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Für die Befreiung der Frau!

Zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung

Oftmals scheint zwischen der Frauenbewegung und der ArbeiterInnenbewegung – gerade heute – eine große Lücke. Während die Frauenbewegung sich nach Lösungen innerhalb des Systems umschaut und gegenüber der Unterdrückung von ArbeiterInnen allgemein ignorant erscheint, so ist und war in der ArbeiterInnenbewegung Sexismus immer wieder ein Problem. Dabei sollte man nicht vergessen, dass sich schon zu Beginn der organisierten ArbeiterInnenbewegung eine ausdrücklich proletarische Frauenbewegung formierte. Sie versuchte die Frauenbefreiung und die Befreiung der ArbeiterInnen miteinander zu verbinden.

Organisierung der Frauen

Der Beginn der organisierten ArbeiterInnenbewegung in Deutschland ist die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (SdAP), welche am 8. August 1869 stattfand. Es wurde die gemeinsame Organisierung von Frauen und Männern im Kampf gegen den Kapitalismus beschlossen, die wichtiger Ansatzpunkt für die Herausbildung der proletarischen Frauenbewegung werden sollte. 1869 wurde die Internationale Gewerksgenossenschaft der Manufaktur-, Fabrik- und Handarbeiter beiderlei Geschlechts gegründet, die auch das erste Dokument der proletarischen Frauenbewegung veröffentlichte, welches nur von Frauen geschrieben wurde. Darin wurden Arbeiterinnen aufgefordert, in die Organisationen der ArbeiterInnenschaft einzutreten und gemeinsam mit ihren männlichen Genossen in der Öffentlichkeit an der Emanzipation der ganzen ArbeiterInnenklasse mitzuwirken. Es gründeten sich aber auch eigene Frauenorganisationen, die sich von bürgerlichen Frauenorganisationen abspalteten, wie der Berliner Arbeiter-Frauen- und Mädchen-Verein 1872/73.

Enormen Einfluss auf die proletarische Frauenbewegung hatte August Bebels Werk „Die Frau und der Sozialismus“. Neben Engels „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums, und des Staates“ präzisierten sie die Vorstellungen der Frauenbefreiung in weiten Teilen der SdAP.

In den 1880er Jahren spielte Getrud Guillame-Schack eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung eigener Organisationspraxis, indem sie als treibende Kraft bei der Gründung einer ganzen Reihe von besonderen Frauenorganisationen fungierte. Sie kämpfte gegen die Einschränkung der Arbeitsrechte durch das „Arbeitsschutzgesetz“ für Frauen, das Frauen die Ausübung diverser Berufe verbot. Diese Position vertrat später auch Clara Zetkin.

Zetkin war es auch, die 1889 die erste Frauen-Agitationskommission gründete, welche als informelle Zentralstelle der verschiedenen lokalen Frauen-Vereine und -Gruppen fungierte. Clara Zetkin war eine der, wenn nicht die, wichtigste(n) Personen der proletarischen Frauenbewegung. Sie setzte sich stets für die aktive Teilnahme von Frauen in der sozialistischen Bewegung ein. Clara Zetkin stellte fest, dass durch die Erwerbsarbeit die proletarische Frau dem Mann ihrer Klasse wirtschaftlich gleichgestellt werde. Der Emanzipationskampf der Proletarierinnen war daher nicht ein Kampf gegen die Männer der eigenen Klasse, sondern ein Kampf gemeinsam mit ihnen gegen die KapitalistInnenklasse. Dabei war allerdings die Frauenbefreiung dem Sozialismus nicht nachgestellt, sondern beide Kämpfe standen miteinander in Verbindung.

Integration in die SPD

Lange Zeit reduzierte sich die zentrale Organisation der proletarischen Frauenbewegung auf Vertrauenspersonen/-frauen, die formal unabhängig, tatsächlich aber zentral koordiniert waren. Auch die erste internationale sozialistische Frauenkonferenz 1907 konnte daran nichts ändern. Sie begründete zwar das Internationale Frauensekretariat, welches aber förderalistisch und nicht zentralistisch organisiert war. Dies war Resultat der Politik der Zweiten Internationale.

Diese war es auch, die die proletarische Frauenbewegung in den nächsten Jahrzehnten in die sozialdemokratische Partei integrierte, gegen den Widerstand des linken Flügels um Zetkin. Dies geschah nicht, um einen vereinten Kampf gegen Sexismus und Kapitalismus auf revolutionärer Grundlage führen zu können, sondern zur besseren Kontrolle der proletarischen Frauenbewegung durch die zunehmend reformistische SPD. Autonome Strukturen der Frauenbewegung wurden ab 1908 zunehmend aufgelöst oder intergriert. Von einer eigenständigen proletarischen Frauenbewegung konnte von nun an nicht mehr die Rede sein, auch wenn die Frauenfrage in der Gesamtorganisation mehr zur Sprache kam als früher.

Dazu gehörte unter anderem die Diskussion um das Frauenwahlrecht, der Kampf um die Einbindung von Frauen in die ArbeiterInnenbewegung durch Lese- und Bildungsabende, Schutz von Mutter und Kind und zur Jugenderziehung – neben den allgemeinen sozialistischen Forderungen.

Nur die – durch staatliche Repression erzwungene – relative Autonomie der proletarischen Frauenbewegung garantierte, dass der linke Flügel um die Autorität Zetkin weiterhin seinen Einfluss behielt. Dieser konnte eine Verbürgerlichung der proletarischen Frauenbewegung verzögern und eine deutlich linkere Prägung durchsetzen. Auch die Dezentralisierung war hierbei hilfreich, die eine stärkere Orientierung am Bewusstsein der Basis sicherstellte.

Spaltung der Bewegung

Letztlich spaltete sich proletarische Frauenbewegung, wie die Sozialdemokratie allgemein, doch. Mit der Oktoberrevolution 1917 musste der revolutionäre Flügel eine klare Position beziehen. Dazu gehörte auch (wieder) eine verstärkte Selbstorganisierung (unterstützt von USPD und Gruppe Spartakus) und die Ausbildung von Frauen, um sie innerhalb des Organisationsrahmens zu vollwertigen Parteimitgliedern zu erziehen. Erst diese Spaltung von der bürgerlichen sozialdemokratischen Partei führte schließlich zur kommunistischen Frauenbewegung nach 1917.

Die proletarische Frauenbewegung hat wichtige Dienste für die organisierte ArbeiterInnenbewegung geleistet. Sie war es, die die Wichtigkeit der Trennung von Frauen entlang der Klassenlinie aufgezeigt hat; dass die Interessen der Frauen verschieden sind, dass die des weiblichen Proletariats weit über den kapitalistischen Rahmen hinaus gehen. Sie hat die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes der ArbeiterInnen – unabhängig des Geschlechts – sowohl für die Frauenbefreiung als auch die soziale Befreiung aufgezeigt. Außerdem macht die Geschichte der proletarischen Frauenbewegung die Schwierigkeiten deutlich, mit der Frauen in einer männerdominierten ArbeiterInnenbewegung zu tun haben: vor allem, dass es für Frauen richtig sein kann, sich autonom zu organisieren, solange eine sozialistische Partei keinen gemeinsamen und konsequenten Kampf gegen Sexismus inner- und außerhalb der Partei und der Bewegung führt.

//von Johannes, Revo und RSO Berlin //REVOLUTION Nr. 35

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