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Orange Revolution?

die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine waren ein Machtkampf zwischen den USA und Russland

Die Präsidentschaftswahlen Ende November in der Ukraine haben eine Krise ausgelöst. Ministerpräsident Wiktor Janukowitsch wurde zum Sieger erklärt. Oppositionsführer Wiktor Juschtschenko warf ihm Wahlbetrug vor und gewann bei der Wiederholung der Stichwahl Ende Dezember. Während des Wahlkampfes ließen beide Kandidaten riesige Demonstrationen in der Hauptstadt Kiew organisieren: Die Janukowitsch-Anhänger marschierten unter blauen Fahnen, die Juschtschenko-Leute trugen orangene.

Die westlichen Medien sprechen vom Sieg Juschtschenkos als einer riesigen und unaufhaltsamen Demokratiebewegung, einer „orangenen Revolution“. Aber seit wann ist eine Revolution für die kapitalistische Presse eine positive Sache? Etwas Verdächtiges geht hier vor sich ...

Die Kandidaten

Natürlich gibt es viel Wut gegen Janukowitsch, den Nachfolger des scheidenden Präsidenten Kutschma, die bei jeder Massendemo zu sehen ist. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als viele Menschen die Einführung wirklicher Demokratie erwartet haben, gibt es nun wenig mehr als Massenarbeitslosigkeit, Verarmung, Krisen und Gewalt.

Ganze Industrien wurden platt gemacht, andere zu Discount-Preisen an ausländische Konzerne verkauft. Eine Handvoll Ukrainer­Innen haben sich unvorstellbar bereichert, dafür haben Millionen ihren Arbeitsplatz (und die damit verbundene Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung) verloren.

Korruption regiert das Land: Ein riesiges Heer staatlicher Bürokraten, das sich trotz der neuen „Demokratie“ nicht viel geändert hat, zockt so viel ab, wie irgend möglich.

Janukowitsch, der seit Jahren neben Kutschma an der Spitze steht, bezog seine Unterstützung aus dem industriellen Osten und Süden des Landes, und von der russischsprachigen Minderheit, die dort lebt. Als die Ukraine Teil der UdSSR war, wurde diese Minderheit durch die staatliche Russifizierungspolitik gefördert. Jetzt fürchtet sie, von dem ukrainischsprachigen Westen des Landes „überrannt“ zu werden.

Janukowitsch bekommt vom russischen Präsidenten Putin politische Unterstützung, mit Pressekonferenzen und mit – sagen wir mal – weniger offenen Mitteln: sein Herausforderer wurde vergiftet, vermutlich vom russischen Geheimdienst.

Der eine Kandidat ist eine Marionette von einheimischen Kapitalisten und russischen Imperialisten – wer ist der Herausforderer?

Demokratie made in USA

Bei den Demonstrationen der Opposition in Kiew fiel immer wieder die orangene Kleidung auf. Jeder Mann, jede Frau, jedes Kind trug einen orangenen Schal, ein orangenes Hemd, eine Mütze, einen Anstecker.

Sollen wir glauben, dass alle UkrainerInnen kiloweise orangene Klamotten bei sich zu Hause lagern? Vielmehr ist das ein Zeichen (neben den Konzertanlagen, Großbildschirmen und Laser-Shows, die bei jeder Oppositionsdemo zu sehen sind), dass viel Geld hinter dieser „Bewegung“ steckt. Viel, viel Geld.

Warum? Juschtschenko ist nicht gerade der „einfache Mann“, der einfache Rebell, der aus der rebellischen Menge vorgeschoben wurde, wie in den Medien behauptet wird. In Wirklichkeit gehört er zur engsten Elite des Landes. Juschtschenko hat viele Jahre unter Kutschma gedient, als Chef der Zentralbank und sogar als Premierminister. Zu seinen UnterstützerInnen gehören die reichsten Kapitalisten des Landes, z.B. die Parlamentsabgeordnete Julia Timoschenko, die durch die Privatisierungen der 90er Jahre Milliarden verdient hat.

Auch das US-Außenministerium hat dieser „Demokratiebewegung“ über 60 Millionen Dollar zukommen lassen, durch diverse „Nicht-Regierungs-Organisationen“. Dass der US-Imperialismus eine Demokratiebewegung unterstützt, wäre ein völlig neues Phänomen. Normalerweise beschränkt sich die Hilfe des State Departments auf die übelsten Diktatoren: Pinochet in Chile, Saddam im Irak, usw.

Vorwärts! Aber wohin?

Wir haben es mit zwei Kandidaten zu tun, die verdammt ähnlich sind. Sie heißen beide Wiktor J. und stammen beide aus der ukrainischen Elite. (Schön, dass sie unterschiedliche Farben haben, sonst wäre das Ganze total unübersichtlich!) Die Krise kommt daher, dass die Herrschenden in der Ukraine darüber gespalten sind, wohin das Land gehen soll. Einige befürworten eine Stärkung der Beziehungen zu Russland, andere wollen sich mehr nach Westeuropa und den USA orientieren.

Die „Wahl“, wenn man das Verfahren überhaupt so nennen kann, ist nur eine Wahl zwischen diesen zwei Flügeln der Bourgeoisie. Es ist eine Wahl, ob die Wirtschaft eher von den Konzernen der USA oder Russlands dominiert wird.
Ob die Imperialisten, die das Land plündern, englisch oder russisch sprechen, ist eine zweitrangige Frage – die Löhne und Arbeitsbedingungen werden schlecht bleiben!

Die Mobilisierungen haben gezeigt, dass Demos eine große Wirkung haben können. Man muss nicht resigniert hinnehmen, wenn der Staat dieses oder jenes entscheidet. Man kann auch trotz der Dezemberkälte auf die Straße gehen und gegen Ungerechtigkeit kämpfen. Manchmal, doch nur manchmal, werden solche Aktionen zu Weltgeschichte.

Doch selbst wenn eine Million Leute durch die Straßen von Kiew marschieren würden, werden sie nichts erreichen, solange sie sich hinter dem einen oder dem anderen kapitalistischen Politiker einreihen.

Beide, der vom State Department finanzierte und der vom Kreml finanzierte, wollen ermöglichen, dass möglichst große Profite in der Ukraine gemacht werden. Dazu müssen sie die ArbeiterInnen, BauerInnen, und Jugendlichen des Landes zunehmend ausbeuten. Armut, Arbeitslosigkeit, Korruption – alle Probleme, vor denen die UkrainerInnen stehen – sind Bestandteile dieses Profitsystems, des Kapitalismus.

Dass die Regierungen in Moskau und Washington das Ausbeutungssystem aufrecht erhalten wollen, ist klar. Es gibt aber eine andere Möglichkeit. Die ArbeiterInnen können mehr als nur Figuren im Schachspiel der imperialistischen Mächte sein. Sie können die Industrie des Landes in die eigene Hand nehmen und nicht immer Opfer von bürokratischen Privatisierungen sein, sondern selber entscheiden, wie es verwaltet wird. Sie müssen nicht immer für die amerikanischen und russischen Kapitalisten arbeiten, sondern können gemeinsam mit den ArbeiterInnen der USA und Russlands für sich selbst arbeiten.

Kurz gesagt: Die ArbeiterInnen der Ukraine brauchen keine orangene sondern eine rote (sozialistische) Revolution!

Was macht die Jugend?

Sie spielte eine wichtige Rolle bei den Protesten der Opposition. Zwei Wochen lang wurden die zentralen Plätze von Kiew besetzt; die Zeltstädte wurden hauptsächlich von SchülerInnen, StudentInnen und jungen ArbeiterInnen bewohnt.

Lustig ist allerdings, wie die bürgerliche Presse des Westens über diese jugendlichen DemonstrantInnen schwärmt: „ihre Hingabe, Leidenschaft, Kreativität machen möglich, dass sich in der Gesellschaft etwas ändert“ usw. usf.

Das ist ein krasser Kontrast zu der Berichterstattung der selben Zeitungen über die jungendlchen DemonstrantInnen am 1. Mai in Berlin: „demokratiefeindliche Krawallsüchtige Freaks betrinken sich und verbrennen Autos!!!“

Vielleicht wenn wir uns hinter einem neoliberalen Politiker wie Guido Westerwelle einreihen würden, hätte die Berliner Morgenpost was nettes zu sagen über uns!

//von Huey aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 9
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