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gu gara herria egin dezagun euskal herri sozialista //ein Reisebericht von Wladek //REVOLUTION Nr. 5 „Wir sind ein Volk und wir kämpfen für ein sozialistisches Baskenland.“ Unter diesem Motto fand das 3. Gazte Topagunea („Jugendtreffen“ auf baskisch) statt. 20.000 Jugendliche versammelten sich über Ostern im kleinen Dorf Itsasondo für vier Tage Politik, Kultur und Musik. Aber ich habe das anders erlebt... „Mein Leben lief ziemlich gut, bis ich 13 war und einen tödlichen Fehler begangen habe – ich habe mich für die proletarische Revolution entschieden“. Das sagte jemand von REVOLUTION London. Alle sechs Mitglieder unserer Delegation dachten wahrscheinlich dasselbe. Warum? Weil wir am ersten Abend bei Null Grad, im Dunkeln und bei einfrierendem Regen, in 10 Zentimeter tiefem Schlamm unsere Zelte zwischen Tausenden gleich aussehenden Zelten suchten, um uns schließlich in die nassen Schlafsäcke zu packen, die ganze Nacht lang zu zittern und baskische Sprachchöre vom Nachbarzelt anzuhören. Ein US-Amerikaner, der dabei war, hat es so zusammengefasst: „Mein Großvater war im Korea-Krieg, aber ich war bei Gazte Topagunea.“ Willkommen im Baskenland! Euskal Herria (“Baskenland” auf baskisch) ist ein kleines Land in den Pyrenäen mit 3 Millionen EinwohnerInnen. Zwischen Spanien und Frankreich geteilt und gegen die atlantische Küste gedrängt – im Atlas hat man den Eindruck, irgendein Gott wollte das ganze Land ins Meer schieben. Euskal Herria könnte man vielleicht als eine Serie von Postkarten beschreiben: endlose grüne Hügel, befleckt mit Schafen, unter ständig grauem Himmel; Bauernhöfe aus dem 16. Jahrhundert rund um winzige Dörfer; die größte Stadt Bilbo mit einem modernen Stadtzentrum (inklusive des berühmten Guggenheim-Museums) und der entwickeltsten Industrie auf der iberischen Halbinsel; Mädchen mit aufgerollten Hosen und breiten Kopfbänden; Jungs mit dicke nAugenbrauen und breiten flachen Nasen. Was man allerdings auf einer Postkarte kaum mitkriegen würde: die baskische Sprache – etwa 3.000 Jahre alt, älter als alle indoeuropäische Sprachen – ist nur zu 2% verständlich. Unterdrückung Euskal Herria hat einen im Vergleich zu Spanien relativ hohen Lebensstandard. Baskische Banken wie BBVA investieren rund um die Welt und das Pro-Kopf-Einkommen ist 15% höher als im spanischen Staat. Trotzdem sind die BaskInnen eine unterdrückte Nation. Die 7 Provinzen von Euskal Herria sind dreimal geteilt: drei Provinzen im französischen Staat, drei in der „Baskischen Autonomen Gemeinschaft“ im spanischen Staat, eine als eigene spanische Provinz. Nie wurde den BaskInnen die Frage gestellt, ob sie einen eigenen unabhängigen Staat wollen oder nicht. In Frankreich wird ihre Sprache nicht anerkannt und ihnen wird keine regionale Autonomie gestattet. In Spanien dürfen sie zwar ihre Sprache und ihre Fahne benutzen, doch in einem Artikel der spanischen Verfassung wird die „untrennbare Einheit der spanischen Nation“ festgeschrieben. D.h. den BaskInnen wird nicht nur das Selbstbestimmungsrecht verweigert, sie werden von vornherein als Teil der untrennbaren spanischen Nation betrachtet. Diese Verfassung gilt als unveränderliches Gesetz in den baskischen Provinzen innerhalb des spanischen Staates, obwohl 56% der baskischen Bevölkerung das Referendum über die Verfassung im Jahre 1978 boykottiert haben. In Spanien ist es seit über 100 Jahren – vor allem während der Herrschaft des faschistischen Diktators Franco oder des ex-faschistischen Ministerpräsidenten Aznar – ein schweres Verbrechen, Unabhängigkeit für das Baskenland zu fordern. Politische Parteien, Menschenrechtsorganisationen, Tageszeitungen und Jugendgruppen, welche dieses Ziel haben – alle werden wegen “Unterstützung des Terrorismus” verboten. 700 politische AktivistInnen sind zur Zeit inhaftiert, über 2.000 im Exil. Das Festival Auf der Gazte Topagunea war die Empörung der baskischen Jugend gegen diese Unterdrückung praktisch mit Händen zu greifen. Man will aufs Klo – plötzlich ist man inmitten von Jugendlichen, die eine politische Rede hören. Die Wörter sind unverständlich, aber die Leidenschaft ist spürbar: “Sozialsmoa!” „Hurra!“ „Independenzia!“ „Hurra!“ Wie auf Befehl werden Tausende Fäuste gehoben und mit tiefen, düsteren Stimmen singen alle die baskische Nationalhymne. Aber darüber hinaus gab es vieles, was an ein normales Festival erinnerte: zum Beispiel ölige Sandwichs (“Bokatak”) und übergroße Plastikbecher mit billigem Wein und Cola (“Kalimotxoa”) zu teueren Preisen. Das Festival fand entlang der Hauptstraße statt, und jeder leer stehende Laden wurde gleich zu einer Kneipe gemacht. Überall hingen Boxen, aus denen spanischer Punk-Rock dröhnte – 24 Stunden am Tag. Es gab jeden Abend Konzerte mit bekannten baskischen MusikerInnen: Fermin (so was wie der baskische Manu Chao) und Soziedad Alkoholika u.a. Doch ins Konzertzelt ist auch Politik eingedrungen. Am Sonntag – “Aberri Eguna”, dem baskischen Nationaltag – fand dort eine riesige Kundgebung statt. Mit Reden, Diashows, Liedern und Tänzen wurde der 25. Jahrestag der organisierten Jugendbewegung im Baskenland gefeiert. Besonders lauten Applaus gab es bei Fotos von jungen BaskInnen, die im Kampf gegen das Franco-Regime ihr Leben geopfert hatten. Am Ende der Kundgebung gingen die Delegationen von ausländischen Gruppen, die am Festival teilgenommen haben, auf die Bühne, während ein Vertreter von der irischen Jugendorganisation Ogra Sinn Fein eine Solidaritätserklärung auf Baskisch vorlas. Als wir die Bühne verlassen wollten, kamen uns drei junge Menschen mit weißen Masken entgegen. Im Beifallssturm haben sie eine spanische und eine französische Fahne angezündet. Ob sie Mitglieder der bewaffneten Organisation ETA (verantwortlich für Attentate gegen spanische Militärs und Polizisten seit über 30 Jahren) waren, ist schwer zu sagen. Auch wenn die meisten politischen AktivistInnen im Baskenland keine Verbindung zur ETA haben, ist die Unterstützung für die ETA sehr groß. In dem Zelt war ein 5-Meter-großes Transpi mit dem bekannten Logo (Axt und Schlange) und es gab weder ein Dixie-Klo noch eine Gartenmauer ohne die Schlagwörter “Gora E.T.A!” (Es lebe ETA!).
REVOLUTION hat auf dem letzten Europäischen Sozialforum in Paris Kontakt mit der revolutionär-nationalistischen baskischen Jugendorganisation SEGI aufgenommen. Sie hat zehn- bis zwanzigtausend Mitglieder von 15 bis 25; ist jedoch 2002 vom spanischen Staat verboten worden. Doch die AktivistInnen beschlossen, die Arbeit weiterzuführen. In Bilbo sieht man überall Transparente, Aufkleber und Graffiti von SEGI. Aber das Verbot hat dazu geführt, dass zwei Führungen von SEGI verhaftet wurden – insgesamt 21 Mitglieder sitzen bis heute im Knast, natürlich der “Unterstützung des Terrorismus” angeklagt. Als Sicherheitsmaßnahme musste die Zentrale von SEGI nach Bayonne in Frankreich verlegt werden, wo die Organisation zwar legal ist, aber Haftbefehle zur Auslieferung an den spanischen Staat für zwei der drei SprecherInnen vorliegen. Um der neuen Repressionswelle entgegenzuwirken, versucht SEGI jetzt, Verbindungen zu Jugendorganisationen aus anderen Ländern zu schaffen. Eine internationale Delegiertenkonferenz wurde organisiert. Von den über 100 eingeladenen Organisationen sind 13 erschienen – hauptsächlich andere linksnationalistischen Gruppen, aber auch die internationalistische, internationale Gruppe REVOLUTION. Nation & Revolution Wir sind keine Nationalisten – als KommunistInnen treten wir für die Einheit der Arbeiterklasse über Landesgrenzen hinweg ein, um den Imperialismus zu besiegen und eine weltweite Föderation sozialistischer Republiken aufzubauen. Die etwa 150.000 Unabhängigkeitskämpfer im Baskenland können nur gegen den spanischen Staat siegen, wenn sie im Bündnis mit den spanischen ArbeiterInnen kämpfen: Generalstreik und bewaffneter Aufstand in Bilbo – und in Madrid. Wenn der Kampf auf Euskal Herria beschränkt bleibt, wird der spanische Staat immer die militärische Oberhand behalten. Aus dem Grund sind wir gegen die Unabhängigkeit des Baskenlandes – warum die ArbeiterInnen und revolutionären Jugendlichen in Spanien mittels einer neuen Grenze von ihren militantesten Verbündeten trennen? Doch – ganz in der Tradition der russischen Revolution und der Kommunistischen Internationale – treten wir auch für das Selbstbestimmungsrecht der BaskInnen ein. Sie haben das Recht, frei zu entscheiden, ob sie einen eigenen Staat wollen oder nicht. Wir empfehlen zwar, gegen eine Abtrennung zu sein, doch wenn sie sich dafür entscheiden, verteidigen wir das 100%ig. Nur auf dieser Basis kann eine wirkliche internationale Einheit der internationalen Arbeiterklasse zu Stande kommen – alles andere bedeutet, dass die spanischen ArbeiterInnen sagen: “Einigen wir uns, aber ihr müsst unsere Sprache sprechen!” Nach einem Jahrhundert Unterdrückung sind die baskischen Arbeiter gegen so ein Vorhaben natürlich misstrauisch. Wenn wir auf Veranstaltungen, in Debatten und in Privatgesprächen für diese Perspektive argumentiert haben, bekamen wir dieses Misstrauen gleich zu spüren. Da die offiziellen Führungen der spanischen Arbeiterklasse jegliche Rechte des baskischen Volkes abstreiten (die Sozialistischen und Kommunistischen Parteien haben die Verfassung, die die ewige Untrennbarkeit des spanischen Staates garantiert, mitgeschrieben!), ist es für baskische Sozialisten nur schwer vorstellbar, mit diesen Verrätern zusammenzuarbeiten. Doch es geht darum, mit den Millionen Leuten, die den Ex-Premierminister Aznar wegen seinen Lügen über die baskische Unabhängigkeitsbewegung abgewählt haben, mit jenen sechs Millionen (!) SpanierInnen, die als Protest gegen die Beteiligung Spaniens am Irak-Krieg am 15. Februar 2003 auf die Straße gegangen sind, gemeinsam zu kämpfen. Man muss deutlich, geduldig und immer wieder sagen: “Ihr kämpft gegen die Kriege des spanischen Staates, das tun wir auch, lasst uns zusammenarbeiten.” Internationaler Kampf Ein marxistischer Soziologe hielt einen Vortrag über die Entwicklung des Kapitalismus im Baskenland und erklärte dabei u.a.: Die baskischen KapitalistInnen sind völlig in der spanischen Wirtschaft integriert, haben also überhaupt kein Interesse an irgendeiner Unabhängigkeit (außer wenn es ihnen größere Profite bringen würde). Riesigen Applaus bekam er für folgende Aussage: „Ein Kapitalist, egal ob er ein toller Familienvater ist, egal ob er jeden Sonntag in die Kirche geht, kann nur ein verdammter Hurensohn sein, denn morgens bis abends denkt er nur daran, wie er seinen ArbeiterInnen weniger zahlen, wie er seine Profitrate erhöhen kann. Wenn er das nicht täte, würde er gleich seinen Platz als Kapitalist verlieren und müsste selber Arbeiter werden.“ Deshalb ist es klar, dass die baskische Unabhängikeit nur Produkt einer erfolgreichen Revolution sein kann. Nichts weniger als eine revolutionäre Arbeiterregierung in Madrid wird das Selbstbestimmungsrecht der BaskInnen garantieren. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten der iberischen Halbinsel und der ganzen Welt – das ist unsere Perspektive! Nach Hause Am Ende fühlte ich mich, wie aus einem sehr kleinen Krieg zurückgekehrt: ein bisschen erschöpft aber auf jeden Fall am Leben und mit einer erfolgreichen Mission hinter mir. Die baskische Jugend und ihre Tapferkeit im Kampf gegen die Unterdrückung ist eine Inspiration für RevolutionärInnen der ganzen Welt. In diesem Sinne: Jo ta ke Irabazi arte! (Immer vorwärts bis zum Sieg!) Hoch Leben die Jugend-kampfe der ganzen Welt! Erklärung der internationalen Konferenzvon Jugendorganisationen, Sara, Ostern 2004 Vom 5. bis 8. April 2004 fand in Sara die erste internationale Konferenz von Jugendorganisationen statt, organisiert von SEGI. Neben dem Kennen lernen verschiedener Kämpfe, die von den verschiedenen Organisationen vorangetrieben werden, hatten wir die Gelegenheit, unsere Kommunikation und unsere gemeinsame Arbeit zu vertiefen. Wir glauben, dass es wichtig ist, eine gemeinsame Arbeit auf Grundlage der verschiedenen Probleme zu entwickeln, mit denen wir Jugendliche auf der ganzen Welt zu kämpfen haben. Das sind die beschlossenen Grundlagen für diese Arbeit: Nein zum Europa des Kapitals, Nein zur europäischen Verfassung! Nein zur Repression und Kriminalisierung gegen die kämpfende Jugend! Sozialforen und Jugend Um diese Ziele durchsetzen zu können, wollen wir eine intensive und kontinuierliche Kommunikation aufrecht erhalten sowie diese internationale Konferenz von Jugendorganisationen im kommenden Jahr wieder durchzuführen. Hoch lebe die für Unabhängigkeit kämpfende und revolutionäre Jugend! Jo ta ke Irabazi arte! Unterzeichner: SEGI (Baskenland), MAULETS, CAJEI, JERC (Katalonien), GROUPE BELIER (Jura), REVOLUTION (8 Länder), JUVENTUDES REVOLUCIONARIAS CASTELLANAS (Kastilien), GHUVENTU INDEPENDENTISTA (Korsika), AMI (Galizien), YOUNG COMMUNIST LEAGUE (Südafrika), COLLETIVU’E SOS ISTUDENTES (Sardinien), INTERNATIONAL FORUM (Dänemark), Unabhängige AktivistInnen (Holland). Die irische Jugendorganisation OGRA SINN FEIN nahm auch an der Konferenz teil, konnte aber aus juristischen Gründen die Erklärung nicht unterschreiben. * Anmerkung: Die baskische SEGI und die katalanische JERC, mit 10.000 bzw. 2.500 Mitglieder, haben den Vorschlag von REVOLUTION für einen Jugendraum auf dem nächsten Europäischen Sozialforum in London unterstützt. Mehr dazu siehe REVO Nr. 4. |
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