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Die Revolution der Tulpen

Wann ist eine Revolution gar keine? Wenn sie von den imperialistischen Mächten begrüßt wird.

Nach der der „Rosen-Revolution“ in Georgien und der „Orangen Revolution“ in der Ukraine fand jetzt in Kirgisien die „Tulpen-Revolution” statt – eine weitere Blümchenrevolution, ein weiterer „demokratischer Umsturz“, der in den westlichen Medien bejubelt wird. Diese “Revolution” bedeutete der Sturz des eher prorussischen Präsidenten Akajew.

Der Sturz

Am 24. bzw. 25. März 2005 hatte sich die ohnehin schon kritische Lage in Kirgisien zugespitzt. Nach einer umstrittenen Präsidentschaftswahl erstürmten mehrere tausend DemonstrantInnen in der Hauptstadt Bischkek den Regierungs- und Präsidentensitz. Vor dem Sturz sind die staatlichen Ordnungskräfte immer passiver geworden und liefen teilweise schon zu den späteren Siegern über.

In den bürgerlichen Medien war viel von „kriminellen Energien“ zu hören, die sich nach dem Sturz entwickelten, was allerdings sehr vereinfacht dargestellt ist. Am Anfang stürmte die aufgebrachte Menge die Einkaufszentren, die dem Sohn des gestürzten Präsidenten gehörten. Dann plünderten die Kirgisen aus den ärmlichen Provinzen alles – im Grunde nahmen sie sich nur das, was sie sonst nie kriegten.

Am 25. März wurden die Toten bei den Ausschreitungen auf fünf bis hundert geschätzt.

Das Parlament setzte Kurmanbek Bakijew für eine Übergangszeit als Regierungschef und Präsidenten ein. Er ist Geschäftsführer der Clans im Süden des Landes und einer der reichsten Männer Kirgisiens. Im nördlichen Landesteil ist er allerdings eher unpopulär. Zwischen den Clans, die kriminelle Strukturen mit Drogen- und Waffenhandel entwickelt haben, gibt es Konflikte.

Die Massenstimmung bei dem Sturz wurde von einer rohen Umverteilungswut dominiert und hatte kaum Bezug entweder zu den Wünschen der Clans oder zu den westlich-liberalen Vorstellungen von „demokratischen Umwälzungen“.

Der gestürzte Präsident floh nach Kasachstan. Vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, welcher den Machtwechsel als „völlig illegitim“ bezeichnete, wurde ihm Asyl angeboten. Auf der anderen Seite meinte er, dass sich Moskau nicht in die kirgisischen Angelegenheiten einmischen wird und die in Kirgisien stationierten Truppen aus dem Konflikt herausgehalten werden.

Washington beteuert den Umsturz nicht herbeigeführt zu haben. Aber die USA haben ebenfalls nahe Bischkek einen Truppenstützpunkt.

Die europäischen und US-Imperialisten hoffen darauf, dass die „demokratischen Revolutionen“ der Ukraine und Georgiens auf Länder wie Belarus, Armenien und wie jetzt Kirgisien überschwappen. In den kommenden Jahrzehnten werden sich die wirtschaftlichen Interessen der EU nach Eurasien verlagern.

Imperialistische Interessen

Die mittelasiatische ehemalige Sowjetrepublik Kirgisien grenzt im Norden an Kasachstan und im Osten an China. Südwestlich von Kirgisien liegt Afghanistan – eine interessante Region für verschiedene imperialistische Mächte.

Schon im 19. Jahrhundert gab es englisch-russische Rivalitäten um die rohstoffreiche Region. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion haben sich diese mit den weiteren Konkurrenten USA und China fortgesetzt. Ab 1991 haben sich die neu entstandenen Staaten Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan teils mit China, teils mit Moskau und teils mit dem Westen verbandelt. Nach dem 11. September 2001 hat die USA ihren Einfluss verstärkt, indem sie mit Kasachstan und Tadschikistan Zusammenarbeit beim „Krieg gegen den Terror“ vereinbart hat und in Usbekistan und Kirgisien Stützpunkte errichtet hat. Mit dem Irak-Krieg im Frühjahr 2003 hat Washington angesichts der deutlich werdenden strategischen US-Interessen seine Machtposition eingebüßt.

Die zentralasiatischen Staaten wandten sich nun an Russland und China. Diese banden die zentralasiatischen Staaten verstärkt in ihr Geflecht aus politischen und militärischen Vereinbarungen ein: Russland stationierte Truppen in Kirgisien und Tadschikistan. Anfang Februar diesen Jahres lehnte Kirgisien den USA die Stationierung von AWACS-Überwachungsflugzeugen ab. Auf der anderen Seite genehmigte es Russland die Erweiterung ihres Stützpunktes.

Mit Georgien, der Ukraine und nun Kirgisien schwindet die russische Vormachtrolle in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Das obwohl doch Wladimir Putin schon meinte dem Bedeutungsverlust der strauchelnden Großmacht wettzumachen und sich in Anlehnung an Peter den Großen schon als „Sammler russischer Erde“ bezeichnete. Wie Russland “sein” Land sammelt, zeigen die komplette Zerstörung und Hunderttausende Tote in Tschetschenien. Es ist unwahrscheinlich, dass Russland in unruhigen Zeiten mehr Fingerspitzengefühl in Zentralasien anwenden wird.

In Zukunft könnten in Kirgisien und Usbekistan bisher hintergründige radikal islamistische Bewegungen, wie die Hisbut- Tahrir im Fergana-Tal und im Süden Kirgisiens, die dort eine erhebliche Gefolgschaft haben, erstarken. Diese stellen allerdings eine Gefahr für alle fortschrittlich denkenden Menschen, die gegen Sexismus, Homophobie und Religion kämpfen dar.

Revolutionäres Potential

Die Spaltung der Polizei in Kirgisien hat gezeigt, dass diese in starken Aufruhrperioden ins schwanken gerät und nicht immer eine feste Position einnimmt. Das zeugt einerseits daher, dass sie meist nicht mit den alten Machtverhältnissen brechen will aber auch Angst vor der Wut der Aufständischen hat. Diese Schwäche der Polizei zeigt, dass die Arbeiter und Armen vereinigt eine schwer besiegbare Kraft darstellen können.

Die unteren Schichten der kirgisischen Bevölkerung brauchen keine Regierung, die aus irgendwelchen Clans hervorgeht, welche aus dreckigen Drogen- und Waffengeschäften profitieren. Vielmehr benötigen sie eine Arbeiter- und Bauernregierung, die ernsthaft die Interessen der verarmten Kirgisen vertritt.

//von Till aus Lichtenberg //REVOLUTION Nr. 11

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