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Was ist eigentlich ein... Generalstreik? Ich frage mich, Ich frage mich, Las Manos de Filippi, www.lasmanos.com.ar Die Massenproteste der letzten Monate in Nepal und Frankreich haben gezeigt, welche Kraft ein Generalstreik hat. Nepals König Gyanendra hat jede Auflockerung seiner Diktatur abgelehnt, bis ein 16tägiger Generalstreik seine Hauptstadt lahm legte. Dann hat er das Parlament nach mehr als einem Jahr wieder einberufen. Genauso ging es dem Premierminister Frankreichs: de Villepin wollte nicht über die Rücknahme des Ersteinstellungsvertrages (CPE) diskutieren, bis drei eintägige Generalstreiks das Land erschüttert haben. Das Gesetz wurde umgehend zurückgenommen. Massendemos, Blockaden und Besetzungen können den Forderungen der Massen Nachdruck verleihen. Aber erst wenn kein Zug mehr fährt, kein Fliessband mehr läuft, kein Laden mehr aufmacht – erst dann sind die Herrschenden bereit, auf jede Forderung einzugehen. Denn erst während eines Generalstreiks wird die Kraft der gesamten Arbeiterklasse sichtbar. Milliarden von Lohnabhängigen schuften Tag für Tag, um die Weltwirtschaft am Laufen zu halten – aber das merkt man erst richtig, wenn sie damit aufhören. Denn die ArbeiterInnen haben mehr Kraft als alle Armeen der Welt, wenn sie ihre Arme kreuzen und nichts tun. Und wenn sie etwas tun, haben sie die nötige Kraft, um die ganze Gesellschaft zu ändern. Anfänge Die ersten Massenstreiks der Geschichte entflammten während der russischen Revolution im Jahr 1905. Wie bei den meisten Massenaufstände gab es einen recht lapidaren Auslöser: zwei Arbeiter in der Putilow-Fabrik wurden wegen ihrer Mitgliedschaft in einem legalen Arbeiterverein entlassen. Die Belegschaft trat in den Streik, und als den wirtschaftlichen Forderungen politische Forderungen hinzugefügt wurden – etwa nach Redefreiheit –, dehnte sich die Streikbewegung über die ganze Stadt aus. Eine Massendemonstration, die von einem Priester angeführt wurde, sollte ein Katalog von Reformforderungen an den Zaren übergeben. Auf diese Menge haben Soldaten geschossen und über tausend ArbeiterInnen getötet. Für Forderungen, die sich auf einen Betrieb beziehen (wie Lohnerhöhung), reicht es oft, wenn ein Großteil der Belegschaft die Arbeit niederlegt. Aber vor 100 Jahren in Russland hat selbst die Forderung nach dem Recht auf Gewerkschaften die politische Ordnung, die Zarenherrschaft, in Frage gestellt. So konnte ein Streik zu einem Generalstreik und ein Generalstreik zu einem Arbeiteraufstand werden. Schon am Vorabend der Revolution legte der junge Revolutionär Leo Trotzki einen Aktionsplan in diesem Sinne vor: „Reisst die ArbeiterInnen weg von den Maschinen und Werkstätten; führt sie durch das Fabriktor und raus auf die Straße; führt sie in benachbarte Fabriken; ruft dort die Arbeitsniederlegung aus; und tragt neue Massen auf die Straße. Wenn ihr von Fabrik zu Fabrik geht, unterwegs wachst und jedes Hindernis der Polizei wegfegt, Passanten ansprecht und anzieht, die Straßen füllt, die ersten passenden Gebäude in Besitz nehmt, euch in den Gebäuden verschanzt und sie für ununterbrochene revolutionäre Versammlungen mit einem permanent wechselnden Publikum nutzt, so bringt ihr Ordnung in die Bewegung der Massen; so werdet ihr die Stadt in ein revolutionäres Lager verwandeln – das ist der Aktionsplan.” Träumereien Bis zu dem Zeitpunkt galt der Generalstreik als eine anarchistische Träumerei – die Vorstellung, dass man ohne systematische Organisierung den Kapitalismus mit einem Schlag abschaffen könnte, ist tatsächlich ein Traum. Theoretiker der Arbeiterbewegung dachten, die sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften würden immer größere Schichten der Arbeiterklasse organisieren, bis sie friedlich die politische Macht übernehmen könnten. Doch zur Jahrhundertwende haben immer mehr marxistische Linke gesehen, dass die Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Systems, das immer wieder imperialistische Kriege und Wirtschaftskrisen hervorbringt, eine solche Entwicklung unmöglich macht. Durch den Generalstreik könnte sich eine Massenbewegung entwickeln die, die Gesellschaft umgestaltet. Darin erkannte Rosa Luxemburg einen großen Wert: Der Streik weckte „zum ersten Mal Klassenbewusstsein in den Millionen und aber Millionen wie durch einen elektrischen Schlag“. Damit der Masse „plötzlich scharf und scheidend die Unerträglichkeit jenes sozialen und ökonomischen Daseins zum Bewusstsein kam, das sie Jahrzehnte in den Ketten des Kapitalismus geduldig ertrug. Es beginnt ein spontanes Rütteln und Zerren an diesen Ketten.” Erst durch dieses politische Erwachen, das ein Massenstreik für die Mehrheit der ArbeiterInnen erst möglich macht, ist die Voraussetzung für eine revolutionäre Entwicklung geschaffen. Aber ein spontaner Streik ist längst keine Revolution: um die Produktionsmittel zu übernehmen und zu verwalten, um den bürgerlichen Staatsapparat zu zersetzen und eine neue Macht der ArbeiterInnen aufzubauen, ist eine politische Organisierung notwendig, eine revolutionäre Organisation. Erst aus den praktischen Kampferfahrungen des Generalstreiks können die Perspektiven der revolutionären Organisation für die gesamte Klasse greifbar werden. Ablehnungen Auch die reformistischen Gewerkschaftsführer in Deutschland, die den Generalstreik zunächst als „Generalunsinn“ beschimpft haben, mussten einmal zu diesem Kampfmittel zurückgreifen. Als der reaktionäre General Kapp 1920 gegen die Weimarer Republik einen Putsch organisierte, konnte ein landesweiter Streik die Putschisten komplett aufhalten. Auch die Machtübergabe an die Faschisten hätte möglicherweise durch einen Generalstreik verhindert werden können. Dass das gar nicht versucht wurde, lag einerseits an den sozialdemokratischen Gewerkschaftsführern, die sich mit der Nazidiktatur arrangieren wollten, anderseits an der ultralinken Politik der stalinistischen KPD, die bis nach dem Sieg der Faschisten jegliche gemeinsame Aktion mit den Sozialdemokraten ablehnte. Seit über achtzig Jahren gab es keinen Generalstreik in Deutschland. Aber die Krise des Kapitalismus, die Sozialabbau erfordert, macht solche Massenstreiks nötiger denn je. Zum Beispiel soll bald in Deutschland den Kündigungsschutz aufgelockert werden (ähnlich wie das CPE-Gesetz in Frankreich). Wie die Erfahrung in Frankreich zeigt, ist das einzige Mittel, das diese Gesetze verhindern könnte, der Generalstreik. Die Montagsdemos setzten ein Zeichen gegen HartzIV, jedoch mit Montagsstreiks wären die Hartz-Gesetze nie durchgekommen. Deshalb muss man die Gewerkschaftsführungen immer wieder zu solchen Aktionen auffordern. Natürlich sind im heutigen Deutschland politische Streiks illegal – darauf verweisen die Gewerkschaftsführer, die sich penibel an die bürgerliche Legalität halten. Aber die Gewerkschaften selbst waren auch mal illegal. Jedes Recht der Arbeiterbewegung musste hart erkämpft werden – ein Recht auf Generalstreik bekommt man dadurch, dass man ein Generalstreik organisiert! Die Herrschenden erlassen Gesetze gegen Streiks, denn ein unbefristeter Generalstreik stellt die Frage: wer kontrolliert die Gesellschaft? Wenn diese Machtfrage gestellt ist, kann sie auch von den ArbeiterInnen beantwortet werden. Aus dem Streik wächst, so Rosa Luxemburg, „eine gänzliche Unterwühlung des gesellschaftlichen Bodens, das Unterste muss nach oben, das Oberste nach unten gekehrt, die scheinbare ‚Ordnung‘ in ein Chaos und aus dem scheinbaren Chaos eine neue Ordnung umgeschaffen werden.” //von Huey aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 18 |
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