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Wer wird "stärker aus Notizen zur Klassenkampfsituation in der BRD Die anhaltende Wirtschaftskrise hat wieder ans Licht geholt, was lange Zeit von vielen Seiten geleugnet wurde: In Deutschland wird Klassenkampf geführt. Aber was heißt das für das politische Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital? Im Folgenden soll versucht werden, diese Frage zu beantworten, denn hieraus ergibt sich auch, wie wir als Teil der revolutionären Linken agieren können. Da einige Teile dieser Analyse in der revolutionären Linken umstritten sind (v.a. in Bezug auf die Linkspartei im zweiten Teil), freuen wir uns wie immer auf Kommentare und Kritik. Teil 1: Die schwarz-gelbe Regierung Teil 2: Die parlamentarische Opposition Teil 3: Die Krisenpolitik der Regierung Teil 4: Eine Krise der Klassenherrschaft? Nur wenige bringen die Verhältnisse der letzten Jahre so auf den Punkt wie der Börsenmakler Warren Buffet: „Es herrscht Klassenkrieg, aber es ist meine Klasse, die reiche Klasse, die diesen Krieg führt – und wir gewinnen.” [1] Anders als Buffet ist die gesamte politische Elite Deutschlands darum bemüht, diese Verhältnisse zu verleugnen. Hier wird das Modell der Sozialpartnerschaft besonders betont: der Grundpfeiler einer "sozialen Marktwirtschaft" oder des "rheinischen Kapitalismus" sind die – hin und wieder durch staatliche Interventionen beeinflussten – Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und UnternehmerInnenverbänden, die den zu verteilenden "Kuchen", den Mehrwert, am Verhandlungstisch unter sich aufteilen sollen. So sagt auch Angela Merkel, das „wir“ „gestärkt aus der Krise hervorgehen“ können [2]. Wer ist dieses “wir”? Das könnte so interpretiert werden, als meinte sie im Sinne der Sozialpartnerschaft alle Menschen in Deutschland – doch in Wirklichkeit heißt das, dass das deutsche Kapital auf Kosten der ArbeiterInnenklasse gestärkt wird. Schon die sozialen Einschnitte, die unter der SPD-Grünen (rot-grünen) Regierung von Gerhard Schröder begannen, konnten mit dieser Ideologie sehr erfolgreich gerechtfertigt werden. Die ArbeiterInnen sollten sich “möglichst nicht gegen ‘notwendige’ Einschnitte wehren, sondern den KapitalistInnen ein reibungsloses und profitables Wirtschaften ermöglichen. Das helfe dem ‘Standort Deutschland’, wodurch Reformen und Verbesserungen ermöglicht würden, die am Ende auch den Beschäftigten zu gute kämen.” [3] Trotz der radikalen Einschnitte, welche die Hartz-Gesetze bedeuteten, gab und gibt es in der BRD so wenig Proteste wie in kaum einem anderem imperialistischen Land. Auch heute gibt es noch wenige Anzeichen, dass sich an diesem Regime etwas ändern wird. Obwohl die ökonomische Krise große Ausmaße angenommen hat, halten die Bürokratien der ArbeiterInnenbewegung sowie die meisten VertreterInnen der Bourgeoisie an der Sozialpartnerschaft fest. Trotz großer Vertrauensverluste integrieren SPD, die Linkspartei und die Gewerkschaften weiterhin große Teile der ArbeiterInnenklasse in der BRD. Teil 1: Die schwarz-gelbe Regierung Die Bundeswahl 2009 ist sehr widersprüchlich ausgefallen [4]. Auf der einen Seite hat die FDP fast 15 % der Stimmen erhalten und damit ihr historisch allerhöchstes Ergebnis eingefahren. Durch diese Verschiebung zugunsten der FDP konnte sich eine konservativ-liberale (schwarz-gelbe) Regierungskoalition bilden. Auf der ersten Blick erscheint dieses Ergebnis wie ein weiterer Rechtsruck eines europäischen Landes aufgrund der historischen Krise der Sozialdemokratie auf dem gesamten Kontinent – wie in den letzten Jahren in Italien, Großbritannien, Ungarn usw.. Aber auch die Linkspartei und die Grünen haben große Zugewinne gehabt. Der Niedergang der beiden “Volksparteien” CDU und SPD, die jahrzehntelang die deutsche Politik dominierten, führt zu einer Zersplitterung der Parteienlandschaft. Seit der Landtagswahl in NRW gibt es im Bundesrat keine schwarz-gelbe Mehrheit mehr, die notwendig für viele Gesetze wäre [5]. Die FDP konnte sich trotz des Wahlerfolgs jedoch nicht mit ihrer Strategie des Frontalangriffs auf die ArbeiterInnenbewegung durchsetzen. Ihre unverhüllte Klientelpolitik für einige Fraktionen der Bourgeoisie hat sie isoliert. So steht sie in Umfragen mittlerweile unter 5% und wird auch in der bürgerlichen Presse als "Mövenpickpartei" bezeichnet. Es ist nämlich kein Geheimnis, dass die Hotelsteuersenkung und andere Steuersenkungspläne, für die sich die FDP eingesetzt hat, ziemlich direkt auf die großzügigen Spenden von einigen wenigen KapitalistInnen zurückzuführen sind – wie z.B von August Fink, dem die Firma "Mövenpick” gehört. Der Absturz der FDP von 15 auf 5% innerhalb eines Jahres war Ergebnis einer Medienkampagne, die zum Ausdruck brachte, dass sich die Mehrheit der herrschenden Klasse gegen die Strategie entschied, die diese Partei verkörpert. Statt eines Frontalangriffs sollen die Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse unter Mitwirkung der Gewerkschaftsbürokratie durchgeführt werden. Unter diesem Stern stand auch der Rücktritt Horst Köhlers als Bundespräsident. Er ist zurückgetreten, weil er für seine Äußerungen in Bezug auf den Afghanistankrieg kritisiert wurde: Er sagte, ohne die üblichen Verweise auf Menschenrechte und Demokratie, dass Militäreinsätze für die Wirtschaftsinteressen der BRD notwendig sind. Hierfür wurde er aus den Reihen der Regierung wie der Opposition kritisiert, die an der phantasievollen Behauptung festhalten will, dass der jahrelange Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch für “die Freiheit” und nicht für die Interessen des deutschen Kapitals durchgeführt wird. Der Rücktritt Köhlers zeigte, dass auch hier der Ansatz, offen für die Interessen des Kapitals einzutreten, sich nicht durchsetzen konnte gegenüber dem Ansatz der Konsensfindung und eben der “Partnerschaft” zwischen den Klassen . Damit ist CDU die dominante Kraft in der Regierung und vertritt die Mehrheit der Bourgeoisie, die weiterhin auf Sozialpartnerschaft setzt. Die Streitigkeiten in der Koalition haben zum Teil Ausmaße angenommen, dass die bürgerliche Presse über den baldigen Zerfall der Koalition spekulierte. Bei der Wahl eines neuen Bundespräsidenten musste es drei Wahlgänge geben, denn insbesondere FDP-Delegierte hatten sich dazu entschieden, nicht dem CDU-Kandidaten Wulff, sondern dem SPD-Kandidaten Gauck ihre Stimme zu geben – hauptsächlich, um der CDU zu trotzen. Aber jetzt ist dieser Streit zumindest vorläufig auf Kosten der FDP und zugunsten der CDU beigelegt worden. //von Alex Lehmann, RIO, Berlin //13. September 2010
Fußnoten 1. Ben Stein: "In Class Warfare, Guess Which Class Is Winning". 2. Angela Merkel: "Gestärkt aus der Krise hervorgehen". 3. RIO: Thesen zur Gewerkschaftsarbeit. Abschnitt 1a: Bürokratie. 4. Bundeswahlleiter: Endgültiges Ergebnis der Bundestagswahl 2009. 5. Daniel Friedrich Sturm: "Doppelte Mehrheit für Schwarz-Gelb schon dahin". |
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