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Nach der Party kommt der Kater

Die Situation in den USA nach der Wahl von Barack Obama

Weniger als einen Tag nachdem Barack Obama offiziell als Sieger der US-Präsidentschaftswahlen feststand, lief eine neue Folge von South Park über die amerikanischen Fernseher, die die aktuelle Stimmung perfekt einfing: Randy Marsh zieht die ganze Nacht jubelnd und trinkend durch die Straßen um Obamas Sieg und den kommenden Wandel zu feiern. Im Laufe der Nacht schlägt er seinen Boss ins Gesicht, weil sich ja „alles ändern wird”. Am nächsten Morgen wacht er jedoch auf und entdeckt nicht nur, dass seine Hose und sein Fernseher gestohlen wurden, sondern erfährt auch noch, dass er gefeuert wurde. „Aber Obama hat doch gesagt, es wird sich was verändern! Dieser Hurensohn hat uns belogen!”

Diese Erfahrung wird sich in den kommenden Monaten und Jahren noch millionenfach auf verschiedenste Weisen wiederholen – nicht nur in South Park, Colorado. Es ist das erste Mal für unsere Generation, dass wir eine solche Welle der Begeisterung für die US-Präsidentschaftswahlen erleben konnten. In der Wahlnacht waren Millionen von feiernden Menschen auf den Straßen. Aber wird Obama wirklich das Leben der Schwarzen, ArbeiterInnen und Jugendlichen verändern können, die ihn unterstützt haben?

Obamas Politik

Keiner der Versuche der RepublikanerInnen, die amerikanischen ArbeiterInnen für sich zu begeistern, konnte darüber hinwegtäuschen, dass ihre Agenda hauptsächlich darin besteht, die Reichen noch reicher zu machen. Aber die DemokratInnen sind ebenso sehr, wenn nicht sogar noch mehr, an die Interessen der Wirtschaft gebunden. Von den wohlhabensten US-AmerikanerInnen wurde Obama dreimal so stark unterstützt wie McCain – für all ihre Spenden werden sie auch eine Gegenleistung erwarten! Obama ist letztlich derselben Politik verpflichtet, wie die verhasste Bush-Regierung. Beispielsweise redet er davon, den Irakkrieg möglichst schnell zu beenden – allerdings nur, um mehr Truppen nach Afghanistan schicken zu können. Außerdem hat er vor, die gesamten US-Streitkräfte weiter auszubauen.

Genauso wie Bush betreibt Obama in erster Linie Politik für die herrschende Klasse der Vereinigten Staaten. Und die US-amerikanischen KapitalistInnen wollen keine Veränderung – zumindest nicht, wenn dabei ihre Macht in Frage gestellt wird. Sie wollen stattdessen ein neues Gesicht für ihr System. Sie müssen sich von den militärischen und ökonomischen Fehlschlägen der letzten acht Jahre distanzieren, die der verantwortlichen US-Regierung eine so massive Ablehnung beschert haben. Sie brauchen einen Politiker, mit dem sich die Unterdrückten identifizieren können und der dazu taugt, dem gesamten System neue Legitimation zu verschaffen, damit die KapitalistInnen weiterhin das machen können, was sie immer getan haben: Die ArbeiterInnen und Unterdrückten auszubeuten – in den USA ebenso wie im Rest der Welt.

Für die Schwarzen war die Wahl ein historischer Moment. Ein Land das schwarze Menschen Jahrhunderte lang der Sklaverei, Ausgrenzung, Armut und Polizeigewalt ausgesetzt hat, hat nun einen schwarzen Präsidenten. Aber dies bedeutet weder das Ende des Rassismus noch den Beginn „post-rassistischer” Politik. Der US-Kapitalismus diskriminiert ethnische Minderheiten systematisch, auch wenn einzelne Individuen in die herrschende Klasse integriert werden. Einen Afro-Amerikaner im höchsten Amt zu haben wird diese Diskriminierung genausowenig beenden, wie die Tatsache, dass Colin Powell und Condoleeza Rice im Kabinett der Bush-Regierung saßen.

Perspektiven

Obama wurde von einer echten politische Bewegung an die Macht gebracht: Millionen von Menschen interessierten sich das erste Mal für Politik und erwarteten, mit ihrer Stimme etwas erreichen zu können. (Selbst in Europa und dem Rest der Welt werden große Hoffnungen in Obamas Präsidentschaft gelegt.) Dies eröffnet RevolutionärInnen die Chance, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die lange Zeit nur passiv geblieben sind und die sich jetzt mit den Widersprüchen zwischen ihren Hoffnungen und der Realität unter der neuen Regierung auseinandersetzen müssen.

Obama repräsentiert weniger bestimmte Ideale als ein bestimmtes System. Als Führer des kapitalistischen US-Staates kann er die Maßnahmen nicht ergreifen, die notwendig wären, um die Lebensbedingungen der amerikanischen ArbeiterInnen zu sichern und zu verbessern: Er wird nicht verhindern, dass hunderttausende Familien im Zuge der Finanzkrise ihre Häuser verlieren, er wird die maroden Banken und Autohersteller nicht verstaatlichen, keine Jobs für die riesige Zahl Arbeitsloser schaffen und er wird weder die rechtliche Gleichheit der ArbeiterInnen garantieren, noch ein ausreichendes öffentliches Gesundheitssystem für alle Menschen einrichten.

Die ArbeiterInnen müssen stattdessen für die sich ausweitende Krise blechen: Sie verlieren ihre Häuser, ihre Jobs, ihre Renten. Die KapitalistInnen retten sich selbst und lassen die ArbeiterInnenklasse dafür bezahlen – zumindest solange wir nicht dafür kämpfen, der Krise des Kapitalismus eigene Antworten entgegenzusetzen. Den Millionen Menschen, die an Obama glauben, müssen wir klar machen, dass sie selbst aktiv werden müssen, wenn sie Veränderung wollen. Wir werden uns an diesen Kämpfen beteiligen aber gleichzeitig dafür eintreten, mit den zwei großen Parteien und dem System für das sie stehen, zu brechen.

Partei der ArbeiterInnen

Stattdessen benötigt die amerikanische ArbeiterInnenklasse dringend eine eigene Partei. Die amerikanischen Gewerkschaften haben in diesem Jahr hunderte Millionen Dollar für die Wahl eines kapitalistischen Kandidaten aufgewendet. Für diese Zahlungen, die mit den Beiträgen der organisierten ArbeiterInnen finanziert wurden, werden sie nichts außer Lippenbekenntnisse bekommen. Hätte stattdessen ein unabhängiger Kandidat der ArbeiterInnen, der für eine grundlegende Alternative zu den beiden Parteien der Bosse stünde, diese Ressourcen zur Verfügung, dann könnte er eine massive Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der US-Politik erreichen.

In den kommenden Jahren wird die Enttäuschung über Obama unvermeidlich sein. Revolutionäre sollten versuchen, diese Enttäuschung zu kanalisieren und sozialistische Alternativen zum Kapitalismus aufzuzeigen. Wichtige Schritte dafür wären eine eigene Partei, die die Interessen der ArbeiterInnen vertritt und eine unabhängige revolutionäre Jugendorganisation.

Randy Marsh kommt am Ende zu dem Schluss, dass er besser für McCain gestimmt hätte – die Wahrheit ist aber, dass ein radikaler Wandel in der Gesellschaft notwendig ist, um ihm aus seiner beschissenen Situation zu befreien.

//REVOLUTION Internationale Koordinierung //28.11.08 //REVOLUTION Nr. 33

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