Revo Berlin, und Stefan, RSO Berlin //REVOLUTION Nr. 25

//eine längere Version dieses Artikels erschien in "die rote" Nr. 2

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