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Die Linkspartei wählen? Lieber...

Organisieren und selbst kämpfen!

Am 18. September gibt es Bundestagswahlen.

Der Wahlkampf ist allgegenwärtig: Gelaber in den Talkshows, lächelnde Masken auf den Wahlplakaten, bunte Wahlkampfbusse mit den SpitzenkandidatInnen. Doch wer interessiert sich schon für diese Wahlen? Schrödermerkelfischerwesterwelle benutzen zwar leicht unterschiedliche Parolen, vertreten aber im Grunde dasselbe Programm: weitere Demontage der Sozialleistungen, Hetze gegen MigrantInnen, Abschiebung von Flüchtlingen, Aufrüstung der Bundeswehr, Einschnitte in demokratische Rechte. Keine der etablierten Parteien verspricht Verbesserungen, außer dem abstrakten Bekenntnis für „mehr Arbeit“. In einer Zeit, in der deutsche Großkonzerne Rekordgewinne verbuchen, sollen „alle“den Gürtel enger schnallen.

Das heißt, bei der Wahl wird lediglich entschieden, welche Koalition mit welcher Mehrheit diesen Gürtel enger zieht.

Entsprechend wenig begeistert schauen Jugendliche auf diese Wahl – die meisten geben sich nicht mal die Mühe, die Wahlplakate der CDU zu beschädigen. Nicht weil wir „unpolitisc“ sind, sondern weil wir in diesem System weniger Rechte haben. Wer unter 18 ist, darf nicht an der Wahl teilnehmen. Auch jenen Menschen, die keinen deutschen Pass besitzen, bleiben die Wahllokale versperrt. Wir fordern deshalb das uneingeschränkte Stimmrecht für alle hier lebenden Menschen ab dem 16. Lebensjahr! Wer alt genug ist, um für einen Billiglohn ausgebeutet zu werden, ist auch alt genug zum Wählen.

WIESO  gibt es Neuwahlen?
Die Neuwahlen finden statt, weil die rot-grüne Bundesregierung kaum noch eine Basis in der Bevölkerung hat. In den letzten 7 Jahren haben Schröder, Fischer und Co. eine Verschlechterung nach der anderen für die Massen in der BRD durchgeführt. Mit dem Reformpaket „Agenda 2010“ wurden bei allen Sozialleistungen massive Kürzungen vorgenommen. Jetzt brauchen die Herrschenden eine neue, stärkere Regierung, um weitere Verschlechterungen durchzudrücken: am besten CDU/FDP, notfalls auch eine Große Koalition aus CDU und SPD.

Jugendliche sind von den „Reformen“ besonders hart betroffen: StudentInnen müssen 500 Euro oder mehr pro Semester zahlen, SchülerInnen müssen ihre Schulbücher selbst kaufen, über 100.000 Jugendliche bekommen keinen Ausbildungsplatz. Arbeitslose unter 25 mussten die schärfsten Angriffe hinnehmen: wenn sie einen ein Ein-Euro-Job ablehnen, kann ihnen jede Form von Arbeitslosenunterstützung für bis zu drei Monate gestrichen werden.

Trotz der dauernden Klagen über die „leeren Kassen” wurden Milliarden ausgegeben, um für Konzerne und Spitzenverdiener die Steuern zu senken und die Bundeswehr aufzurüsten.

Diese Regierungspolitik hat große Zustimmung bei den deutschen Kapitalisten hervorgerufen, aber Millionen von ArbeiterInnen, die in der SPD „ihre“ Partei sahen, haben sich deswegen von ihr abgewandt. Deshalb gab es die spontanen Montagsdemos, Massenproteste wie die am 3. April 2004, die Auseinandersetzungen in Betrieben wie Opel Bochum und BSH Berlin. Deshalb hat die SPD eine Landtagswahl nach der anderen sowie Hunderttausende Mitglieder verloren.

Jetzt wirkt es, als würde die SPD gegen sich selbst Wahlkampf machen. Nach Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42 Prozent, was milliardenschwere Steuergeschenke für die Konzerne bedeutet, prangert die SPD „gewissenlose Unternehmer“ und „wilden Kapitalismus“ an. Nach den Hartz-IV-Reformen, die hunderttausende Arbeitslose in Armut und Zwangsarbeit gedrängt und allgemein die Löhne gedrückt haben, hat die SPD ihren Sinn für „soziale Gerechtigkeit“ wieder entdeckt. Nachdem sie die Bundeswehr nach Afghanistan, Afrika und auf den Balkan geschickt hat, fordert sie jetzt „Friedenspolitik“.

Bei den Grünen sieht es nicht anders aus. Nachdem sie einem Angriffskrieg gegen Jugoslawien und der Privatisierung der Kindertagesstätten zugestimmt haben, plakatieren sie Parolen über „Frieden“ und „Familienpolitik“. Auch aus dem versprochenen Atomausstieg wurde nichts – immer noch rollen Castortransporte durch die BRD. Trotzdem versprechen die Grünen weiter den Ausstieg, als hätten sie nicht eben 7 Jahren an der Regierung verbracht.

Aber all das täuscht nicht darüber hinweg: SPD und Grüne betreiben Sozialabbau.

WESHALB  wird Sozialabbau betrieben?
Schröder hat immer wieder betont, dass es zu seiner Regierungspolitik „keine Alternative“ gäbe. Ausnahmsweise müssen wir ihm zustimmen: wenn es der deutschen Wirtschaft gut gehen soll, dann müssen ArbeiterInnen und Jugendliche Verschlechterungen hinnehmen.

Auf dem Weltmarkt müssen deutsche Konzerne zunehmend direkt gegen ihre amerikanischen Konkurrenten auftreten – und sie haben einen massiven Nachteil, wenn ArbeiterInnen hierzulande höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten haben. Denn gegenwärtig werden die amerikanischen ArbeiterInnen noch viel stärker ausgebeutet: sie arbeiten im Durchschnitt fast 50 Stunden die Woche, mit 10 Tagen Urlaub im Jahr, für weniger Lohn.

In anderen EU-Ländern läuft das gleiche Programm ab: Abschaffung der 35-Stunden-Woche in Frankreich, Privatisierung des Gesundheitssystems in Britannien, Lockerung des Kündigungsschutzes in Italien usw. usf. Der Sozialabbau liegt in der Logik des globalen Kapitalismus und macht uns zu Leidensgenossen der ArbeiterInnen und Jugendliche in anderen Ländern. Es liegt also nicht an „schlechter Politik“ und auch nicht daran, dass die Politiker böswillig sind (auch wenn sie es sind!).

Deshalb stimmen alle im Bundestag vertretenen Parteien mit der Agenda 2010 überein. SPD und Grüne wollen am „Reformkurs“ festhalten, CDU/CSU und FDP wollen den Sozialabbau noch verschärfen.

Aber es gibt eine Ausnahme: Das Bündnis um die Linkspartei bildet sich aus der PDS und der WASG (letztere ist v.a. eine Gruppe von GewerkschaftsfunktionärInnen und Intellektuellen, die vor einem Jahr die SPD verlassen haben). Sie treten als „Opposition gegen den neoliberalen Einheitsbrei“ auf.

Aber ist die Linkspartei so oppositionell, wie sie vorgibt? Die PDS sitzt in den Landesregierungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, wo sie Hartz IV, Privatisierungen und weitere neoliberale Maßnahmen durchsetzt. Die Stars der Linkspartei, Lafontaine und Gysi, spekulieren schon darüber, unter welchen Bedingungen sie später mit der SPD eine Regierung bilden könnten. Das ist verständlich, denn sie haben nicht das Ziel, den Kapitalismus abzuschaffen, sondern wollen ihn nur etwas „menschlicher“ gestalten.

Die Politik der Linkspartei ist nichts anderes als der Versuch, die alten sozialdemokratischen Rezepte der 70er und 80er Jahre wieder aufzuwärmen. Das sieht man selbst am Personal. Spitzenkandidat Lafontaine war Vorsitzender der SPD bis Ende der 90er Jahre. (In den letzten Jahren arbeitete er als Kolumnist für die rechte Bild-Zeitung und wurde so zum Millionär!)

Doch die Vorstellungen der Linkspartei von „sozialer Gerechtigkeit“ sind genauso veraltet wie sie selbst – es ist der Versuch, große Teile der Bevölkerung durch eine kleine Beteiligung an den Gewinnen zufrieden zu stellen. Doch diese „soziale Marktwirtschaft“ funktionierte bisher nur, weil die BRD ein reiches imperialistisches Land war und ist, sprich: es wurde auch über die Ausbeutung der Menschen in der „3. Welt“ finanziert. Aber diese Vorstellung vom “gezähmten Kapitalismus” ist aufgrund der verschärften internationalen Konkurrenz nicht mehr möglich.

WARUM  trotzdem Linkspartei wählen?
Die Linkspartei tritt offen gegen die Agenda 2010 und Hartz IV auf. Jede Stimme für sie ist eine Stimme der Ablehnung der CDU/SPD/FDP/Grünen-Politik.

Durch das Zusammengehen von PDS und WASG wird eine Neuformierung der Linken eingeleitet. Es werden Debatten stattfinden, welche Partei die Linke braucht. In dieser Situation ist es wichtig, dass junge Linksradikale und RevolutionärInnen sich mit ihren eigenen Konzepten einmischen.

Außerdem soll die Wahl der Linkspartei dazu dienen, ihre Wahlversprechen zu testen. Gysi und Lafontaine versprechen, eine wirkliche Opposition im Bundestag zu bilden und von dort aus den Widerstand auf der Straße zu stärken – das wollen wir natürlich auch! Jedoch saßen die meisten Linkspartei-PolitikerInnen schon jahrelang in Parlamenten – und was haben sie damals wirklich gemacht, um Protestbewegungen aufzubauen? Nichts!

Nach dieser Erfahrung glauben wir nicht, dass die PDS-WASG die „außerparlamentarische Opposition im Parlament“ darstellen wird. Vielmehr werden sie die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus anprangern, um dann jede Art von Militarismus und Sozialabbau „protestierend“ mit zu tragen. Aber das werden die Millionen Menschen, die aufgrund berechtigter Enttäuschung mit der SPD die Linkspartei wählen, nicht nur aus unseren Flugblättern lernen, sondern eher, wenn sie das selbst in der Praxis erleben.

DESHALB  selbst aktiv werden!
Viel wichtiger als die Wahlergebnisse ist, was linke Jugendliche, MigrantInnen und ArbeiterInnen vor und nach der Wahl tun, um den Widerstand gegen die kommende Regierung – egal, wer sie stellt – zu organisieren. Diese Regierung wird sich über die Anti-Sozialabbau-Anträge einer linken Fraktion im Bundestag tot lachen. Sie wird aber weniger lachen, wenn ihr die ersten Streiks in Betrieben, Massenproteste gegen Sozialabbau, Verhinderung von Naziaufmärschen usw. entgegenstehen.

Um solche durchführen zu können, müssen wir Jugendliche die Wahlkampfperiode und die Formierung der Linkspartei nutzen, um eigene Strukturen aufzubauen: Anti-Sozialabbau-AGs auf Schulen, sozialistische Listen auf Unis, gewerkschaftliche Oppositionsgruppen in Betrieben, Antifa-Strukturen im Stadtteil. Das heißt Strukturen, die den Kampf gegen Sozialabbau, Rassismus und Krieg koordinieren und vorantreiben können. Unser Ziel ist es nicht, jeden Tag bis zur Unendlichkeit gegen Angriffe der Herrschenden zu protestieren – wir wollen das System stürzen, das solche Angriffe überhaupt notwendig macht.

Dazu müssen unsere demokratischen Strukturen die Gesellschaft verwalten, im Sinne der Bedürfnisse der breiten Massen und nicht der Profite einer kleinen Minderheit. Das geht aber nicht über das Parlament oder nur durch Wahlen. Dazu ist es notwendig, die Macht der Kapitalisten – ihre Polizei, ihre Armee, ihren Staat – zu zerbrechen und an ihrer Stelle eine weltweite sozialistische Gesellschaft aufzubauen.

Es geht darum, den 18. September sinnvoll zu nutzen: nicht (nur) im Wahllokal, sondern als Vorbereitung für die bevorstehenden Kämpfe gegen die kommende Regierung und gegen den Kapitalismus. Wahlen gibt es nur alle vier Jahre. Sich organisieren und Widerstand leisten – das kann man jeden Tag!

//Wahlaufruf von REVOLUTION //REVOLUTION Nr. 13

//Dieser Aufruf als Flyer (572 KB)

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