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Anarchismus? Kann der Anarchismus die Menschheit befreien? Bei den Protesten in Strasbourg berichteten die bürgerlichen Medien über „anarchistische Randalierer“. Und nicht nur dort erscheint der Anarchismus unüberholbar radikal. Als MarxistInnen kritisieren wir die Strategie, die sich auf radikale Aktionen kleiner Gruppen beschränkt. Aber unsere Kritik am Anarchismus geht viel weiter. Wir wollen uns anschauen, welche Perspektiven der Anarchismus für eine Revolution bietet. Die Staatsfrage AnarchistInnen teilen mit MarxistInnen den Wunsch nach der Zerschlagung des Kapitalismus und der Schaffung einer Welt ohne (Klassen-)Grenzen und Unterdrückung. Doch kann die von den AnarchistInnen propagierte Strategie zu diesem Ziel führen? Die Probleme der anarchistischen Ideen fangen in der Staatsfrage an. Zwar ist es richtig, dass der bürgerliche Staat eine gegen die Menschen (genauer gesagt: gegen die arbeitenden Menschen) gerichtete Institution ist, die abgeschafft werden muss. Aber der Staat kann nicht einfach per Proklamation aus der Welt geschaffen werden. MarxistInnen sind der Meinung, dass die ArbeiterInnenklasse zur Erreichung ihrer Ziele zuerst eine revolutionäre Republik aufbauen muss, um das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln zu erobern und zu sichern. Diese muss auf Grundlage von demokratischen Räten und Milizen entstehen, an denen die gesamte ArbeiterInnenklasse aktiv teilnimmt. Damit hat ein solcher ArbeiterInnenstaat einen grundlegend anderen Charakter als der bürgerliche Staat, den wir kennen – er wird eher ein „Halbstaat” sein, da er sich nicht auf eine abgehobene Bürokratie sondern auf die aktive Selbstverwaltung der Bevölkerung stützen wird. AnarchistInnen glauben, dass dieser ArbeiterInnenstaat als Übergang zur kommunistischen (oder libertären, wie sie es nennen) Gesellschaft nicht notwendig ist. Doch wäre die Weigerung der RevolutionärInnen, die Macht zu übernehmen, katastrophal, denn ReformistInnen und Reaktionäre würden dieses Vakuum ausnutzen und versuchen, die Errungenschaften der Revolution rückgängig zu machen. Als Alternative zur ArbeiterInnenrepublik wird von AnarchistInnen der Föderalismus propagiert. Sie behaupten, eine föderale Struktur von völlig autonomen Kollektiven würde Machtanhäufung verhindern. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wenn die einzelnen Kollektive sich nicht untereinander zentral abstimmen, besteht die Gefahr, dass nicht die Mehrheit bestimmt, sondern in einem politischen oder wirtschaftlichen Wettbewerb eine Minderheit die Hegemonie erreicht. Letztendlich würde das zu einer Wiederentstehung der Marktwirtschaft führen. Eine zentral und demokratisch verwaltete Planwirtschaft schließt die größtmögliche lokale Selbstverwaltung keineswegs aus – doch bei komplizierten Wirtschaftsprozessen (schon der Bau eines Computers) reicht die Arbeit eines einzelnen lokalen Kollektivs keineswegs aus, und deswegen sind gesamtgesellschaftliche Entscheidungsrahmen unabdingbar. Die Partei Ebenso lehnen die AnarchistInnen es ab, eine politische Partei der ArbeiterInnenklasse aufzubauen. Sie behaupten, eine Partei würde in einer neuen Elite in der Gesellschaft enden; so liege zum Beispiel der Grund für die bürokratische Entartung des Sowjetsystems in Russland in der führenden Rolle der bolschewistischen Partei in der russischen Revolution. Auf die tatsächlichen Ursachen der bürokratischen Konterrevolution Stalins möchten wir hier nicht weiter eingehen, auf die Notwendigkeit der Partei schon. Revolutionäre KommunistInnen streben eine neuartige Partei an, die zutiefst demokratisch aufgebaut ist. Diese Partei wird die revolutionären Teile der ArbeiterInnenklasse auf der Grundlage eines klaren Aktionsprogramms vereinen, für die Unterstützung der Revolution durch eine Mehrheit der Klasse kämpfen und ihre einzelnen Kämpfe auf nationaler und mithilfe einer neuen Internationale auch auf internationaler Ebene zum revolutionären Kampf für den Sozialismus verbinden. Sollte es keine Partei der Revolution geben, werden wir den unheilvollen Einfluss der ReformistInnen auf die ArbeiterInnenklasse nicht brechen können. Die Beschreibung der Partei als einer Avantgarde bedeutet, die bewusstesten Teile der Klasse zu organisieren und eine Alternative zu den reformistischen Organisationen zu bieten. Denn am Ende kann die Revolution nur Ausdruck der Gesinnung der Massen der arbeitenden Bevölkerung sein. Die Gewerkschaften Viele AnarchistInnen befürworten „direkte Aktion” kleiner und oft unorganisierter Gruppen. Dabei weisen sie die Arbeit in Gewerkschaften und in der ArbeiterInnenbewegung zurück, denn sie glauben, Alltagskämpfe würden Staat und Kapitalismus legitimieren. So lehnen sie den Kampf für jegliche Verbesserungen wie Lohnerhöhungen oder dergleichen ab. Damit jedoch überlassen sie die Massen der Klasse dem Reformismus – ihr einziges politisches Subjekt sind wütende Jugendliche, die allerdings nie das soziale Gewicht haben werden, um das System umzustürzen. Die sogenannten AnarchosyndikalistInnen dagegen befürworten den Aufbau einer anarchistischen Gewerkschaft. Dabei übersehen sie 1) dass eine besondere, revolutionäre Gewerkschaft die RevolutionärInnen von den Massen, die in den großen Gewerkschaften organisiert sind, isoliert; 2) dass die Revolution nicht mit der alleinigen wirtschaftlichen Machtübernahme durch die ArbeiterInnenklasse zu bewerkstelligen ist. Erst muss die Zerschlagung des bürgerlichen Staates und die Schaffung einer ArbeiterInnenrepublik die Grundlage für die Verstaatlichung der Produktionsmittel in ArbeiterInnenhand schaffen. Deswegen sind wir für den Aufbau einer revolutionären Partei, deren Mitglieder als Opposition in den Gewerkschaften arbeiten. Der Anarchismus bietet ein schönes und verlockendes Bild, gerade für linke Jugendliche. Doch bergen seine Ansätze schwerwiegende Gefahren für die Revolution. Deshalb müssen revolutionäre KommunistInnen in die Kämpfe in Strasbourg und sonstwo eingreifen und ihre eigene Strategie den Ideen der AnarchistInnen entgegensetzen. Denn der Anarchismus, auch wenn er rrrrrevolutionär klingt, ist letztendlich nicht radikal genug. Er bleibt auf der Ebene der wütenden Ablehnung der bestehenden Verhältnisse stehen. Nur der Marxismus bietet eine Strategie an, wie diese Verhältnisse tatsächlich zu überwinden sind, um eine klassenlose Gesellschaft zu erreichen. //von Alexandrowitsch, Revo Hamburg //REVOLUTION Nr. 35 |
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