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Trotz Trotzki

Wäre der Revolutionär Leo Trotzki auch in der WASG?

Wer Zeitung liesst oder Fernsehen guckt, hat in den letzten Monaten zwangsläufig etwas über den Streit innerhalb der „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) mitbekommen.

Der Streit zwischen der Bundespartei und dem Berliner Landesverband – zwischen dem „Großen Vorsitzenden“ der Bundes-WASG, Oskar Lafontaine, und der „Vorzeigetrotzkistin“ der Berliner WASG, Lucy Redler – entfachte sich am Beschluss der BerlinerInnen, zur Abgeordnetenhauswahl im September 2006 gegen die PDS anzutreten. Entschieden wurde dies auf einem Berliner Parteitag – also durch eine demokratische Entscheidung in einer Partei, die sich die Demokratie dick in ihr Parteiprogramm und auf ihre Fahnen geschrieben hat.

"Wenn das Trotzkismus ist..."

Allerdings kam es sofort nach dieser Entscheidung zu einer breiten Protestwelle seitens des Bundesvorstandes, anderen Teilen der WASG und auch der PDS, die alle eine für das Jahr 2007 angestrebte Vereinigung von PDS und WASG gefährdet sahen. Letztendlich wurde dann am 14. Mai 2006 der Berliner Landesvorstand durch den Bundesvorstand abgesetzt. D.h. der Vorstand einer Partei, die gegründet wurde, um eine Opposition zur unsozialen Politik der etablierten Parteien zu machen, revidierte eine demokratisch gefasste Entscheidung eines Landesverbandes.

Doch damit nicht genug: wer noch vor der Bundestagswahl die Hoffnung hatte, dass die „neue Linke“ aus PDS und WASG eine starke linke Opposition bilden würde, wurde eines Besseren belehrt. Denn in den vergangen Monaten beschränkte sich die Linksfraktion darauf, Untersuchungsausschüsse zusammen mit FDP und Grünen einzuberufen. Während PDS-Abgeordnete in Berlin, Dresden und unzähligen Kommunen Sozialwohnungen privatisierten, 1-Euro-Jobs einführten, usw., war die Linksfraktion kaum bemüht, eine breite Protestbewegung gegen diese neoliberale Politik aufzubauen. Auch die Errichtung eines „Büros für die außerparlamentarische Opposition“ hilft hier nicht weiter.

Alles in allem muss man feststellen, dass die WASG einen „Wir sind die guten Sozialdemokraten“-Stil fährt. Somit stellt sie keine Perspektive für revolutionäre Linke dar – in ihrem Programm ist nichts als Vorschläge, wie man den Kapitalismus etwas menschlicher gestalten könnte. Es kann uns nicht um die Reform des bestehenden Staates, es muss um dessen Zerschlagung gehen.

Trotzkisten vs. Trotzkisten

Ganz anderer Meinung sind da jedoch sowohl die Sozialistische Alternative (SAV) als auch Linksruck. Beide bezeichnen sich als revolutionäre Organisationen, die sich auf die Tradition von Leo Trotzki stützen. Allerdings unterscheidet sich ihre Politik von den sonst propagierten Idealen: Beide Organisationen stehen felsenfest hinter dem reformistischen Wunschkatalog des WASG-Parteiprogramms.

"...dann bin ich kein Trotzkist"

So ließ Lucia Schnell (Linksruck) kurz nach der Bundestagswahl verlauten, dass sie für eine rot-grüne Koalition mit Duldung der Linksfraktion sei, da man ja so praktische die Regierungspolitik diktieren könne. Auch die SAV möchte die Beteiligung an einer „linken Regierung“ nicht ausschliessen – die Frage ist nur, wie eine Regierung im bürgerlichen Staat „links“ sein könnte. Solche Positionen lassen die Erfahrung außer Acht, dass viele kommunistische Parteien, die mit dem Ziel, den Staat von oben zu verbessern, einer bürgerlichen Regierung beigetreten sind, letztendlich nur kapitalistische Politik betrieben haben.

RevolutionärInnen müssen erkennen, dass die WASG allenfalls eine Plattform darstellt, um eigene Positionen einer breiten Masse zugänglich zu machen.

Eine wichtige Position der revolutionären Bewegung war und ist die Notwendigkeit, den Staat der Kapitalisten zu zerschlagen. Bei den „revolutionären“ Gruppen in der WASG ist von diesem marxistischen Grundsatz keine Spur zu finden.

In einem Punkt gehen SAV und Linksruck jedoch auseinander: Während Linksruck sich für eine möglichst schnelle Fusion mit der PDS ausspricht, ist die SAV für einen eigenen Wahlantritt gegen die PDS in Berlin.

Perspektiven

Doch warum sind sozialistische Gruppen überhaupt in so einer Partei? Beide Vereine sind der Meinung, dass die Menschen in der WASG – im Moment ein fortschrittlicherer Teil der deutschen Arbeiterklasse –, nun schon mit der alten Partei des Reformismus gebrochen haben und damit praktisch nur einen Schritt von einer revolutionären Haltung entfernt sind

Zugegeben, die Gründung der WASG stellt ohne Frage eine Spaltung innerhalb des Reformismus dar – dieses Durcheinander im reformistischen Lager kann für RevolutionärInnen günstig sein sein. Mit Mitgliedern der WASG soll man zusammen diskutieren und kämpfen.

Aber soll man deswegen ausschliesslich in der WASG arbeiten? Prinzipiell spricht nichts dagegen – man kann ja auch in einer Kirchengemeinde für Sozialismus argumentieren. Doch es ist nicht gerade erfolgsversprechend, wenn junge KommunistInnen keine Jugendarbeit mehr machen, damit sie einen Verein alter SPDler ein Stück nach links rücken können.

Überhaupt sollte man nicht erwarten, dass die Menschen in der WASG von allein ganz mit dem Reformismus brechen. Vielmehr ist es Aufgabe von RevolutionärInnen, auf die Widersprüchlichkeit und Perspektivlosigkeit des Reformismus aufmerksam zu machen. Das kann man nicht, indem man innerhalb der WASG für eine etwas „linkere“ Version ihres reformistischen Programms plädiert.

Der alte Trotzki hat mal gesagt: „Wer seinen Kommunismus vor den Massen versteckt, ist kein Kommunist.“ Wenn Trotzkisten sagen, sie würden „hinter dem Programm der WASG“ stehen –eigentlich müssten sie die entscheidensten GegenerInnen dieses Programms sein! –, dann begeben sie sich in dieses leicht durchschaubare Versteckspiel, das dem Trotzkismus einen so schlechten Ruf als Unterwanderer-Truppe gibt.

Aber „Trotzkismus“ ist nicht immer gleich „Trotzkismus“. Auch der Spitzenkandidat der PDS, Harald Wolf, versteht sich als „auf Trotzki bezogener Stalinismuskritiker“.

Wenn man Trotzki nur als „Sozialisten“ und „Stalinismuskritiker“ beschreibt, wird ihm dies nicht gerecht. Er war vor allem ein Revolutionär, der unermüdlich gegen jede Art von Reformismus gekämpft hat. „Das Schwierigste und Wichtigste ist die Befreiung vom Einfluss der öffentlichen bürgerlichen Meinung.“ Zu dieser bürgerlichen Meinung gehört die Auffassung, dass ArbeiterInnen nicht bereit wären, revolutionäre Ideen zu verstehen.

//von Antonio aus Tempelhof //REVOLUTION Nr. 18

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