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Counterstrike verbieten?

„Killerspiele“ sollen verboten werden, während die Killer der Bundeswehr glorifiziert werden

„Sie animieren Jugendliche, andere Menschen zu töten. ... Das sind völlig unverantwort­liche und indiskutable Machwerke, die in unserer Gesellschaft keinen Platz haben dürfen.“ (Edmund Stoiber)

Um Missverständnissen vorzubeugen: Edmund Stoiber, bayrischer Ministerpräsident, redet nicht etwa von der Bundeswehrwerbung im Fernsehen. Er ist nämlich ein ziemlicher Militärfreak und Mitglied der Gebirgsschützenkompanie Wolfratshausen.

Er redet auch nicht vom Tag der offenen Tür bei der Berliner Bereitschaftspolizei, sondern von Computerspielen, welche sich unter Jugendlichen großer Beliebtheit erfreuen und die Stoiber gerne verboten haben möchte. Die Spiele könnten die Jugendlichen schließlich zu rachsüchtigen Killermaschinen machen, wie den 18jährigen Bastian B., der letzten November in seiner Schule sechs Personen an- und sich selbst erschoss.

Es stellt sich nur die Frage: Können rein fiktive Handlungen ganz alleine Menschen dazu bringen, diese auch in der Realität umzusetzen? Sind SchauspielerInnen, die im Fernsehkrimi Mörder spielen, gefährdet selber zu Killern zu werden? Führt häufiges Vorlesen von „Hänsel und Gretel“ zu dem Verlangen, alte Frauen in einen Brunnen zu schuppsen? Laut Jugend­szenen.com steigt die Anzahl der Personen, die sich in „Clans“ zusammenschließen und gegeneinander „daddeln“, seit 1997 jedes Jahr kontinuierlich an. Gleichzeitig ist die Zahl der Morde laut Polizeistatistik in der selben Zeit jedes Jahr zurückgegangen.

Wer also glaubt, Killer spielen alleine führt zu realen Mordorgien wie in Emsdetten oder Erfurt, kann beruhigt werden. Aber woran liegt es denn sonst? Der Täter gibt in seinem Abschiedsbrief, neben einigen ziemlich obskuren Gedankengängen selbst ein paar interessante Hinweise: „Das einzigste was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe war, das ich ein Verlierer bin... Mir wurde bewusst das ich mein Leben lang der Dumme für andere war... die Gesellschaft hat nunmal keinen Platz für Individualisten.“

In der Geschichte der kapitalistischen Gesellschaft wurden schon immer soziale „Verlierer“ am Fließband produziert und schon immer hat diese Tatsache einzelne Betroffene zu extremen Reaktionen provoziert. Bei einem Schul­massaker 1927 in Bath / Michigan in den USA wurden 45 Menschen getötet, Jahrzehnte bevor „Counterstrike“ überhaupt erfunden wurde. Als die Berlin-Kreuzberger Bevölkerung in einem spontanen Kiezaufstand am 1. Mai 1987 sich heftige Gefechte mit den Bullen lieferte, haben sie wohl kaum an Szenen aus „GTA“ gedacht, zumal auch diese Spiel erst zehn Jahre später erfunden wurde.

Genauso typisch ist es für kapitalistische und alle anderen vorangegangenen Gesellschaftsformen, Wutausbrüche und Verzweifelungstaten als Verstöße gegen die allgemeine „Moral“ zu charakterisieren und dies auf „moralische Verfehlungen“ einzelner Personen zurückzuführen. Aber während Politiker gegen „Killerspiele“ hetzen, wird mit und Infotischen an Schulen die Bundeswehr glorifiziert, die nicht auf elektronische Figuren sondern auf lebende Menschen schiesst. Die US-Armee nutzt sogr ein einges „Killerspiel“ namens Americas Army, um neue Rekruten fürs wirkliche Killen anzulocken.

Auch Bastian B. war jahrelang ein Schüler mit den selben Sorgen und Problemen, wie sie viele Millionen andere SchülerInnen auf dieser von Profitgier regierten Welt auch haben.

Deshalb ist es, Killerspiele hin oder her, nur eine Frage der Zeit bis sich eine solche Tat wiederholen wird. Es sei denn, wir stürzen diese Gesellschaft der Entfremdung, Ausbeutung und Perspektivlosigkeit für Jugendliche.

//von Carsten aus Lichtenberg //REVOLUTION Nr. 22

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