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Wohin geht Kuba?

Perspektiven für die „sozialistische Insel“

Kuba wirkt wie ein Land aus einer anderen Zeit – und das nicht nur wegen der Autos aus den 50ern auf den Straßen von Havanna. In fast allen ehemals „sozialistischen“ Staaten wurde der Kapitalismus wieder eingeführt, entweder durch Umstürze wie in Russland oder durch Reformen wie in China. Doch die kubanische Gesellschaft basiert bis heute auf sozialistischen Eigentumsformen. Das heißt, die Wirtschaft wird nicht in erster Linie durch einen Markt, sondern durch einen staatlichen Plan beherrscht.

Dies ermöglicht ein für ein so armes Land beispielloses Sozial- und Gesundheitssystem. So liegt die Lebenserwartung in Kuba bei 80 Jahren für Frauen und 76 Jahren für Männer. Der Alphabetisierungsgrad ist mit 99,8% höher als der der führenden Industriestaaten. Kuba ist der einzige Staat Lateinamerikas ohne unterernährte Kinder.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und anderer stalinistischer Staaten kam Kuba aber in große Schwierigkeiten. Ab 1992 wurde eine „Sonderperiode“ marktwirtschaftlicher Reformen eingeläutet: staatliche Farmen wurden teilweise in Kooperativen umgewandelt und kleine Unternehmen wurden zugelassen. Die Hälfte der Nahrungsmittelverteilung läuft heute über diesen Markt, weil die staatliche Lebensmittelrationen nicht zum Leben reichen.

1992 wurde auch ausländischen InvestorInnen eine Tür nach Kuba geöffnet, und zwar über die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen vom kubanischen Staat (meistens vom Militär) und multinationalen Konzernen. Diese „Joint Ventures“ können sogar selbständig, also bei Umgehung der Planungsbehörden, Güter importieren.

Die Kontrolle über die Joint Ventures liegt zwar maßgeblich bei den staatlichen und militärischen Bürokratien. Doch zu glauben, dies würde die sozialistischen Grundlagen der kubanischen Gesellschaft schützen, ist eine gefährlicheIllusion.

Der Grund, warum der Kapitalismus auf Kuba bis heute nicht wieder eingeführt wurde, ist anderswo zu suchen: die Bedrohung durch die USA, die seit fast 50 Jahren ein Handelsembargo gegen Kuba aufrechterhält und ununterbrochen auf den Sturz des kubanischen Systems hinarbeitet, macht eine „Öffnung“ im Stil Chinas unvergleichbar schwieriger. Doch der privilegierte Staatsapparat enthält viele KarrieristInnen, die gern von VerwalterInnen der Produktionsmittel zu richtigen BesitzerInnen werden möchten – gerade in der Bürokratie gibt es eine starke Basis für prokapitalistische Entwicklungen.

Insgesamt zeigt sich, dass im „sozialistischen“ Kuba nicht die ArbeiterInnenklasse das Sagen hat, sondern ein hierarchischer Apparat von FunktionärInnen, die keine lebendige Demokratie der arbeitenden Massen zulassen und teilweise sogar an der Wiedereinführung von kapitalistischen Verhältnissen arbeiten.

Die kubanische Konterrevolution droht somit nicht nur von der kubanischen Exilbourgeoisie in Miami, sie droht auch von der herrschenden Schicht in Havanna. Eine Restauration des Kapitalismus würde aber nicht dazu führen, dass alle KubanerInnen Lebensstandards wie in den USA genießen würden. Im Gegenteil, die Rekolonialisierung der Insel durch den US-Imperialismus (wie in der Zeit vor der Revolution von 1959) und der Wegfall der staatlichen Bildungs- und Gesundheitssysteme wurden eher zu Verhältnissen wie in den karibischen Nachbarstaaten (wie Haiti) führen.

Wenn die ArbeiterInnenklasse Kubas diesem Schicksal entgehen will, muss sie nicht nur gegen die Machenschaften des US-Imperialismus, sondern auch gegen die „Reformen“ der eigenen Regierung Widerstand leisten – sie muss die Macht in ihre eigenen Hände nehmen und die wirtschaftliche Planung der Massendemokratie von ArbeiterInnen- und Bauern/Bäuerinnenräten unterwerfen. Als MarxistInnen verteidigen wir die großen Errungenschaften der Revolution von 1959, die den Kapitalismus zum ersten und bisher einzigen Mal in der westlichen Hemisphäre abschaffte. Doch wir kämpfen nicht nur gegen das US-Handelsembargo, sondern auch gegen restaurationistische Bestrebungen der kubanischen Führung.

//von Jalava Hugo, RIO, Kiel //REVOLUTION Nr. 39

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