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Rassismus im Bildungssystem

Das kapitalistische Bildungssystem diskriminiert – und wirkt trotzdem „neutral“

Die kapitalistische Gesellschaft reproduziert sich neben der Familie vor allem durch das Bildungssystem. In feudalen Gesellschaften kann ökonomische Macht über „Blutlinien“ direkt weitergegeben werden. Mit der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise legt die Rationalisierung der Produktion es aber nahe, dass alle Menschen ohne Unterschied rationale, bildungsfähige Wesen sind, und dass nur die rationalsten unter ihnen befugt sind, Kontrolle über die Produktion auszuüben.

Fortan kann ökonomische Macht also nicht mehr ausschließlich per Name vererbt werden, sondern muss über den Umweg von Befähigungsnachweisen „verdient“ werden. Der Hierarchie des Produktionsprozesses muss durch eine Hierarchie von Bildungsabschlüssen Rechnung getragen werden – ein Bildungssystem, das dem eigenen universellen Anspruch genügt, würde etwa dafür sorgen, dass alle denselben akademischen Grad erreichen. Doch dann fielen Auswahlverfahren für „leitende Positionen“ deutlich schwieriger aus. Die Illusion, die das Bildungssystem stattdessen erzeugt, ist, dass Leute mit höheren Abschlüssen von Natur aus klüger sind als andere – schließlich hätten ja alle dieselben Tests zu durchlaufen und denselben Stoff zu verstehen – und dass nur sie es daher verdient haben, über andere Menschen zu bestimmen.

Doch gerade dadurch, dass formal von den ungleichen Voraussetzungen jedes/r Einzelnen abgesehen wird und nur die Leistungen bewertet werden, wird es erreicht, dass sich alle mit der ungleichen Verteilung von Macht, Einkommen und Bildung abfinden: die Beherrschten suchen den Fehler bei sich und halten sich für zu faul oder gar zu dumm, die Herrschenden halten sich für eine auserlesene Elite der besonders Intelligenten und Leistungsfähigen. Beides naturalisiert etwas gesellschaftlich Gemachtes und ist die Grundlage für alle schärferen Diskriminierungen im Bildungssystem.

So kommt es, dass die „Neutralität“ des Bildungssystems gegenüber sozialen Hintergründen, Sprache oder Hautfarbe sehr gut mit der de facto stattfindenden Benachteiligung zurechtkommt. Denn die vorgebliche Neutralität ist elitär: Gelehrt und bewertet wird in den Schulen und Unis nicht irgendeine Ausdrucksfähigkeit (wie etwa die höchst nuancenreiche „Sprache der Straße“), sondern die Fähigkeit einen Sachverhalt „verständlich“ (also in akademischen Begriffen) auszudrücken; nicht irgendeine Denkfähigkeit, sondern die für abstraktes Denken; nicht die Beherrschung irgendeiner Sprache, sondern zuerst der Deutschen oder dann einer des gängigen Fremdsprachenkanons. Menschen, die sich neben diesen strukturellen Diskriminierungen zudem noch im Schul- und Unialltag mit offen rassistischen Äußerungen oder bewusst ausgrenzenden Verhaltensweisen auseinandersetzen müssen, die auf ihre Hautfarbe oder andere Körpermerkmale abzielen, werden so tagtäglich vielfach unterdrückt.

Somit zeigt sich, dass das Bildungssystem in Wahrheit nur auf den Nachwuchs der herrschenden Klasse zugeschnitten ist. RevolutionärInnen müssen aber dafür kämpfen, dass alle Menschen Zugang zu Bildung bekommen, weil dies eine Grundvoraussetzung für eine Kritik der bestehenden Verhältnisse ist. Daher fordern wir die Abschaffung des gegliederten Schulsystems als ein Hauptinstrument der Selektion, sowie das Recht auf Unterricht in der Muttersprache und auf kostenlose Sprachförderung für alle. Solche Verbesserungen sind zwar teilweise innerhalb des bestehenden gesellschaftlichen Rahmens erreichbar, gleichzeitig ist aber klar, dass der Kampf für wirklich freie Bildung für alle nur durch die Überwindung des Kapitalismus erfolgreich sein kann.

//von David Knorr, AG Arbeitskämpfe, FU Berlin //REVOLUTION Nr. 38

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