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Antifaschistische Siegermächte?

Am Tag der Befreiung wollen sich viele AntifaschistInnen bei den Alliierten bedanken. Aber haben die USA und England den Krieg geführt, um die Welt vom Faschismus zu befreien?

In der offiziellen Geschichtsschreibung wird der Zweite Weltkrieg als Krieg zwischen „Demokratie“ und „Faschismus“ dargestellt.

Doch beim Irak-Krieg waren die offiziellen Kriegsgründe – „die Suche nach Massenvernichtungswaffen“, „der Kampf gegen den Terrorismus“, „Demokratie“, usw. – nur eine Deckung für das wirkliche Vorhaben: die Eroberung des irakischen Öls. Und das wusste jedeR SchülerIn auf der Welt_Anlass zu den riesigen Demos unter dem Motto „Kein Krieg für Öl“.

Deshalb sollte man hinterfragen, was die wirklichen Gründe für den Zweiten Weltkrieg waren.

Nach dem Ersten Weltkrieg befand sich der Kapitalismus in einer tiefen, weltweiten Krise. In Russland hatte die Arbeiterklasse den Kapitalismus bereits gestürzt; die Ausweitung der proletarischen Revolution drohte, vor allem in Deutschland. Aufstände in den Kolonien brachten die Herrschaft der Kolonialmächte ins Wanken.

Damit verschärfte sich die Konkurrenz unter den entwickeltsten kapitalistischen Ländern. Der Erste Weltkrieg hatte die Frage der imperialistischen Vorherrschaft über die Welt nicht gelöst. Britannien und Frankreich dominierten weiter große Teile der Welt als Kolonialmächte.Die USA hatten sich zur größten Industrienation entwickelt und untergruben die Vorherrschaft Britanniens als führende Kolonial- und Finanzmacht permanent.

Die Expansion des deutschen und japanischen Kapitalismus nahm aufgrund der Tatsache, dass sie über keine Kolonialgebiete verfügten, eine besonders aggressive Form an. Im imperialistischen System wird die Welt unter den großen Mächten aufgeteilt, und Deutschland konnte nur neue Einflusssphären durch die Verdrängung anderer Großmächte gewinnen.

Die Angst vor der proletarischen Revolution (1918, 1923, Weltwirtschaftskrise) und die Zugeständnisse der Weimarer Republik gegenüber der Arbeiterbewegung waren die Ursache dafür, dass das deutsche Kapital auf die faschistische Herrschaft setzte. Der deutsche Imperialismus musste für einen aggressiven Eroberungskurs zur Neuaufteilung der Welt auf eine faschistische Herrschaftsform zurückgreifen, um jeden Gegensatz im eigenen Lande blutig zu unterdrücken.

Die Kriegsziele Nazideutschlands (wie seiner Verbündeten Japan und Italien) waren offenkundig reaktionär und imperialistisch. Aber auch die Kriegsziele der „demokratischen“ Imperialismen waren alles andere als „fortschrittlich“ oder „antifaschistisch“.

USA

Die herrschende Klasse der USA verfolgte zwei zentrale Kriegsziele: einerseits einen Sieg über Deutschland und Japan, andererseits das Aufbrechen des britischen Kolonialreiches, um so den Weltmarkt der amerikanischen Industrie zu sichern.

Bis 1941 versuchten die USA diese Ziele mit ökonomischen Mitteln zu erreichen. Durch Verkauf kriegswichtiger Güter an Britannien und Frankreich wurde die US-Industrie massiv angekurbelt, Frankreich und Britannien bei den USA total verschuldet.

Die US-Regierung erkannte jedoch, dass die Erringung der globalen Vormachtstellung auch militärisch durchgesetzt werden müsse.

Es ging den USA nach dem Kriegseintritt 1941 nicht um den Kampf gegen Faschismus also solches. Trotz massiven Drängens der Sowjetunion, die die Hauptlast des Kampfes in Europa trug, wurde jahrelang keine zweite Front im Westen errichtet. Erst als die UdSSR rasch gegen Deutschland vorstieß, machte man auch im Westen mobil.

Die US-Kriegsführung schreckte nicht vor der Kollaboration mit Faschisten zurück, wenn es den eigenen Zielen diente. Als die amerikanischen Truppen in die von den Nazis besetze französische Kolonie Algerien einrückten, wurde der faschistische Verwalter, General François Darlan, als „Kommissar Frankreichs für Nord- und Westafrika“ im Amt bestätigt. Nur ein erfolgreiches Attentat der Résistance konnte verhindern, dass dieser Faschist die algerischen Massen weiter unterdrückte.

Auch mit dem Diktator Spaniens, General Francisco Franco, der im Jahre 1936 mit Hilfe der deutschen und italienischen Faschisten geputscht hatte, wurde zusammengearbeitet. Da er nicht direkt gegen die westlichen Alliierten gekämpft hatte (spanische Truppen kämpften nur gegen die UdSSR), konnte sich der Verbündete Hitlers bald nach dem Krieg auf politische und wirtschaftliche Hilfe der USA stützen.

In Griechenland haben die USA im Kampf gegen den Kommunismus ebenfalls mit faschistischen Kräften zusammengearbeitet. Die ultrarechten Milizen, die mit den deutschen Besatzern kollaboriert hatten, wurden von den USA ausgebildet und bewaffnet, um die kommunistische Guerilla ELAS zu bekämpfen, die nach der Vertreibung der Nazis die größte bewaffnete Formation im Lande darstellte.

ENGLAND

Wer die hitzigen Anti-Hitler-Reden des britischen Kriegspremier Winston Churchill kennt (“Wenn Hitler in die Hölle einmarschiert, dann werde ich mich im Unterhaus für den Teufel einsetzen!”) könnte denken, dass dieser ein überzeugter Antifaschist war.

In Wirklichkeit war Churchill vor allem ein Kämpfer gegen den Kommunismus. Ihm war jedes Mittel Recht, um die Arbeiterbewegung niederzuhalten. Zum Beispiel meinte er, der italienische Faschismus habe „große Dienste für die ganze Welt geleistet”, da Mussolinis Regime „subversive Kräfte bekämpft“ hat – sprich Tausende von KommunistInnen eingekerkert und ermordet hat.

Als Kriegsminister des Vereinigten Königreichs organisierte er die „Intervention“ gegen die durch die Russische Revolution geschaffene Sowjetrepublik. Um seine konterrevolutionäre Arbeit zu rechtfertigen, bediente sich Churchill aller möglichen reaktionären Klischees, nicht zuletzt des Antisemitismus: So exponierte er bereits 1920, dass die Russische Revolution und die in allen Ländern aufkochende kommunistische Bewegung nichts als „Pläne des internationales Judentums“, eine „weltweite Verschwörung für den Sturz der Zivilisation“ seien. Er verteidigte sogar die antisemitischen Pogrome der Weißen, denen Hunderttausende russische Juden/Jüdinnen zum Opfer fielen.

Entsprechend war das Leiden des europäischen Judentums während des Krieges dem mörderischen Antisemiten Churchill völlig egal. In den 30er Jahren wurden über 2000 jüdische Flüchtlinge aus England nach Deutschland abgeschoben, obwohl klar war, was für eine staatliche Verfolgung sie ausgesetzt werden würden.

In diesem Krieg ging es dem britischen Imperialismus keineswegs um die Befreiung Europas vom Faschismus – das Ziel der herrschenden Klasse Britanniens war die Unterwerfung eines besonders aggressiven Konkurrenten und die Verteidigung des eigenen Weltreiches.

Das erkennt man daran, dass die Gesamtheit der britischen Armeen nicht gegen Nazideutschland eingesetzt wurde: während des Krieges, in der Zeit davor und danach, waren Hunderdtausende britische Soldaten damit beschäftigt die britische Herrschaft über die Kolonien aufrechtzuerhalten. Rebellionen wurden blutig niedergeschlagen: in Indien, Irak, Palästina, Kenia, Malaysia und anderswo.

FRANKREICH

Dass die herrschende Klasse Frankreichs was gegen Nazideutschland geleistet hätte, ist ein Mythos. Der gesamte Staatsapparat, vor allem das französische Militär unter Führung von General Henri-Philippe Petain kollaborierte mit den Nazis.

Während die nördliche Hälfte des Landes unter deutsche Verwaltung gestellt wurde, war für die südliche Hälfte Petains faschistische Regierung in Vichy zuständig. Das Vichy-Regime handelte ähnlich wie der Berliner: Entzug jeglicher demokratischen Rechte, Verfolgung der Arbeiterparteien und der Gewerkschaften, extreme antisemitische Propaganda und ein bizarrer Führerkult.

Nur ein Bruchteil der französischen Streitkräfte um General De Gaulle bildete eine Exilregierung in London. Aber diese konzentrierte sich auf Propaganda für ein „freies französisches Vaterland“ und diplomatische Beziehungen zur amerikanischen Regierung.

Der Widerstand gegen die Nazis in Frankreich – „la résistance“ – wurde von kommunistischen Gruppen organisiert. Diese machte mit Sabotage, Attentaten gegen deutsche Soldaten und französische Kollaborateure, und militärischem Widerstand das Land zunehmend unregierbar.

Warum übernahmen sie nach der Niederlage Nazideutschlands nicht gleich die Macht in Frankreich, um eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen? Zum einen wegen der US-Armee, die sich eben nicht im Dienste der „Freiheit“ in Frankreich aufhielt, sondern auch um jegliche Schritte in Richtung Sozialismus zu verhindern.

Zum anderen liegt es aber an der stalinistischen Politik der Führung der französischen Arbeiterklasse, der Kommunistischen Partei (PCF). Sie erklärte, dass die französische Arbeiterklasse – die gerade die Nazis vertrieben hatte! – für den Sozialismus „unreif“ sei. Deshalb zielten sie auf die Bildung einer „freien, demokratischen“ (also bürgerlichen) Regierung.

Die sozialistische Revolution stand nicht mehr auf der Tagesordnung, da die Kreml-Führung die Neutralität der französischen Bourgeoise im Kalten Krieg zu erkaufen versuchte. Die PCF beteiligte sich an der Regierung De Gaulles, ihr Vorsitzender Thorez wurde sogar Vize-Premier. Von diesem Posten aus waren sie aktiv gegen Streiks und andere Proteste der ArbeiterInnen, weil diese die „Nationale Einheit“ gefährden könnten.

UdSSR

Die Sowjetunion und die Rote Armee trugen die Hauptlast des Krieges gegen Nazideutschland. 20 Millionen SowjetsoldatInnen und -zivilistInnen wurden ermordet.

Aber nicht nur darin unterscheidet sich die Sowjetunion von den imperialistischen Mächten: die Rote Armee kämpfte in Verteidigung einer Gesellschaft, die nicht auf kapitalistischen Eigentumsverhältnissen basierte. Mit der Oktoberrevolution 1917 wurden das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft. Insofern gab es in der UdSSR keine Konzerne, die Absatzmärkte im Ausland brauchten. Die UdSSR hatte nicht denselben Expansionszwang wie ein imperialistischer Staat, entsprechend zielte ihre Kriegsführung auf die Verteidigung des eigenen Territoriums und nicht auf die Eroberung neuer.

Doch in der UdSSR hatte sich seit 1917 einiges geändert. An Stelle der Sowjets (Arbeiterräte) herrschte eine despotische Parteibürokratie unter ihrem Generalsekretär Stalin. War der Sowjetstaat zu Beginn nur als Werkzeug für die Weltrevolution konzipiert, war nun die „Theorie des Sozialismus in einem Lande“ zur politischen Leitlinie geworden. Nunmehr ging es nicht um die Ausweitung der Revolution, sondern um die Verteidigung der Interessen des Landes, vor allem der herrschenden Schicht.

Das zeigte sich sowohl in der Innen- wie in der Außenpolitik der UdSSR unter Stalin. Zuerst sollte Hitler im Bund mit „demokratischen“ imperialistischen Staaten aufgehalten werden. Zu diesem Zweck unterstützten englische und französische Stalinisten die Aufrüstung „ihrer“ Staaten.

Durch die Moskauer Schauprozesse wurden zehntausende Bolschewiki ermordet. Auch die wichtigsten Generäle der Roten Armee fielen diesen „Säuberungen“ zu Opfer.

Aber der Gipfel dieser Verbrechen kam mit dem sog. Hitler-Stalin-Pakt, einem Nichtangriffspakt zwischen der Sowjetunion und Nazideutschland. Dieser beinhaltete u.a. die Aufteilung Polens zwischen den beiden Mächten. Auch in Finnland, den Baltik-Staaten, und den Sowjetrepubliken wurden nationale Minderheiten unterdrückt, nicht selten ganze Volksgruppen deportiert. Deshalb hat die ukrainische Bauernschaft die Nazis als Befreier von der Stalin-Diktatur begrüßt!

Es ist also klar – die Strategie der Stalin-Bürokratie war alles andere als eine sozialistische Kriegsführung. Die Sowjetunion hat nicht wegen, sondern trotz Stalin gewonnen.

4. INTERNATIONALE

RevolutionärInnen hätten im Zweiten Weltkrieg in den imperialistischen Ländern gegen die „eigene“ Bourgeoisie und für die Verteidigung der Sowjetunion kämpfen müssen.

Nur die AnhängerInnen des russischen Revolutionärs Leo Trotzki verfolgten eine Politik, wie sie Lenin und die Bolschewiki während des ersten Weltkriegs entwickelten: Den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg gegen die Bourgeoisie verwandeln! Statt Krieg für die Neuaufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten, Krieg für den Sozialismus in allen Ländern!

Die TrotzkistInnen der Vierten Internationale traten in allen Ländern für die Revolution ein. Sie kämpften dafür, dass das gesamte imperialistische System in seiner faschistischen wie „demokratischen“ Gestalt gestürzt wird. Denn schon damals erkannten sie, dass ein Sieg des „demokratischen“ Imperialismus nur den Weg für die weitere Unterwerfung der kolonialen Welt, für weitere interimperialistische Konkurrenz und für weitere Weltkriege bereiten würde.

Um das auf einen Satz zu reduzieren: Im Zweiten Weltkrieg haben die Bösen verloren, aber die Guten haben nicht gewonnen.

//von Wladek aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 11

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