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60 Jahre Befreiung vom Faschismus

...aber wie lange bis zur Befreiung vom Kapital?

Im Mai 1945 wehte die rote Hammer-und-Sichel-Fahne vom Reichstag über Berlin. Im Mai 2005 wehen über Berlin ganz andere Fahnen: auf dem Hamburger Bahnhof, nicht weit vom Reichstag entfernt, wehen gelb-lila Fahnen der „Flick-Collection“. Mehr als die Farbpalette hat sich geändert: Friedrich Christian Flick, dem die ausgestellte Kunstsammlung gehört, ist der Enkel von Friedrich Flick, dem reichsten Mann Nazideutschlands.

Schon in der Weimarer Zeit hatte Flick großzügig an die NSDAP gespendet. Unter dem Faschismus erhielt er zahllose Rüstungsaufträge und baute sich ein großte Industrieimperium auf. Dazu ließ er bis zu 50.000 ZwangsarbeiterInnen für sich schuften.

1947 wurde er wegen Kriegsverbrechen verurteilt – doch nach drei Jahren Haft war er wieder frei. Ein Großteil seines Vermögens hat er wieder bekommen, und stieg erneut ins Rüstungsgeschäft ein. So wurde er wieder zum reichsten Mann Deutschlands – was ihn nicht daran hinderte, jede Entschädigung an die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen zu verweigern. Sein Erbe sieht ebenfalls keinen Anlass, ihnen einen Teil des von ihnen erarbeiteten Vermögens zurückzugeben. Stattdessen soll die Ausstellung der Flick-Collection, die mit Geld aus der Nazi-Zeit gekauft wurde, dazu dienen „die Wunden der Nazi-Zeit zu heilen.“

Das Kapital

Flick ist nur ein Beispiel unter vielen dafür, dass die Profiteure des Faschismus auch in der heutigen „Demokratie“ das Sagen haben – und nicht nur in den Kunstmuseen. Den Konzernen, die durch Aufrüstung der Wehrmacht, durch die Unterdrückung der Arbeiterbewegung und die Überausbeutung von Millionen ZwangsarbeiteriInnen riesige Gewinne machten, gehören nach wie vor die Produktionsmittel, also die gesamte Wirtschaft.

So baute Daimler-Benz Fahr- und Flugzeuge für das Naziregime und schaffte es innerhalb von neun Jahren seinen Umsatz zu verzehnfachen. Die Lufthansa organisierte Transporte für den faschistischen Franco-Putsch in Spanien. Der Stahlkonzern Krupp finanzierte die Nazis schon seit Ende der 20er Jahre.

Die Konzerne, die Faschismus und Krieg unterstützt und mit Hilfe der Nazis Milliarden verdient haben, wurden nach 1945 trotz der „Entnazifizierung“ nicht enteignet; ihre Profite, die sie unter dem Hakenkreuz gemacht hatten, wurden über Argentinien oder die Schweiz ins „demokratisierte“ Deutschland zurückgeholt.

Hierbei geht es nicht um schwarze Schafe, es gab keine Trennung zwischen „Nazi-Kapitalisten” und „guten Kapitalisten”. Auch der „Muster-Menschenfreund“ Oskar Schindler konnte nur so viele Leben retten, weil er ZwangsarbeiterInnen eingesetzt und von ihrer Ausbeutung profitiert hat! Alle deutschen Konzerne waren in das nationalsozialistische System integriert.

Der Faschismus

Aber wie war die Machtübernahme durch die Nazis überhaupt möglich?

Die Revolution von 1918/1919, die gigantischen Klassenkämpfe der 20er Jahre warfen die Frage der Macht immer wieder auf. Wer kontrolliert die Fabriken? Die Kapitalisten oder die Arbeiterklasse? Als die Krise des Systems sich immer weiter vertiefte, kam das Kapital zum Schluss, dass sie die Arbeiterbewegung komplett zerschlagen mussten. Hitler und seine SA-Banden waren das perfekte Werkzeug dafür.

Seine Massenbasis hatte der Faschismus nicht in der Arbeiterschaft, sondern im durch die Krise ruinierten und radikalisierten Kleinbürgertum, d.h. den kleinen Unternehmern und den kleinen Beamten. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen Faschismus und „normaler“ kapitalistischer Reaktion. Die NSDAP war nicht nur ein Wahlverein, sie war eine Terrorbewegung, die als Rammbock gegen die bürgerliche Demokratie und gegen die Arbeiterbewegung eingesetzt werden konnte.

Es ist ein Wesen des Kleinbürgertums, dass es zwischen Bourgeoisie und Proletariat schwankt. Einerseits will es hoch hinauf zu den Reichtümern und Privilegien des Kapitals, anderseits ist es davon bedroht, ins Proletariat abzustürzen. Das Kleinbürgertum ist der Nährboden für die Massenbewegung des Faschismus; aber das Kleinbürgertum kann nie die Macht an sich reißen. Es kann höchstens für die Diktatur einer anderen Klasse (Kapitalisten oder Arbeiter) kämpfen.

Es ist kein Geheimnis, dass Hitler massive Finanzspritzen aus der Wirtschaft bekam. Viel gewichtiger war jedoch der Zuspruch, den Hitler durch das Kapital erhielt – spätestens nach seiner Rede im Düsseldorfer Industrieclub am 27. Januar 1932, wo er viele Konzernspitzen hinter sich bringen konnte, die ihn vorher nur verdeckt oder gar nicht unterstützt hatten.

Es lag schon in der Programmatik der Nationalsozialisten die Arbeiterorganisationen zu zerschlagen und die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse beizubehalten. Diese beiden Aspekte machten die Faschisten für die Bourgeoisie attraktiv.

Hitler ist nicht durch Wahlen an die Macht gekommen – ihm wurde die Macht in die Hände gegeben. Schon Anfang 1933 wurde er vom Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. Bei den folgenden Wahlen im März erreichte die NSDAP trotz Straßenterror ihrer SA nicht die absolute Mehrheit; sie schaffte es jedoch, die Regierung zu stellen.

Insofern waren es nicht einfach „die Deutschen“, die Hitler ins Amt gebracht haben. Unterschiedliche Klassen der Bevölkerung hatten unterschiedliche Haltungen: die Kapitalisten haben Hitler finanzielle und politische Unterstützung gegeben. Jedoch bei Wahlen in den Gewerkschaften im April 1933, als alle Arbeiterparteien bereits verboten waren, erhielten die Nazi-Kandidaten lediglich 10-15% der Stimmen. Es dauerte Jahre bis der Widerstand der Arbeiterbewegung in Wedding und Neukölln komplett ausgerottet werden konnte.

Die Wiederkehr

Die staatliche Politik ist durchdrungen von dem Versuch die nationalsozialistische Vergangenheit des deutschen Imperialismus als „Geschehnisse von gestern“ abzutun. Deshalb forderte Kanzler Schröder einen „Schlussstrich“ bei der Aufarbeitung der Nazigeschichte. In diesem Sinne verkündet Innenminister Otto Schily, dass die historische Pflicht Deutschlands schon erfüllt sei – als er Roma abschiebt und die Grenzen für JüdInnen aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion schließt.

Aber so lange kapitalistische Verhältnisse herrschen, werden neue Krisen und neue Kriege wieder ausbrechen und die Nazibewegung wieder aufflammen.

Deshalb drängt das deutsche Kapital wieder auf eine aggressive imperialistische Politik – die Bundeswehr wird aufgerüstet um Afghanistan, den Balkan, und Teile Afrikas zu besetzen. Dieser Expansionszwang, was zu den Verbrechen der Nazi-Zeit führte, liegt immer noch in der Logik des Systems.

Und so lange Menschen ausgebeutet werden wird es Schläger geben, die das System der Ausbeutung aufrecht zu erhalten versuchen.

Wenn wir den Faschismus ausrotten wollen, müssen wir die Menschheit vom Joch der Kapitalherrschaft befreien!

//von Okko aus Osnabrück und Wladek aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 11

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