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Alle Macht den Räten!

Was ist eigentlich Rätedemokratie? Wozu braucht man sie?

Eine Umfrage des Forsa-Instituts ergab vor Kurzem, dass ganze 82% der deutschen StaatsbürgerInnen glauben, dass das Volk in der Politik nichts zu sagen hat.

Den KommunistInnen wird oft vorgeworfen, sie seien für die Diktatur des Proletariats und deshalb gegen die Demokratie. Gegen diese kapitalistische „Demokratie“, in der die Kapitalisten alles entscheiden, sind wir allemal. Aber was ist die Alternative?

Demokratie der ArbeiterInnen

Wenn man über Demokratie redet, muss als erstes gesagt sein: Es geht nicht um diese oder jene Form der Demokratie, sondern um die Herrschaft dieser oder eben jener Klasse.

Die bürgerliche Demokratie, in der wir leben, basiert auf der Herrschaft der Kapitalistenklasse. Diese Klasse ist im Besitz der Produktionsmittel der Gesellschaft (Betriebe). Sie beutet die Klasse der Lohnabhängigen – das Proletariat – aus und beherrscht sie. Der Staat ist dabei das Herrschaftsinstrument der herrschenden Klasse. Es kann sich bei einem bürgerlichen Staat um eine Diktatur handeln, wie in Nazi-Deutschland, aber auch eine parlamentarische Demokratie kann ihre Klassenherrschaft sichern. Die bürgerlich-parlamentarische Demokratie bedeutet, dass die Kapitalistenklasse die Lohnarbeiterklasse bei der Wahl der Staatsführer mitentscheiden lässt.

Mit „Volksherrschaft“ hat das wenig zu tun, weil die ganze Wirtschaft weiterhin im Privatbesitz der Kapitalisten ist, und die Politiker mit allerlei Lobbyisten und Wirtschaftsgrößen rumhängen und sich eher deren „Sachzwängen“ als dem Volkswillen beugen.

Das Ziel der KommunistInnen ist die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft, in der es keine Ausbeutung gibt, in der der Mensch nicht über den Menschen herrscht. Der erste Schritt hin zur klassenlosen Gesellschaft ist die Entmachtung der Kapitalistenklasse. Diese Tat können nur die Lohnabhängigen vollbringen. Denn sie sind es, die im Kapitalismus ausgebeutet und unterdrückt werden. Sie arbeiten an den Produktionsmitteln und schaffen die Produkte, mit denen die Kapitalisten dann ihr Geld machen.

Die LohnarbeiterInnen müssen also die Kapitalisten entmachten und zwar auf dem Wege, dass sie die Produktionsmittel selbst in Besitz nehmen. Der bürgerliche Staat beschützt jedoch das Eigentum der Kapitalisten und geht gegen solche Verstöße mit aller Härte vor. Das bedeutet, dass der Kampf gegen die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, gegen die Klassenherrschaft immer auch Kampf gegen den bürgerlichen Staat heißt, wie demokratisch er sich auch immer geben mag.

Die Klasse der Lohnabhängigen muss die wirtschaftliche und politische Macht an sich reißen und an die Stelle der bürgerlich-kapitalistischen Regierung eine sozialistische Räteregierung setzen.

Aber was sind diese Räte? Die Rätedemokratie ist die natürliche Form der proletarischen Klassenherrschaft. Das hat sich in den Revolutionen der Arbeiterklasse gezeigt, von ihr selbst kommt das Konzept. Das erste Mal tauchten Rätestrukturen auf, als 1871 die ArbeiterInnen von Paris die Kommune bildeten und kurzzeitig die Macht übernahmen. In der russischen Revolution haben die Arbeiterräte – auf Russisch „Sowjets“ – die bürgerliche Regierung gestürzt und eine Sowjetrregierung aufgestellt.

Auch an ihrer Funktionsweise wird deutlich, warum die Räteherrschaft proletarische Herrschaft sein muss. Die WählerInnen, die in Basiseinheiten organisiert sind, z.B. die ArbeiterInnen eines Betriebes, wählen Vertreter, die von ihren Wählern jederzeit abwählbar sind.

Diese Delegierten wählen nun wiederum Vertreter auf nächst höherer Ebene. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass stets die Interessen der Bevölkerung und nicht die Privatinteressen der Abgeordneten durchgesetzt werden.

Die Rätedemokratie verzichtet auf die bürgerliche Gewaltenteilung, denn eine Loslösung von der direkten Kontrolle durch den Souverän, das arbeitende Volk, wäre undemokratisch. Da durch die Delegierten ja bereits stets der Volkswille ausgeübt wird, können die Räte sowohl judikative (rechtsprechende), legislative (gesetzgebende) und exekutive (ausführende) Gewalt ausüben.

Grundlage der neuen Gesellschaft

Obwohl viel demokratischer als alles sonst Dagewesene, heißt Rätedemokratie immer noch Klassendiktatur. Diesmal allerdings Diktatur der Mehrheit (arbeitende Bevölkerung) über die Minderheit (ehemalige Kapitalisten). Aber erst von dieser Form der Klassenherrschaft aus, kann es zur Auflösung der Klassengegensätze und zur Entstehung der klassenlosen Gesellschaft kommen.

Die Entscheidung zwischen parlamentarischer Demokratie und Rätedemokratie muss immer als die Entscheidung zwischen der Diktatur der Kapitalisten und der Diktatur der LohnarbeiterInnen gesehen werden. Dieser Zusammenhang erklärt auch die Ablehnung der Rätedemokratie in bürgerlichen Kreisen und Parteien. Aber auch viele reformistische und stalinistische „Sozialisten“ wollen eine andere Gesellschaft über ein bürgerliches Parlament erreichen.

KommunistInnen sollten zwar an Wahlen teilnehmen und in Parlamenten arbeiten, um ihr Programm bekannt zu machen. Aber für eine sozialistische Perspektive ist es notwendig, die Räte, die in jeder größeren Protestbewegung entstehen, als Grundlage für eine neue Gesellschaft zu nehmen.

//von Jalava aus Kreuzberg und Sceles aus Wolfsburg //REVOLUTION Nr. 22

 

Karl Marx über die Rätedemokratie der Pariser Kommune

Die Kommune bildete sich aus den durch allgemeines Stimmrecht in den verschiedenen Bezirken von Paris gewählten Stadträten. Sie waren verantwortlich und jederzeit absetzbar. Ihre Mehrzahl bestand selbstredend aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der Arbeiterklasse. Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit. ...

Sämtliche Unterrichtsanstalten wurden dem Volk unentgeltlich geöffnet und gleichzeitig von aller Einmischung des Staats und der Kirche gereinigt. Damit war nicht nur die Schulbildung für jedermann zugänglich gemacht, sondern auch die Wissenschaft selbst von den ihr durch das Klassenvorurteil und die Regierungsgewalt auferlegten Fesseln befreit. ...

Die Pariser Kommune sollte selbstverständlich allen großen gewerblichen Mittelpunkten Frankreichs zum Muster dienen. ... die Kommune sollte die politische Form selbst des kleinsten Dorfs sein ... Die Landgemeinden eines jeden Bezirks sollten ihre gemeinsamen Angelegenheiten durch eine Versammlung von Abgeordneten in der Bezirkshauptstadt verwalten, und diese Bezirksversammlungen dann wieder Abgeordnete zur Nationaldelegation in Paris schicken; die Abgeordneten sollten jederzeit absetzbar und an die bestimmten Instruktionen ihrer Wähler gebunden sein.

Während es galt, die bloß unterdrückenden Organe der alten Regierungsmacht abzuschneiden, sollten ihre berechtigten Funktionen einer Gewalt, die über der Gesellschaft zu stehn beanspruchte, entrissen und den verantwortlichen Dienern der Gesellschaft zurückgegeben werden. Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen.

Quelle: Karl Marx. Der Bürgerkrieg in Frankreich.
http://www.mlwerke.de/me/me17/me17_319.htm

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