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Deutschland im Aufschwung?

Der deutsche Imperialismus stärkt sich in der Weltwirtschaftskrise

„Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“ erklärte schon Anfang 2004 der damalige Kriegsminister Struck (SPD). Und letztes Jahr fügte Bundespräsident Köhler (CDU) quasi erklärend hinzu, „dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel (...) auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren.“ Die nächste öffentliche Erklärung Köhlers war dann sein Rücktritt, denn sofort hatten alle möglichen PolitikerInnen ein wildes Geschrei erhoben: Sie sahen die demokratische Maske rutschen, die sie so mühevoll mit den Farben von „Verteidigungsarmee“ und „humanitärer Hilfe“ bemalt hatten.

Die Bundeswehr setzt „deutsche Interessen“ mit Waffengewalt durch. Es geht um das Interesse der deutschen Banken und Konzerne, ihre Bedingungen im internationalen Konkurrenzkampf zu verbessern. Die deutschen Regierungen tun das, was den deutschen Kapitalverbänden Profite bringt. Das bedeutet die Schaffung und Unterstützung von loyalen Regimen in den armen Ländern – auch mit militärischen Mitteln.

Im zweiten imperialistischen Weltkrieg versuchte der deutsche Imperialismus, ganz Europa militärisch unter seine Herrschaft zu zwingen und scheiterte schließlich völlig mit der bedingungslosen Kapitulation 1945. Doch vor allem die Konfrontation des kapitalistischen Westens mit der Sowjetunion und den anderen stalinistischen Staaten rettete dem deutschen Kapital eine „eigene Regierung“, die schließlich sogar im Rahmen der NATO eine eigene Armee haben durfte. Der Grund, warum das kapitalistische Deutschland von 1945 bis 1999 nicht selbst kriegerisch aktiv war, war in keiner Hinsicht ein Zeichen eines freundlicheren Wesens des deutschen Imperialismus, sondern vielmehr das Produkt der politischen Schwächung durch den verlorenen Raubkrieg. Bis heute ist das militärische Potenzial Deutschlands im Vergleich zu anderen imperialistischen Mächten relativ schwach.

Imperialistische EU

Die deutschen KapitalistInnen hatten trotz der Niederlage der Wehrnacht wunderbare Ausgangsbedingungen für den (Wieder-)Aufstieg ihres Imperialismus, der vor allen Dingen durch das Vorantreiben der „europäischen Einigung“ vor sich ging. Mit der Zerschlagung der Sowjetunion (und damit der Beseitigung der Errungenschaften der russischen Oktoberrevolution von 1917) konnte das deutsche Kapital sich die Wirtschaft der DDR einverleiben und ostwärts expandieren. Der deutsche Imperialismus stieg auf zur Vorherrschaft in Europa – schließlich erfolgreich, ohne Krieg.

In der derzeitigen kapitalistischen Krise, die das Elend der arbeitenden Massen massiv verschärft, und die auch die EU erreicht hat, wird die deutsche Herrschaft besonders deutlich. Nicht von ungefähr konnten wir zu Beginn der Krise in Irland DemonstrantInnen mit Merkel-Masken und gegen die deutsche Regierung gerichteten Parolen erleben. Deutsche Banken spekulieren überall mit, deutsche Konzerne haben sich in ganz Europa breitgemacht und schlagen die einheimische Konkurrenz aus dem Feld. Ein Grund dafür sind die vergleichsweise niedrigen Lohnstückkosten in Deutschland.

Diese Machtpolitik des deutschen Imperialismus hat die Krise in den schwächeren Euro-Staaten vorbereitet. Während unsere Klassenschwestern und -brüder nun für die ökonomischen Folgen der kapitalistischen EU-Politik geschröpft werden, wird auf uns hierzulande eine nationalistische Hetzpropaganda losgelassen („faule GriechInnen“ usw.), um unsere Solidarität mit der ArbeiterInnenklasse anderer Länder zu verhindern.

Durch das Abwälzen der Krisenkosten auf die LohnarbeiterInnen der schwächeren EU-Länder, konnte der deutsche Imperialismus seine Hegemonie in Europa stärken. Daraus aber zu schließen, dass wir LohnsklavInnen in Deutschland irgendwie davon profitieren, wäre ein furchtbarer Trugschluss. Denn auch in Deutschland bekommt die ArbeiterInnenklasse die Rechnung präsentiert in Form von drastischen Kürzungen.

Notwendig wäre also ein Kampf der ArbeiterInnen in Deutschland, Europa und der Welt gegen die kapitalistischen Verhältnisse und für ArbeiterInnendemokratie. Das verlangt konsequenten Widerstand gegen die Angriffe hierzulande – welcher nicht zu trennen ist vom Kampf gegen die Herrschaft der deutschen Banken und Konzerne in anderen Ländern.

Partei der ArbeiterInnen?

Die politischen Parteien des Kapitals in Deutschland, also die CDU, die FDP und schließlich auch die Grünen, haben offensichtlich genauso wenig wie die SPD den Willen, an der Politik der Ausplünderung und Unterdrückung der arbeitenden Massen etwas zu ändern. Etwas anderes ist immer wieder über die Linkspartei zu hören. Sie sei die einzige große Friedenspartei und die Partei, die die Lohnabhängigen in Deutschland unterstützen sollten.

Doch in mehreren Landesregierungen zeigt die Linkspartei, dass kapitalistische Politik auch mit ihr zu machen ist. Was die „Friedenspolitik“ angeht, so war ein wichtiger Kritikpunkt der Linkspartei an deutschen Militäreinsätzen das Fehlen eines UN-Mandats – dabei wird der UN-Sicherheitsrat von großen imperialistischen Mächten dominiert.

Die SpitzenfunktionärInnen der Linkspartei geben auch gern zu verstehen, dass sie einen Abzug der deutschen Afghanistan-Schutztruppe nicht schon „Übermorgen“ wollen oder gar ohne „mit den Partnern“ (also mit den anderen imperialistischen Mächten!) „über die Modalitäten des Abzugs zu verhandeln.“

Wirklich für die Überwindung des Kapitalismus zu sein, bedeutet aber, für das Ende der imperialistischen Herrschaft zu kämpfen. Es bedeutet, für die sofortige Enteignung der Konzerne und ihren Übergang in die Hände der Beschäftigten zu kämpfen. Es bedeutet vor allem, für die militärische Niederlage der deutschen Armee, die die Interessen der KonzerneigentümerInnen durchsetzt, einzutreten.

Natürlich geht es nicht darum, reaktionäre Kräfte politisch zu unterstützen, nur weil sie gegen die imperialistische Herrschaft kämpfen. Reaktionäre AntiimperialistInnen zielen nicht auf die Befreiung vom Imperialismus sondern auf etwas mehr Autonomie. Eine wirkliche Befreiung kann nur diejenige Kraft erzwingen, die als einzige der kapitalistischen Krise ein Ende setzen kann: die internationale ArbeiterInnenklasse.

Doch momentan haben die Unterdrückten in Afghanistan die mächtigsten Armeen der Welt gegen sich. Das bedeutet vielfach schwierigere Ausgangsbedingungen für die Selbstbefreiung der afghanischen Massen als selbst ein reaktionäres Taliban-Regime sie schaffen könnte. Deswegen ist die Niederlage der Besatzungsarmeen ein zentrales Ziel für RevolutionärInnen.

//von Victor Jalava, RIO, Berlin //REVOLUTION Nr. 41


Richtigstellung

Dass der deutsche Imperialismus „bis 2001 nicht selbst kriegerisch aktiv war“, wie in der Druckausgabe von REVOLUTION Nr. 41 behautet, ist natürlich nicht wahr. Der Schreibfehler ist uns erst aufgefallen, als die Flugschrift gerade in Druck gegangen war. Diese Falschaussage bedarf unbedingt eines Kommentars. Denn der deutsche Imperialismus führte bereits Anfang der 1990er Jahre Auslandseinsätze durch und beteiligte sich 1999 an prominenter Stelle am Angriffskrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien und hält seitdem den Kosovo militärisch besetzt.

Nach der Konterrevolution in der DDR, der Sowjetunion und anderen degenerierten ArbeiterInnenstaaten erstarkte das deutsche Kapital nicht nur wirtschaftlich sondern auch politisch. Das Jahr 1990 bedeutete für den Staat des deutschen Kapitals die Rückerlangung der vollständigen Souveränität. So war es dann auch nicht verwunderlich, dass die Armee ziemlich schnell zur Interventionstruppe des deutschen Imperialismus umgebaut werden sollte. In den 1992 erschienenen „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ hieß es:

"Unsere Soldaten müssen künftig aber auch bereit sein, in einer eng verflochtenen Welt neben der Verantwortung für ihr Land Mitverantwortung für die bedrohte Freiheit und das Wohlergehen anderer Völker und Staaten zu übernehmen. […] Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung“. Schlecht verhüllt zeigte sich schon hier, zu welchem Zweck die Bundeswehr eingesetzt wird: Raubkrieg und Besatzungsregime, Sicherung des deutschen Kapitalverkehrs im Weltmarkt und Bekämpfung von Bedrohungen für die erbeuteten Profite.

Die praktische Umsetzung dieser Politik bedurfte einige Zeit. Zum Einen, weil die Bundeswehr auf die neue (alte) Aufgabe vorbereitet werden musste, zum Anderen weil die deutschen Herrschenden sich an frühere Probleme mit der deutschen Bevölkerung entsinnen konnten. Denn in Erinnerung an den heftigen Widerstand, den es in den 1950ern gegen die Gründung der westdeutschen Armee gegeben hatte und angesichts der Friedensbewegung der 1980er Jahre, traute sich die herrschende Klasse nicht, von einem Tag auf den anderen den imperialistischen Raubkrieg auf die Agenda zu setzen.

So gab es erstmal einige Einsätze zur Gewöhnung der Bevölkerung daran, dass deutsche Soldaten wieder weltweit zu treffen sein sollten. Diese Einsätze waren erst z.B. das Räumen von Seeminen im Anschluss an den imperialistischen Überfall auf den Irak 1991 und die Entsendung eines Feldlazaretts nach Kambodscha 1993. Auch erste direkt imperialistische Machtpolitik konnte die Bundeswehr schon mitbetreiben, als sie an der Blockade der jugoslawischen Wirtschaft teilnahm („Operation Sharp Guard“).

Die Bundesrepublik Jugoslawien wurde dann schließlich auch zum ersten Opfer eines deutschen Angriffskriegs seit 1945: Die rot-grüne Bundesregierung übernahm die Aufgabe, diesen Raubüberfall anzuordnen und zu rechtfertigen. Denn nach kaiserlichen (1915) und faschstischen (1941) töteten diesmal „demokratische“ Bomben des deutschen Imperialismus in Belgrad unsere Klassenschwestern und -brüder – und die deutsche ArbeiterInnenklasse sollte schließlich kein Störfaktor sein.

Der damalige Kriegsminister Scharping (SPD) stellte fest "Man kann nicht außenpolitisch Weltliga spielen, wenn man sicherheitspolitisch in Richtung zweiter Liga rutscht". Für die KapitallenkerInnen und ihre DienerInnen mag es sich dabei um ein Spiel handeln. Für unsere Klasse ist das Spiel, das sie mit uns treiben, blutiger Ernst. Den „Global Player“ deutsches Kapital zu stürzen, das ist unsere Aufgabe. In Südosteuropa, am Hindukush und an der „Heimatfront“ in Deutschland haben wir Ausgebeuteten ein Interesse: die vollständige Niederlage der deutschen Banken und Konzerne.

//von Victor Jalava, RIO, Berlin //22. Januar 2011

 

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