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Naziaufmarsch in Rudow

Über 500 Nazis bei einem Aufmarsch im Südosten Berlins

Am 1. Dezember sind über 500 Neonazis durch Rudow im Südosten Berlins marschiert, um ein "nationales Jugendzentrum" zu fordern. Bereits seit 2003 haben die Berliner Nazis so etwas wie eine eigene Adventstradition: sie demonstrieren für einen eigenen Raum im Bezirk Treptow-Köpenick, um Jugendliche für ihre reaktionären Ziele zu gewinnen. Dieses Jahr waren etwa zweimal mehr "Kameraden" als in den letzten Jahren unterwegs. denn es gab zum ersten Mal eine bundesweite Mobilisierung der Nazis und auch die NPD hatte zur Demo aufgerufen.

Rund 1.000 GegendemonstrantInnen sind zu einer Kundgebung gegenüber dem Auftaktplatz der Nazis gekommen. Unter dem Motto "Wir sind mehr! Wir sind bunter! Wir sind lauter!" hatten Bezirksamt, Linkspartei, SPD, Grüne und andere zu einem Straßenfest aufgerufen, während die Nazis vor dem Imbiss "Ketchup" nahe dem U-Bhf Rudow standen.

Auf diesem Straßenfest sprachen sich PolitikerInnen wie der Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, und der Präsident des Abgeordnetenhaus, Walter Momper, für ein Verbot der NPD aus. Wir haben bereits erklärt, warum wir von dieser Verbotsforderung nicht viel halten, und die konkrete Dynamik einer solchen Forderung war am Samstag gut zu sehen: die Parlamentsparteien haben den Staat höflichst gebeten, irgendwas gegen die Nazis zu unternehmen – und gingen dann voller antifaschistischen Selbstzufriedenheit wieder nach Hause.

Wir sind nicht der Meinung, dass ein kapitalistischer Staat willens oder fähig ist, effektiv gegen Faschismus vorzugehen. Und die Polizei hat es nicht nur versäumt, gegen die Faschos vorzugehen, sondern schützte ihren Aufmarsch mit mehr als 850 Beamten. Dieses martialische Polizeiaufgebot – das wir den gleichen Regierungsparteien zu verdanken hatten, die von der Bühne ihre Empörung kundgaben – sorgte dafür, dass es fast unmöglich war, an die Faschos ran zu kommen.

Verschiedene Antifa-Gruppen hatten zu dezentralen Aktionen aufgerufen, unter dem Motto "Antifa-Event statt Nazi-Event". Da sich die Parlamentsparteien auf Stillstehen und Empört-Sein beschränkten, blieb es den meist jungen AktivistInnen überlassen, auf Hinterstraßen um Polizeiabsperrungen zu rennen, um auf die Demoroute der Nazis zu gelangen. Bei diesen Blockadeversuchen waren nicht nur Leute aus der Antifa-Szene, sondern auch von der Linkspartei-Jugend, der DKP-Jugendorganisation SDAJ oder der unabhängigen Jugendorganisation REVOLUTION dabei.

Bis 11.30 Uhr waren nur etwa 50 Nazis auf ihrem Auftaktplatz versammelt, da gingen die meisten jungen AktivistInnen schon los. Im Buchsbaumweg wurde eine Blockade mit bis zu 100 Leuten von der Polizei eingekesselt und die DemonstrantInnen wurden über die Massante-Brücke nach Treptow "abgeschoben". Die meisten haben es nach Rudow zurück geschafft, doch es war kein einfacher Weg.

Auf der Lipschitzallee konnte der Nazizug durch eine Blockade zum Stehen gebracht werden, aber diese wurde schnell von der Polizei weggefegt. Die Berliner Polizei ging mit der für sie typische Brutalität vor (geschützt von der Anonymität der Uniform, weil die Beamten keine Kennzeichnungsnummer tragen). Friedliche DemonstrantInnen wurden zu Boden geworfen, geschlagen, getreten und es wurden massenhaft Platzverweise für den gesamten Bezirk ausgesprochen. Laut Polizeiangaben gab es insgesamt 13 Festnahmen: 9 Linke und 4 Rechte.

Schließlich fanden sich am U-Bhf Britz-Süd, wo die Abschlusskundgebung der Nazis stattfand, viele GegendemonstrantInnen zusammen. Die Nazis mussten an einer lauten Menge vorbeiziehen, um zu ihrer Abschlusskundgebung vor dem Jugendzentrum des SPD-nahen Jugendverbandes "Die Falken" zu gelangen,. Leider waren sie zu diesem Zeitpunkt deutlich in der Überzahl – viele DemonstrantInnen waren wegen der Polizeischikane bereits nach Hause gefahren.

Die zu etwa 90% männlichen Nazis waren nicht nur im autonomen Look, mit schwarzen Kapuzenpullis und Sonnenbrillen, unterwegs. Sie benutzten auch eine massive soziale Demagogie: auf ihren zum Teil englischsprachigen Transpis wurde die „Perspektivlosigkeit der Jugend“ thematisiert. Damit zeigt sich wieder, dass linke AktivistInnen eigene, sozialrevolutionäre Antworten auf die Probleme der Gesellschaft geben müssen, um den Nazis den Nährboden zu entziehen. Z.B. stößt die Forderung nach einem "nationalen Jugendzentrum" nur deshalb auf Widerhall, weil in Berlin seit dem Jahr 1995 über 100 Jugendzentren geschlossen wurden.

Nicht wenige SchülerInnen aus der Gegend waren gekommen, um sich den Nazis in den Weg zu stellen. Damit es endlich mal klappt, diesen abscheulichen Aufmarsch zu verhindern, müssen wir uns endlich organisieren: nicht nur zersplitterte Bezugsgruppen, die schnell zerstreut werden, sondern eine Organisation, die geschlossene, militante Aktionen organisieren kann; nicht Parlamentsparteien, die leere Reden haben, sondern eine revolutionäre Organisation, die die Nazis mit Massenprotesten aufzuhalten versucht.

Denn das braune Pack soll nicht ein sechstes Mal durch Berlins Südosten marschieren.

//von Wladek, Revo Berlin //4. Dezember 2007 //Original auf Indymedia


Bericht aus dem Jahr 2004 Bericht aus dem Jahr 2003

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