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Eine revolutionäre Perspektive
Heute ist es notwendig, dass Studierende, die die Ökonomisierung der Bildung, den Mangel an Demokratie und das Bachelor-/ Master-System als Ausgangspunkt für ihre Kritik nehmen, zu einer Infragestellung des gesamten Bildungssystems gelangen. Es ist notwendig, die Losungen und Bewertungen der bürgerlichen Presse, progressiver Lehrender und bürgerlicher PolitikerInnen abzulehnen, nach denen nicht das System, sondern seine Umsetzung mangelhaft sei – wonach es reichen würde, die Fehler zu „korrigieren“ und nicht für eine vollkommen neue Alternative zu kämpfen.
Um gegen diese elitäre Haltung und diese Vorurteile angehen zu können, ist es notwendig, die bürgerlichen Ideologien, die aus allen Poren der Gesellschaft, insbesondere des Kleinbürgertums, sickern, zu bekämpfen. In der Praxis bedeutet dies, den Kampf gegen die bürgerlichen Ideale aufzunehmen, und stattdessen für Bildung im Dienste der Ausgebeuteten und Unterdrückten und für eine Universität frei von Einmischung von Seiten der Konzerne oder auch ihrer Staaten einzustehen. Für eine Universität, die den Kindern der ArbeiterInnenklasse und auch arbeitenden Menschen offen steht!
Der Schlüssel für den Erfolg des Kampfes liegt also in der Ausweitung der Proteste bei gleichzeitiger Anbindung an die langsam aufflammenden ArbeiterInnenkämpfe.
Erste spezifische Aktionen in diese Richtung, Aktionen der Solidarität mit ArbeiterInnenkämpfen, wie im Falle der Berliner Mensa-Beschäftigten oder der ReinigerInnen, weisen den Weg. Es ist notwendig, die Perspektive um solche Erfahrungen zu erweitern und mit den Illusionen zu brechen, die der Sozialreformismus der LINKEN oder der Gewerkschaftsbürokratie immer wieder neu erschafft (um nur zwei VertreterInnen von Gewicht zu nennen). Sie fordern die Rückkehr zum alten „Sozialstaat“, d.h. sie geben vor, dass letztlich nicht der Kapitalismus die Ursache für die Bildungsmisere sei, sondern der sogenannte „Raubtierkapitalismus“. Sie behaupten, dass der Kapitalismus auf irgendeine Weise die aktuelle Krise überwinden wird und neue Wachstumszyklen eintreten werden, von denen die Gesellschaft als Ganzes profitieren könnte.
Die Perspektive von Linke.SDS, die sich größtenteils auf die Forderung nach „Mehr Geld“ beschränkt, ist ein Ausdruck dieses Reformismus. Im momentanen Zustand der Bildungsstreikbewegung können wir Linke.SDS indes nicht vorwerfen, eine an sich radikale Bewegung durch reformistische Forderungen zurückzuhalten. Denn die verschiedenen Aspekte der Bildungsstreikbewegung, die wir beleuchtet haben, zeigen deutlich, dass die Bewegung auch ohne Linke.SDS reformistisch ist. Was Linke.SDS aber nicht tut, ist die Proteste voranzutreiben und zu radikalisieren, indem offensiv auf die Verbindung der Bildungsproteste mit den Protesten gegen die Wirtschaftskrise hingearbeitet wird – sie sehen sich ebenfalls verpflichtet, durch die Beschränkung auf den Minimalkonsens vermeintlich für „Breite“ zu sorgen [27]. Unserer Meinung nach müsste ein sozialistischer Studierendenverband grundsätzlich anders agieren.
Wir brauchen eine Perspektive, die mit der bürgerlichen Perspektive bricht, die uns Studierende als unterwürfige Automaten der bürgerlichen Ideologie zu reproduzieren versucht, als zukünftige Fachleute im Dienste des Systems. Unsere Alternative ist es, den Klassencharakter der Universität in Frage zu stellen und neue Säulen der Solidarität und des Klassenbewusstseins aufzubauen. Wir wollen weder Beifall noch Verständnis von den Verantwortlichen für das Elend der Bildung. Als klassenbewusste Studierende wollen wir keine Teilreformen, sondern zielen auf eine Neugründung der Universität ab, die nach einem Plan von Studierenden, Lehrenden und ArbeiterInnen entwickelt werden soll.
Während heute große Teile der Studierendenschaft noch reformistischen Illusionen nachhängen und der revolutionäre Marxismus sich nur auf kleine Gruppierungen ohne großen Einfluss unter der Jugend-Avantgarde beschränkt, so wird doch das Ausmaß der kapitalistischen Krise und die Notwendigkeit der herrschenden Klasse, deren Kosten auf dem Rücken der Lohnabhängigen und auch der Jugend abzuladen, unter wachsenden Sektoren zu einem Misstrauen gegenüber den Maßnahmen der Bourgeoisie führen, die letztlich keine positive Antwort auf die Krise in der Bildung hat.
Die Krise, in der sich dieses selektive Bildungssystem mit Klassencharakter befindet, führt unweigerlich zu einer zunehmenden Infragestellung nicht nur von einigen Aspekten, sondern auch des gesamten Bildungssystems. Auf Bildungsebene bedeutet das die Ablehnung der Bachelor-/Master-Reform, auf ideologischer Ebene insbesondere der neoliberalen Maßnahmen und des Kapitalismus im Allgemeinen. Daher kann die bürgerliche Bildungsmisere nicht unabhängig von der kapitalistischen Krise analysiert werden. Daher müssen wir RevolutionärInnen die Bildungsfrage mit einer vorwärtsgewandten Klassenalternative, einer revolutionär-sozialistischen Perspektive verknüpfen.
So möchten wir von der Revolutionären Internationalistischen Organisation und der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale zusammen mit revolutionären SchülerInnen, Studierenden und Azubis gegen den Bolognaprozess einen gemeinsamen Katalog von Übergangsforderungen entwickeln, die „den Widerspruch zwischen der Reife der objektiven Bedingungen der Revolution und der Unreife des Proletariats und seiner Vorhut (Verwirrung und Entmutigung der alten Generation, mangelnde Erfahrung der Jungen)“ überwindet [28]. Diese Forderungen sollen also eine Brücke zwischen den unmittelbaren Forderungen, also den Minimalforderungen, und der Notwendigkeit einer sozialen Umwälzung, also den Maximalforderungen, schlagen.
Angesichts der bürgerlichen Bildungsmisere müssen wir als revolutionäre Studierende und SchülerInnen im Verlauf unseres täglichen Kampfes dabei helfen, diese Brücke zwischen den aktuellen Forderungen – gegen Prüfungsstress, Studiengebühren, Turboabi, Lehrermangel, soziale Selektion und Ausgrenzung usw. – und dem Programm der sozialistischen Revolution zu schlagen. Das Ziel muss stets das Gleiche sein: Der Bruch der Studierenden mit den falschen bürgerlichen Vorstellungen von persönlichem sozialem Aufstieg mittels individuellem Einsatz, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass nur in Verbindung mit der Reichtum produzierenden Klasse, also dem Proletariat, Studierende und Jugendliche im allgemeinen eine Zukunft frei von Unterdrückung anstreben können.
Weder Sanierung noch Korrekturen, sondern komplette Rücknahme des Bologna-Plans! Für eine demokratische, von SchülerInnen, Studierenden, LehrerInnen und ArbeiterInnen entwickelte Neuordnung des gesamten Bildungssystems!
Für eine Grunderneuerung des Bildungssystems in Deutschland bedarf es einer starken Protestbewegung. Entgegen der Bestrebungen nach einer „Reform der Reform“, die hinter verschlossenen Türen der Parlamente beschlossen wird, ist es unerlässlich, die Studierendenproteste auszuweiten und die radikalen Tendenzen unter den Studierenden nicht nur zu fördern, sondern eine revolutionäre Perspektive aufzuzeigen.
Wie die Erfahrung aus den vorangegangenen Bildungsstreiks eindrucksvoll gezeigt hat, kann keine Sponti-Bewegung die Durchsetzung weitreichender Forderungen erreichen. Über Basisdemokratie zu reden ist schön – sie zu betreiben ist schwieriger.
Organe der direkten Demokratie in der Universität, die die Kämpfe in Form von Streikkomitees zusammenführen, sollten mit Vollversammlungen für breite Partizipation sorgen – welche auch für alle Organisationen, die den Kampf unterstützen, offen sein müssen. Diese Streikkomitees wiederum können die Verbindung zur ArbeiterInnenklasse suchen, indem sie sich solidarisch an Kämpfen der ArbeiterInnen beteiligen, sowie den Schulterschluss mit den prekarisierten AkademikerInnen und auch mit den Universitätsangestellten suchen. Beispielsweise konnten im Kampf der ArbeiterInnen einer Lebensmittelfabrik des multinationalen Konzerns Kraft Foods in Buenos Aires Studierende mit Straßenblockaden in der Innenstadt helfen, den Arbeitskampf zu einem landesweiten politischen Thema zu machen [29]. Die oben beschriebenen Ansätze für diese Solidarität (Resolution an der Uni Stuttgart usw.) sind also nur erste Schritte in dieser Richtung.
Für eine demokratische Universität! Abschaffung der Uniräte, der Senate und Rektorate!
Die Universität ist entgegen der Beteuerungen von UnipräsidentInnen usw. alles andere als eine demokratische Institution. Die studentischen VertreterInnen sind in den universitären Gremien mit nicht mehr als 25% der Sitze vertreten. ProfessorInnen stellen die absolute Mehrheit. Somit ist es unmöglich, die von den akademischen Verwaltungsorganen getroffenen Entscheidungen zu beeinflussen. Noch weniger können Studierende das System reformieren. Nebenbei ist den studentischen Vertretungen untersagt, sich über „allgemeinpolitische“ Fragen zu äußern, da diese den „hochschulpolitischen“ Rahmen sprengen.
Die im Zuge des Bologna-Prozeßes durchgeführte Umstrukturireung der Universität führt auch zu einer Verstärkung der antidemokratischen Aspekte. Die ohnehin stark eingeschränkten Teilhabemöglichkeiten für Studierenden werden zunehmend auf andere Gremien verlagert. Es entstehen somit Gremien ohne jegliche Vertretung von Studierenden wie die berüchtigten Hochschulräte bzw. Universitätsräte [30]. Die Einführung dieser Organe war also nichts anderes als ein weiterer Schritt zur Entdemokratisierung des Universitätslebens. Wir halten die jetzige Struktur an den Universitäten als äußerst undemokratisch, deren Ziel letztendlich darin besteht, durch scheinbare Partizipation ein äußerst starres und undemokratisches Institutionsgebilde zu legitimieren.
Deshalb halten wir die Forderung nach Abschaffung der Uniräte für einen ersten wichtigen Schritt in Richtung Demokratisierung der Universität. Senat und Rektorat sollen abgeschafft werden und dafür ein demokratisches Parlament gewählt werden das über alle Entscheidungsgewalt verfügt. Wir fordern keine „Viertelparität“ von ProfessorInnen, wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, nicht-wissenschaftlichem Personal und Studierenden (was ohnehin durch ein Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 1973 verboten ist) sondern demokratische Verhältnisse mit einer Stimme für jedeN UniversitätsangehörigeN.
Kein Prekariat im Bildungssystem! Wir wollen nicht von unterbezahlten Dozierenden unterrichtet werden! Sofortige Festeinstellung aller Honorarkräfte an Hochschulen und Schulen!
Der Kampf der Studierenden für Freiräume, bessere Studienbedingungen, gegen Prüfungsstress, für eine andere Bildung ohne Zensuren und Repression – also für eine freie Bildung – kann nicht erfolgreich sein, ohne die Ausbeutung vor der eigenen Tür, d.h., an den Unis, anzuprangern und den Schulterschluss mit den prekär Beschäftigten an den Hochschulen zu suchen. Die Infrastruktur der Universitäten wird teils von schlecht bezahlten ArbeiterInnen aufrechterhalten: Das Outsourcing von Aufgaben an billige Dienstleistungsunternehmen ist Lohndrückerei und nicht hinnehmbar. Was die Lehre betrifft, werden immer mehr Lehrtätigkeiten von schlecht bezahlten akademischen FreiberuflerInnen ausgeübt. Minijobs sind heute Gang und Gäbe an deutschen Hochschulen und ohne diese in elenden Verhältnissen arbeitenden Lehrkräfte würde der Lehrbetrieb an vielen Hochschulen zusammenbrechen. Auch an öffentlichen Schulen findet Lohndrückerei statt.
Vom Bildungsstreik zum Generalstreik!
Im Rahmen der Bildungsstreikbewegung sollte Druck auf die Gewerkschaftsführungen ausgeübt werden, um zunächst einen Aufruf zu einem „Generalstreik der Bildung” gegen die schlechten Arbeits- und Lernbedingungen sowie die soziale Selektion in Schulen, Universitäten und Ausbildungszentren zu Stande zu bringen. Die GEW und ver.di sollten den Worten Taten folgen lassen und zu einem Streik im Bildungsbereich aufrufen. Solidaritätsbekundungen für die Streikenden und die öffentliche Anprangerung von „Missständen“ an Schulen und Hochschulen sind nicht ausreichend.
Die beste Solidarität ist die praktische Solidarität. An den Universitäten sollten die Streiks gegen Prekarisierung und Elitisierung, an Schulen gegen soziale Selektion, Ausbildungsplatzmangel und schlechte Löhne stattfinden. Der Kampf um ausreichende Ausbildungsplätze für alle BewerberInnen erlaubt es außerdem, eine Brücke zwischen der Bildungs- und der Arbeitswelt zu schlagen.
Branchenstreiks im Bildungsbereich könnten den Kampf um die Demokratisierung der Gewerkschaften und gegen das alte Paradigma der „Sozialpartnerschaft“ vom DGB beflügeln und der Startpunkt für eine antibürokratische Bewegung in den Betrieben, aber auch außerhalb, sein, die die Gewerkschaftsspitzen zwingt, einen richtigen Generalstreik auszurufen.
Freie Bildung für alle! Weg mit allen Bildungsgebühren, von der KiTa bis zur Universität! Kostenlose Bildung für alle, mit oder ohne Papiere!
Ein wichtiger Moment im Kampf für kostenlose und freie Bildung ist der Einsatz für ein Bildungssystem, das allen Menschen mit oder ohne Papiere die Möglichkeit bietet, zu lernen und zu studieren. Die Gebühren für Betreuungsplätze für Kinder in den KiTas ist eine Verletzung der elementarsten Rechte der arbeitenden Bevölkerung, denn ArbeiterInnen mit geringem Lohn können sich das einfach nicht leisten. Dadurch werden sie gezwungen, zu Hause zu bleiben, um ihre Kinder zu versorgen.
Entgegen der Privatisierungs- und Elitebildungspläne fordern wir ein vollständig öffentliches Bildungssystem, finanziert aus Progressivsteuern, Kapitalsteuern und Erbschaftssteuern, für alle – auch Kinder von MigrantInnen und ArbeiterInnen! Wir fordern auch den Wegfall jeglicher Zugangshürden, die die Aufnahme eines Studiums verhindern, wie beispielsweise den Numerus Clausus. Diese Hürden sind Selektionsmechanismen, die in der Regel Kinder von Lohnabhängigen und MigrantInnen, von alleinerziehenden Elternteilen, von Papierlosen und eben auch Armen trifft, da sie sich teure Nachhilfe nicht leisten können.
Nicht nur ArbeiterInnenkinder haben es schwer an deutschen Schulen. Kinder von MigrantInnen ohne gültigen Aufenthalt können die Schule nicht besuchen, allein weil sie keine Aufenthaltsgenehmigung bzw. Duldung vorweisen können. Ein wichtiger Teil des Kampfes um eine wirklich freie Bildung ist deshalb auch der Kampf gegen die staatlichen Vorgaben, die den Schulbesuch von Kindern ohne „legalen“ Status verhindern. So müssen auch Kontroll-, Sanktions- und Repressionsmechanismen wie SchülerInnendateien bekämpft werden, und zwar nicht nur von SchülerInnen und ihren Eltern sondern auch von Studierenden.
Wir setzen uns für einen Raum ohne Repression ein – sei sie staatlicher oder auch akademischer Natur – sowohl in Schulen als auch an Universitäten. JedeR, der/die es will, soll die Möglichkeit haben, zu lernen, und zu studieren, unabhängig von sozialem Status, Noten oder Aufenthaltstitel.
Wider die Repression und Unterdrückung des studentischen und sozialen Protestes!
Wir lehnen die repressiven Maßnahmen durch Behörden (Ordnungsämter etc.), Polizei und (Hoch-)Schulleitungen vehement ab. Wir stellen uns gegen die Einsperrung von Schulklassen, gegen restriktive Demoauflagen und Festnahmen von Protestierenden. Das wirkliche Infragestellen der herrschenden Verhältnisse und vor allem der Kampf dagegen wird kriminalisiert und unterdrückt – die Repression richtet sich heute vor allem gegen AktivistInnen aus der radikalen Linken, jedoch zeigt die Erfahrung der gewaltsamen Räumung der Studierenden aus dem Casino-Gebäude der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, die mit Verletzten unter den Studierenden endete, dass die Staatsgewalt es nur sehr beschränkt zulässt, gegen die bestehenden Verhältnisse anzukämpfen.
Die einzige Möglichkeit, die Repressionsmaschinerie zu entschärfen, besteht darin, die Spaltungsversuche der Herrschenden – die stets versuchen, einen Keil zwischen „friedlichen“ und „gewaltbereiten“ DemonstrantInnen zu schieben – entschieden zurückzuweisen. Die Wirtschaftskrise und die Ausweglosigkeit werden viele Studierende und SchülerInnen, aber auch Azubis und arbeitslose Jugendliche dazu zwingen, für ihre Rechte auf die Straße zu gehen. Der Kampf lohnt sich, wie die Erfahrungen des Kampfes gegen den CPE in Frankreich gezeigt haben: Sogar vom Parlament verabschiedeten Gesetze können zurückgenommen werden, wenn Radikalisierung und Ausbreitung der Proteste auf die ArbeiterInnenschaft droht [31]!
Für eine Universität im Dienste der Ausgebeuteten und Unterdrückten!
Freie Bildung bedeutet auch, entgegen der verschulten Studienpläne und -zeiten, die den Interessen der Bourgeoise entsprechen, für eine Universität zu kämpfen, in der Lerninhalte, Lernzeiten und -formen demokratisch von den Studierenden bestimmt werden, damit sie sich ihr Wissen im Sinne der arbeitenden Bevölkerung aneignen und in Zusammenarbeit mit den ArbeiterInnen und Unterdrückten ihr Wissen zur Verfügung stellen. Ein Beispiel dafür ist die Universidad del Comahue in Neuqúen, Argentinien, die mit den ArbeiterInnen der besetzten Keramikfabrik Zanon zusammenarbeiteten und ihnen Fachkenntnisse zum Weiterbetrieb der Fabrik unter ArbeiterInnenkontrolle vermittelten.
Dabei muss es klar sein, dass eine solche Universität nicht als „Freiraum“ mitten in einer kapitalistischen Gesellschaft existieren kann. Der Kampf gegen die „Klassenbildung“ ist nur ein Teil des Kampfes gegen die Klassengesellschaft. Auch an den Universitäten muss der Kampf für die Enteignung der Produktionsmittel durch die produzierende Klasse geführt werden.
Für eine revolutionär-marxistische Strömung an den Universitäten!
Die wenigen Ansätze, die den Bildungsstreik über das Thema Bildung hinaus voranzutreiben versucht haben, gingen fast ausschliesslich von marxistischen Kräften aus. Diese Kräfte sind jedoch nicht nur marginal sondern unter sich zersplittert. Nötig ist eine starke revolutionär-marxistische Strömung, die an möglichst vielen Universitäten mit praktischen Vorschlägen für eine Verbindung der Studierendenproteste mit Arbeitskämpfen und auch mit internationalen Bewegungen eintritt. Ein marxistischer Studierendenverband ist auch nötig, um die bürgerliche Ideologie zu bekämpfen, die unter Anderem an den Universitäten produziert und reproduziert wird – denn der Klassenkampf findet auch auf ideologischer Ebene statt.
Wir von RIO und der FT-CI sehen diese Analyse als einen Vorschlag zur Schaffung einer solchen Strömung. Wir rufen alle revolutionären Studierenden – ob organisiert oder nicht – dazu auf, mit uns in Kontakt zu treten um gemeinsam den Klassenkampf in die Unis zu tragen!
//RIO und FT-CI, 24. Juli 2010
//aus der Broschüre "Der Bildungsstreik"
Fußnoten
27. Linke.SDS schrieb etwa: „Diese Krise [der hochschulpolitischen Linken] drückt sich auch in Kommentaren aus, die den Bildungsstreik zynisch zum braven und angepassten Event abstempeln und eine nur antikapitalistische Ausrichtung der Proteste einfordern. Letztlich laufen die Vorschläge darauf hinaus, die Bildungsstreikbewegung politisch einzuengen und sich auf bereits Überzeugte zu beschränken. Anstatt die Bewegung in die strategische Isolation zu führen, sollten wir uns unsere Stärke immer wieder bewusst machen: Der Bildungsstreik kann durch bundesweite Koordination lokale Kreativität und Aktionspotentiale befördern und breite Spektren der Studierendenschaft ansprechen und potentiell aktivieren.“ Linke.SDS: Streikagenda 2010.
So wichtig es auch ist, den abstrakten Antikapitalismus der autonomen Linken zu kritisieren, wird mit diesem Kommentar jede antikapitalistische Ausrichtung verworfen. Für uns bedeutet Antikapitalismus aber nicht nur Lesekreise zur Frankfurter Schule, was viele SeminarmarxistInnen als Alpha und Omega antikapitalistischer Politik verstehen, sondern eine praktische Ausrichtung auf die Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse, wie wir oben beschreiben. Leider wird beides von Linke.SDS abgelehnt.
28. Trotzki, Leo: Das Übergangsprogramm. Minimalprogramm und Übergangsprogramm. 1938.
29. .Für einen Bericht über den Arbeitskampf bei Kraft-Terrabusi vgl. Arbeiterinnen vs. reichster Mann der Welt.
30. Der Universitätsrat ist in einigen Bundesländern neben dem Senat und dem Rektorat das dritte Leitungsgremium einer Universität.
31. Für eine Analyse der Anti-CPE-Bewegung, vgl. Kick it like Frankreich!
32. Für Infos über die besetzte Fabrik Zanon vgl. „Zanon gehört den ArbeiterInnen.“ Broschüre von RIO und der FT-CI. S. 17.
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