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Klassenkampf in
4.000 Meter Höhe

Die Situation in Bolivien ist nur auf der Oberfläche ruhig

Letztes Jahr gewann Evo Morales und seine Bewegung zum Sozialismus (MAS) die Präsidentschaftswahlen in Bolivien mit 54% der Stimmen. Der Amtsantritt des ersten indigenen Präsidenten in einem Land im Herzen Lateinamerikas, wo rund 70% der Bevölkerung ebenfalls Indigene sind, löste große Hoffnungen unter den Armen aus.

Nach den Massenaufständen im Oktober 2003 und Juni/Juli 2005, die mehrere Regierungen stürzten und Hunderte Tote forderten, sah es so aus, als könnte die Forderung der Aufständischen nach der Verstaatlichung der natürlichen Ressourcen des Landes endlich umgesetzt werden. Bolivien besitzt nämlich die zweitgrößte Erdgasreserven Lateinamerikas. Diese Ressourcen wurden bisher an multinationale Konzerne mehr oder weniger verschenkt, aber sie könnten dazu dienen, die erdruckende im Land mit einer Hauptstadt in 4.000 Meter Höhe zu beseitigen. Endlich gab es eine Regierung, die die Verstaatlichung der Erdgas- und Ölreserven auf die Fahne geschrieben hatte.

Doch ein Jahr später sind viele dieser Hoffnungen enttäuscht worden. Die „Verstaatlichung“ wurde am 1. Mai 2006 angekündigt, aber diese Maßnahme beschränkte sich auf neue Verträge mit den multinationalen Konzernen, so dass diese mehr Steuern zahlen. Der bolivianische Vizepräsident sagte dazu: „Das ist keine Verstaatlichung... Wir wollen einfach wissen, was sie tun, und mehr Sagen darüber haben.“

Die Versammlung

Das zweite große Versprechen von Morales war die Einberufung einer Konstituierenden Versammlung, um eine neue Verfassung zu erarbeiten und den korrupten alten Staatsapparat zu erneuern. Diese Versammlung trat im August zusammen und auch hier hatte die MAS die absolute Mehrheit gewonnen. Aber die ersten acht Monate wurden mit Verhandlungen über das Abstimmungsverfahren vergeudet. Die Regierung liess sich darauf ein, dass strittige Artikel der neuen Verfassung nur durch eine 2/3-Mehrheit beschlossen werden können, was der rechten Opposition ein Vetorecht gibt.

Gleichzeitig macht die Opposition in den reichen Provinzen des Ostens (wo die meisten Erdgasreserven sich befinden) mobil. Sie fordern „Autonomie“, damit sie die Einnahmen vom Erdgas selbst behalten können, und drohen sonst mit der Abspaltung vom bolivianischen Staat.

Die Auseinandersetzungen zwischen links und rechts sprengen schon die von der MAS-Regierung festgelegten Grenzen. In der Stadt Cochabamba haben 40.000 DemonstrantInnen den Gouverneur (der gegen den Willen der Bevölkerung die Autonomie unterstütze) für abgesetzt erklärt. Aber die Regierung wollte die „verfassungsmässigen Ordnung“ nicht verletzen und setzte diesen verhassten Bürokraten wieder ein. Bewaffnete faschistische Banden aus der östlichen Hauptstadt Santa Cruz hatten schon einen Bauern in Cochabamba erschossen.

Die Proteste

Unter den untersten Schichten ist Morales noch sehr populär – zum Beispiel in der armen Stadt El Alto neben La Paz liegen seine Umfragewerte bei 88%. Die herrschende Klasse Boliviens kann ebenfalls mit seiner Arbeit zufrieden sein, denn keinE andereR PolitkerIn wäre nach den Aufständen von 2003 und 2005 in der Lage gewesen, die Massen zu beruhigen.

Aber als die ArbeiterInnen und BauerInnen ihre eigene Erfahrungen mit der Morales-Regierung machen, wächst die Unzufriedenheit. Viele kritisieren die „Pseudoverstaatlichung“ und gerade die ärmsten Schichten der Arbeiterklasse beginnen, neue Gewerkschaften zu bilden.

Die bolivianischen Gewerkschaften, schon immer sehr radikal, planen die Gründung einer eigenen politischen Partei für die Wahlen 2008. Neue Aufstände werden kommen – damit sie nicht wieder in einer reformistischen Sackgasse enden, brauchen die ArbeiterInnen eine revolutionäre Partei, die den bürgerlichen Staat nicht „erneuern“, sondern stürzen will.

//von Wladek aus Kreuzberg und Dave aus London //REVOLUTION Nr. 24

//Wladek Flakin schrieb viele Berichte während einer Reise nach Bolivien in März/April, die auf Indymedia und in der jungen Welt veröffentlicht wurden. Auf unserer Seite gibt es eine Liste aller Berichte.

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