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Antikapitalismus im Millenium Dome //von Wladek aus Mitte //REVOLUTION Nr. 8 London im Herbst ist kalt, grau, es regnet mehrmals täglich. Aber vom 15.-17. Oktober trafen sich trotzdem Zehntausende Leute aus ganz Europa in London. Warum? Fürs Europäischen Sozialforum, so was wie eine Kontinentalkonferenz der antikapitalistischen Bewegung unter dem Motto „eine andere Welt ist möglich“. In der großen Ausstellungshalle Alexandra Palace auf einem Hügel über London, kamen die Menschen zusammen, um den europaweiten Kampf gegen Krieg, Sozialabbau und Rassismus voranzutreiben. GenossInnen von allen europäischen REVOLUTION-Gruppen (sowie ein neues Mitglied aus Israel) waren gekommen, insgesamt über 100 Jugendliche. Unser Ziel war, das ESF in eine revolutionäre Richtung zu drängen. Wie wir zu sagen pflegen: „Eine andere Welt ist möglich – aber nur durch die sozialistische Revolution!“ Nicht perfekt ... Das diesjährige Forum war mit 20.000 TeilnehmerInnen kleiner als die letzten Beiden in Florenz und Paris (mit jeweils 50.000-60.000). Das Forum war teurer, viel viel viel teurer – allein die Anmeldung kostete 32 Euro, mehr als 10mal so viel wie letztes Jahr! Und für die Unterkunft im Millennium Dome (ein riesiger, leerstehender Bau am Thames, der wie ein Raumschiff aussieht), musste man noch 10 Pfund abdrücken. In den letzten Jahren war die Unterkunft immer kostenlos. Das Forum war bürokratischer organisiert – um sich anzumelden, brauchte man eine Kreditkarte. Vor dem Millennium Dome stand rund um die Uhr Security, die nach Alkohol gesucht und permanent gestresst hat. Bei den früheren ESFs wurde die Anmeldung sowie die „Ordnung und Sicherheit“ von Freiwilligen und GewerkschaftlerInnen organisiert – und funktionierte generell stressfrei! Schuld an allem war der große Finanzier des ESFs. Londons Bürgermeister Ken Livingstone, bekannt als der „Rote Ken“, hatte eine Viertel Million Pfund zur Verfügung gestellt. Natürlich verfolgte er seine eigenen Interessen: er wollte das ganze ESF in eine „We love Ken“-Versammlung umwandeln. Zum Beispiel waren bei der Eröffnungsveranstaltung des ESFs, wo Livingstone natürlich Hauptredner war, die Hälfte der Plätze für Prominente reserviert. Eine Gruppe von Jugendlichen aus Katalonien, die aus Protest gegen die hohen Unterkunftskosten ein Transpi entrollt hatten, wurden von der Polizei aus dem Gebäude gejagt. Warum das alles? Weil der alte Ken sein Image als „Linker“ innerhalb von Tony Blairs Labour Party aufputschen möchte. Er war gegen den Irak-Krieg (gut), hat aber Streiks der U-BahnfahrerInnen zu unterminieren versucht, lässt 1.-Mai-Demos von der Polizei auseinanderknüppeln, und kooperiert mit Abschiebungen (schlecht, schlecht, schlecht!). Deshalb war er sehr besorgt, jegliche Kritik an ihn auszusperren. Z.B. die Scottish Socialist Youth, die mit Buttons mit Kens Kopf und dem Wort „Scab!“ (Streikbrecher!) angekommen sind, haben Stress von der Security gekriegt. Faustschläge Die rechteren Kräfte im ESF (Gewerkschaftsfunktionäre, Sozialdemokraten, NGOs) hatten sich organisiert, um das ESF politisch lahm zu legen. So wurden als RednerInnen bei den Plena fast 2/3 hauptamtliche Gewerkschaftsfunktionäre bestimmt. Dagegen waren VertreterInnen von realen Kämpfen der ArbeiterInnen, ImmigrantInnen, oder Antikriegs-AktivistInnen auf den Podien nicht zu finden. Jugendliche fehlten sowieso komplett. Die Proteste gegen die bürokratische Organisierung des Forums nahmen verschiedene Formen an, die gern und oft in der Presse aufgegriffen wurden. Zum Beispiel auf einem Plenum am Freitag mit dem Titel „Beendet die Besatzung des Iraks“ sollte der Generalsekretär der Irakischen Gewerkschaftsföderation (einer gelben Gewerkschaft, die die US-Besatzung sowie deren Marionettenregierung unterstützt) sprechen. Ein anwesender irakischer Gewerkschafter meinte, dass sei, als würde man die BNP (britische Nazi-Partei) zu einer antifaschistischen Veranstaltung einladen. Aus dem Grund haben einige Duzend IrakerInnen, unterstützt von AktivistInnen von REVOLUTION und der Liga für die Fünfte Internationale, mit Pfeifen und Zwischenrufen gegen die Veranstaltung protestiert. Oder am Samstag sollte Ken Livingstone auf einem antirassistischen Plenum sprechen. Kurz vorher wurde die Bühne von 100-200 AnarchistInnen gestürmt, die ein großes Transpi entrollten („Kens Partei ist die Kriegs-Partei“ – was auch stimmt!) und Reden hielten gegen die hohen Teilnahmegebühren und undurchsichtige Organisierung beim Forum. Als sie das Gebäude verlassen wollten, wurden einige verhaftet – d.h. die Organisatoren, die sagen “eine andere Welt ist möglich”, haben die Polizei ins Forum eingeladen! Diese Auseinandersetzungen sorgten für viel Spannung auf bzw. nach dem ESF. Die Auseinandersetzung zwischen links und rechts, zwischen Reform und Revolution, zwischen Gewerkschaftsbürokraten und radikalen Jugendlichen, gibt es seit Jahren in der antikapitalistischen Bewegung und war auf jedem Forum zu beobachten. Diesmal war sie für jeden sichtbar. ... aber doch ganz nett Das ESF bestand aber nicht nur aus Prügeleien. Im Gegenteil! Das Forum ist nach wie vor die beste Gelegenheit des Jahres, sich europaweit zu vernetzen. So organisierten wir von WORLD REVOLUTION eine Veranstaltung mit dem Titel „Vereint die Jugendkämpfe der Welt“, an der Jugendliche aus dem ganzen Kontinent teilgenommen haben. Viele kämpferische GewerkschafterInnen konnten Erfahrungen austauschen: z.B. wurde vom ESF eine Solidaritätsbotschaft an Opel Bochum geschickt. Und zum ersten Mal auf einem ESF gab es dieses Jahr eine Jugendversammlung. Schon vor einem Jahr hat REVO eine Initiative gestartet, um einen Jugendraum einzufordern. Wir trafen dabei auf harten Widerstand von Gewerkschaftsbürokratie und Sozialdemokratie (und den “Revolutionären” von Linksruck!), die gefürchtet haben, eine Jugendversammlung wäre zu radikal. Also haben wir 20 europäische Jugendorganisationen zusammengebracht, um diese Initiative durchzusetzen. Es war ein harter Kampf, doch am Ende konnten wir die Jugendversammlung abhalten. Sie fand am Samstag Abend mit fast 300 TeilnehmerInnen statt. Es gab eine Diskussion über die Unterdrückung von Jugendlichen im Kapitalismus, die sich selbst am ESF zeigte. Dann wurde eine Resolution eingebracht, die über eine Stunde lang diskutiert wurde. Es gab Duzende Änderungsanträge und zahlreiche Ideen für Aktionen. Alles wurde demokratisch abgestimmt und das Endprodukt gibt’s unten. Am letzten Morgen fand die Versammlung der Sozialen Bewegungen statt. Das ist der einzige Ort am ESF, wo man offiziell Entscheidungen fällen darf. Wir von der Jugendversammlung forderten das Recht, unsere Resolution einzubringen. Immerhin gab es über hundert RednerInnen, meistens – Überraschung! – Gewerkschaftsbürokraten. Wir durften erstmal nicht reden. Also sind wir frühzeitig in den Saal gegangen und haben sehr ruhig die ersten zwei Reihen besetzt. Die leichte Drohung ist verstanden worden, denn plötzlich waren wir auf der Rednerliste. Als wir daran waren, gingen fast 100 Jugendliche auf die Bühne und jubelten, als die Resolution verlesen wurde – ein toller Anblick! Leider sind viele der radikalen Forderungen nicht in die offizielle Erklärung der Versammlung aufgenommen worden, aber immerhin konnten sie Tausenden Sozialforum-TeilnehmerInnen vorgestellt werden. Demo durch die Innenstadt Als Abschluss des ESF gab es eine große Antikriegsdemo durch die Londoner Innenstadt. Etwa 70.000 Menschen nahmen teil. Eine richtig tolle Demo mit dem größten REVOLUTION-Kontingent aller Zeiten: ein lautstarker, internationaler Block mit etwa 150 Jugendlichen! Eine Gruppe AnarchistInnen hatten sich entlang der Demo aufgestellt mit Anzügen und Pappschildern mit Sprüchen wie „Keine Steuern für Konzerne!“ und „Mehr Kriege!“ Wir antworteten mit dem Spruch: „Eat the rich!“ Im Frühjahr 2006 findet das vierte ESF in Athen statt. Im nächsten Jahr sind europaweite Mobilisierungen gegen die EU (März 2005 in Brüssel) und die G8 (Juli in Schottland) geplant. Das ESF wird solche Mobilisierungen wieder zusammenführen. Melde dich einfach bei “Anticapitalista-Reisen”... |
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