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Kapitalismus und Klimawandel

Was hat das Eine mit dem Anderen überhaupt zu tun?

Vor noch einem Jahr war er in aller Munde - der Klimawandel. Es wurde über ihn berichtet, über seine Folgen orakelt und oberflächlicher Wahlkampf mit ihm betrieben. Doch das Monstrum Klimawandel ist anscheinend einer für die Mächtigen noch viel gefährlicheren Bedrohung gewichen - dem Ungeheuer Wirtschaftskrise. Seit ihrem Auftauchen scheint die mediale und politische Öffentlichkeit sich nicht mehr um Umweltproblematiken kümmern zu können, da das Überleben des Kapitalismus für die Machthabenden im Vordergrund steht. Doch die Umweltzerstörung ist zur fundamentalen Gefahr geworden.

Ursachen

Die Ursachen für den Klimawandel sind menschlich, daran ist nicht zu zweifeln: Zwar gab es seit dem Ende der letzten Eiszeit (also vor etwa 10.000 Jahren), bei dem sich die Erde um insgesamt 4° C erwärmte, immer wieder kleinere Erwärmungsphasen, jedoch blieb die globale Temperatur weitgehend stabil. Bis zum Beginn der Industrialisierung, also seit Mitte bzw. Ende des 18. Jahrhunderts.

Allein von 1906 bis 2005 ist ein Temperaturanstieg von 0,75° C zu verzeichnen. Dieser Anstieg verlief keineswegs linear, sondern vielmehr in sprunghaften Phasen, die sogar an einzelnen Ereignissen festgemacht werden können, wie etwa dem Wirtschaftsboom in den fünfziger und sechziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts oder auch noch einmal in den siebziger Jahren, der Zeit der im kapitalistischen Rahmen gehaltenen Industrialisierung der sogenannten „Dritten Welt“.

Hier wird auch die eigentliche Ursache der Klimaentwicklung deutlich: Der globale Kapitalismus bzw. seine Produktionsweise. Aufgrund ihrer rein quantitativen Ausrichtung hat diese keine Möglichkeit, qualitative oder globale Aspekte zu berücksichtigen; vielmehr wird etwa nur dann investiert, wenn die Aussicht besteht, dass das investierte Kapital binnen kurzer Zeit maximiert wird.

Kapitalismus bedeutet Wettbewerb, bedeutet Konkurrenz. Unter dem Druck eines Kapitalzyklusses wird die Umweltzerstörung unvermeidlich.

Aktuelle Situation

Mittlerweile ist der Klimawandel zum Selbstläufer geworden, d.h. selbst wenn die Emissionen von heute auf morgen gegen Null sinken würden, wäre die Entwicklung nicht aufgehalten. Eine Verhinderung des Klimawandels ist unmöglich geworden, lediglich eine Abschwächung seiner Folgen ist noch möglich. Denn der Anstieg der Weltmeere, das Verschwinden der eisbedeckten Flächen, der Rückgang der Wälder, also die Verwüstung und Versteppung weiter Waldgebiete, sowie die „Langlebigkeit“ vieler bereits freigesetzter Schadstoffe in der Atmosphäre halten einen Mechanismus am Laufen, der bereits ganz allein - ohne jedes menschliche Dazutun - den Klimawandel weiter vorantreibt.

Drei Hauptfaktoren seien hier beispielhaft angebracht, die dafür sorgen, dass eine systemimmanente Reduzierung der Umweltverschmutzung eben unmöglich ist: Erstens die Energieproduktion, also die Öl-, Gas- und Stromkonzerne, die sich durch Zentralisierung, schlechte Energieeffizienz und enormen Ressourcenverbrauch auszeichnen. In Deutschland allein sind 39 neue Steinkohle- und sechs neue Braunkohlewerke geplant - ökologisch gesehen eine absolute Katastrophe.

Zweitens die globale Industrie, etwa die großen Nahrungsmittelkonzerne. Auch sie verschwenden Energie, verbrauchen Flächen und kennen durch ihre Profitfixierung keinerlei Alternative. Die weltweite Viehwirtschaft beispielsweise stößt jährlich mehr klimaschädliche Treibhausgase aus als der gesamte Verkehr, vergiftet Grundwasser und Böden.

Drittens der Verkehrssektor, der 20 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verursacht, wobei sein Anteil noch im Steigen begriffen ist. Dominiert durch die Öl-Wirtschaft, veranlasst er den Aufbau einer Autogesellschaft, die sich durch extremen Individualverkehr, Infrastrukturausdehnung und weltweiten Transport auszeichnet.

Obgleich er auch die Klassengegensätze in den einzelnen Ländern veranschaulicht (so ist beispielsweise immer klar, welche soziale Schicht in der Nähe eines Atomkraftwerks leben muss), forciert der Klimawandel ebenso die „Aufspaltung“ der gesamten Welt. So sind die entwickelten, kapitalistischen Länder, obwohl verantwortlich für 75 Prozent des eingetretenen Klimawandels, nur indirekt von diesem betroffen. Zwar sind in diesen Staaten verschiedene Umweltprobleme zu beobachten, jedoch sind diese relativ glimpflich im Vergleich mit denen der abhängigen und weniger industrialisierten Länder: Umweltprobleme sind gleichbedeutend mit Armutsproblemen.

Durch die imperialistische Abhängigkeit erfolgt in diesen Ländern eine Umweltzerstörung nach den Bedürfnissen eines Weltmarktes, bestimmt durch die Interessen multinationaler Konzerne. Diese brutale Ausbeutung zeigt sich beispielhaft im Export von gefährlichem nuklearen Abfall reicher Länder in „Dritte Welt“-Staaten oder in der gebilligten Intensivierung von Naturkatastrophen, ausgelöst durch permanente Zerstörung der Natur.

Die Verstrickung von Klimawandel, Umweltzerstörung und politischem bzw. gesellschaftlichem System wird hier deutlich, denn um eine halbwegs ökologische Produktion in diesen abhängigen Ländern überhaupt erst in Angriff zu nehmen, ist ein Bruch mit dem Imperialismus nötig.

Die aktuelle Lage wird sich noch weiter zuspitzen, das Klima sich weiterhin erhitzen, der Meeresspiegel ansteigen. Überflutungen, Dürren, Wassermangel, Naturkatastrophen, Verteilungskriege und Flüchtlingsströme in bisher unbekanntem Ausmaß werden Hungerrevolten, Aufstände, Proteste, politische Radikalisierungen und BürgerInnenkriege hervorrufen. Darum ist die Entwicklung von sozialistischen Perspektiven fundamental, denn es wird kein Ende des Kapitalismus nur aufgrund des Klimawandels geben. Trotz seiner Machtlosigkeit der durch Umweltzerstörung bedingten Armut und ihrer (revolutionären) Folgen gegenüber wird sich das System nicht von selbst totlaufen.

Perspektiven

Selbst die Erschließung des Klimawandels als Profitquelle wird propagiert, wenn systemimmanente Lösungsansätze feilgeboten werden. So veranschaulicht der auch als „Biosprit“ bekanntgewordene Agrosprit, bei dem Pflanzen in Benzin umgewandelt werden, die Kontraproduktivität und Ineffizienz, ja, mehr noch den Zynismus eines Systems, das Nahrungsmittel kostspielig und energieintensiv in Sprit umwandelt, nachdem sie auf der Grundlage von Monokulturen und Waldabholzung gewachsen sind, anstatt Menschen damit zu ernähren. Die Atomkraft, neuerdings als „grüne Alternative“ zur Kohle aufgezeigt, stellt ebenso permanente Gefahr wie wachsende Zerstörung durch nuklearen Abfall dar.

Kapitalistische Lösungen für den Klimawandel können niemals ökologisch, nachhaltig und effizient sein: Es gibt einen ganz simplen Widerspruch mit der kapitalistischen Produktionsweise. Eine Drosselung des Energieverbrauchs, eine Senkung der Emissionen, eine Umgestaltung bzw. Dezentralisierung des Systems wäre einfach nicht rentabel genug - das investierte Kapital würde nicht zurücklaufen, der Kapitalzyklus käme ins Stocken; damit wäre es nicht finanzierbar. Dementsprechend wäre dieser Prozess gegen die grundlegenden Interessen der Konzerne und Nationalstaaten (da er logischerweise international ablaufen müsste). Darüber hinaus verhindert die kapitalistische Konkurrenzgesellschaft eine nachhaltige, enge Zusammenarbeit in ökologischen Fragen.

Entsprechend düster sieht die Perspektive des Kapitalismus letztendlich aus: Eine seiner Grundeigenschaften ist die permanente Ausdehnung seiner Produktion, aber gerade im Zusammenhang mit dem Weltbevölkerungswachstum steht ihm der ökologische Kollaps bevor. Zwar gibt es einige KapitalistInnen die sich an einer nachhaltigen Perspektive versuchen, aber als einzelne besitzen sie keinerlei Macht: Der Wettbewerb schaltet sie aus.

Es gibt kein Entkommen aus dem Kapitalkreislauf; da im Kapitalismus der „exogene Faktor“ Umwelt eben ein außenstehender und damit dem beherrschenden, ausbeutenden und dadurch zerstörenden Menschen gegenübergestellt ist, also läuft der Zyklus einfach weiter bis jener „exogene Faktor“ ihn eben beendet.

Um also überhaupt erst einmal eine Änderung zu bewirken, müssen Konzerninteressen und Privateigentum angegriffen werden. Auf Grundlage der Klassenperspektive müssen reaktionäre Produktions- und Herrschaftsvorstellungen analysiert und gestürzt werden. Eine andere Konstellation von Mensch und Umwelt im menschlichen Bewusstsein ist dringend erforderlich, denn nur so können auch scheinbare Widersprüche, etwa zwischen Umweltschutz und Arbeitsplätzen oder auch nachhaltiger Umweltpolitik und Produktion an sich, in das Reich der Märchen verwiesen werden. Denn nichts garantiert mehr Arbeitsplätze als eine Produktion, die den Naturkreislauf und die Umwelt respektiert.

Fazit

Wir stellen also fest: Der Kapitalismus hat den Klimawandel verursacht, aber er kann ihn weder aufhalten noch abschwächen, nur weiter vorantreiben. Um dem Rechnung zu tragen, muss die Ökologie ein essentieller Schwerpunkt der marxistischen Gesellschaftsanalyse werden: Nur so kann eine Mäßigung des Klimawandels bzw. seiner Folgen überhaupt erst in Aussicht gestellt werden.

Sozialistische und ökologisch sinnvolle Perspektiven müssen entsprechend intensiv miteinander verknüpft werden: Eine demokratisch geführte Planwirtschaft macht nur nach strengsten ökologischen Kriterien Sinn - umgekehrt gilt jedoch dasselbe. Von den ArbeiterInnen selbst geführte, nach ihren Bedürfnissen ausgerichtete und im Wissen um Nachhaltigkeit geleitete Agrarplanwirtschaften beispielsweise kommen Menschen, Natur und Klima zugute.

//von Paula, Revo Dresden //REVOLUTION Nr. 34

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