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Vive la résistance!

Es lebe der Widerstand! Long live the resistance! Länge leve motståndet! ¡Viva la resistencia! Gora erresistenzia!

Vor zwei Jahren, am 20. März 2003, begann der Angriffskrieg gegen den Irak. Obwohl die Kampfhandlungen offiziell am 1. Mai desselben Jahres beendet wurden, wird der Irak immer noch von über 150.000 US-Soldaten besetzt. Man hat den Eindruck, der Irak-Krieg ist gar nicht vorbei...

Die Krise im Irak stellt eine der größten Bedrohungen für den US-Imperialismus seit dem Vietnamkrieg dar. Zum zweiten Mal zeigt sich die Supermacht trotz modernster Waffentechnik verwundbar. In den Medien hört man tagtäglich neue Berichte von den Ereignissen im Irak. Viel wird über den irakischen Widerstand spekuliert. Es stellen sich Fragen über seine Zusammensetzung und seine Ziele, seine Erfolge und Methoden.

Die deutsche Linke ist angesichts der Ereignisse gespalten in Befürworter, Skeptiker und ohnmächtige Beobachter. Obwohl bis zu 80% der Militärtransporte in den Irak über Deutschland gehen, obwohl die deutsche Regierung irakische Polizisten ausbildet und durch die Besatzung Afghanistans ihrem amerikanischen Verbündeten den Rücken deckt, zeigt sich die Linke hierzulande zum größten Teil handlungsunfähig. Sie steht vor einer Weggabelung und will den nächsten Schritt wagen, ohne zu wissen, in welche Richtung sie will. Doch wer in solch einer Situation weitergeht ohne sich entschieden zu haben, ist wohl rückwärts gegangen.

Irak in den Medien

In den Medien wird im Zusammenhang mit dem Irakkrieg häufig von blutrünstigen „Terroristen“ berichtet, die skrupellos unschuldige Opfer ermorden und das Land ins Chaos stürzen wollen. Eine Analyse der Opfer des Widerstandes ergibt allerdings, dass mehr als 90 Prozent der Anschläge politischen Zielen galten, zum Beispiel Kollaborateuren der Besatzungsmächte, US-Soldaten und Geschäftsleuten – Menschen, die für die Besatzung stehen.

Ein kleiner Teil des Widerstandes zielt auf die Initiierung eines Bürgerkrieges zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden ab – eine gefährliche Entwicklung, denn es ist eine alte Strategie des Imperialismus im Irak, die Bevölkerung entlang nationaler und religiöser Linien zu spalten, nach dem Motto „teile und herrsche“.

Es liegt somit nahe, dass es sich keineswegs um desorganisierte, kriminelle Verbände handelt, sondern um gezielten Widerstand gegen ein aufoktroyiertes System. Täglich finden Anschläge statt – manche Quellen sprechen von weit mehr als 100 Anschlägen pro Tag. Es ist angesichts dieser Tatsachen geradezu unglaublich und unglaubwürdig, dass die Besatzungstruppen „nur“ ein paar tausend Tote zu beklagen haben.

In den Medien schneiden die imperialistischen Truppenverbände ein wenig besser ab, die meist diejenigen sind, die für „Sicherheit und Ordnung“ sorgen. Nur spärlich kommen Informationen über Gräueltaten der Truppen rüber. Meldungen von Vergewaltigungen, willkürlichen Verhaftungen oder verheerenden Zerstörungen sind meist nur über Opferberichte zu erhalten. Folterungen in irakischen Gefängnissen wurden nur zufällig aufgedeckt – vor kurzem musste das Defense Department zugeben, dass mindestens ein Iraker zu Tode gefoltert wurde. Es wird ebenfalls kaum berichtet über die Schicksale der GIs, die traumatisiert und zum Teil verkrüppelt in ihre Heimat zurückreisen. Verschwiegen werden auch die zahlreichen Selbstmorde von Heimkehrern oder auch Amokläufe einiger US-Soldaten im Irak, die als „friendly fire“ vertuscht werden.

Schon von Anfang an des Krieges haben die US-Besatzertruppen es verstanden, die unabhängigen Medien davon abzuhalten, von den Kampfhandlungen zu berichten. Nur ausgewählte Journalisten und Reporter dürfen bei den Einsätzen der GIs dabei sein. Seit Ausbruch der Kämpfe sollen zwölf kriegskritische Journalisten unter umstrittenen Umständen durch GIs ums Leben gekommen sein.

Im Angesicht dieser Welle der Gewalttätigkeit und Repression wird jedem Pazifisten die Unmöglichkeit eines gewaltlosen Weges deutlich. Der Widerstand im Irak ist vielfältig. Er geht von Massendemonstrationen, Streiks der ArbeiterInnen bis hin zum bewaffneten Widerstand. Aus pazifistischen Gründen den Kampf an sich ablehnen, das würde bedeuten, sich dem Imperialismus zu beugen.

Widerstand

Der irakische Widerstand setzt sich aus vielen verschiedenen politischen Gruppierungen und Interessen zusammen: Es sind zum einen ehemalige Baathisten, die sich schon vor dem Krieg auf den Widerstand vorbereitet haben; religiöse Kräfte unter Schiiten und Sunniten; und nationalistisch und kommunistisch eingestellte Gruppierungen. Eine kleine Gruppe von Al-Kaida-Anhängern ist sicherlich vorhanden, spielt militärisch aber kaum eine Rolle. Genährt wird der Widerstand von den Gräueltaten der Besatzungstruppen und der wirtschaftlichen Auswegslosigkeit durch 60 Prozent Arbeitslosigkeit, aber in erster Linie von der Verweigerung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung. Man darf aus antiimperialistischer Sicht nicht den Fehler begehen, sich den Widerstand im Irak auszusuchen – wer Widerstand leisten soll und wer nicht. Dies wäre arrogant und eurozentristisch, denn jeglicher Widerstand gegen die imperialistische Besetzung ist gerechtfertigt, solange der gemeinsame Nenner die Beendigung der Besatzung ist.

Es wird häufig kritisiert, dass es sich bei dem Widerstand mehrheitlich um Islamisten handelt, dass diese Kräfte das Land in eine Art reaktionären und totalitären Islamismus stürzen würden. Als Revolutionär muss man einsehen, dass der Widerstand trotz seiner religiösen Ideologie und Führung gerechtfertigt ist. Die Aufgabe von RevolutionärInnen im Irak ist es, den Widerstand gegen die Besatzung zu organiseren und innerhalb der Bewegung für eine sozialistische Strategie zu kämpfen. Alles andere würde bedeuten, dass man den Widerstand allein den Islamisten überlässt.

Der Kritikpunkt der reaktionären Politik trifft auf die Ziele mancher islamistischen Gruppierungen im Widerstand zu. Aber es sind die Besatzungsmächte, die eine undemokratische Regierung zu installieren versuchen. Die US-amerikanische „Demokratie“ schreckt keineswegs vor dem Aufbau eines reaktionären Systems zurück – siehe ihre jahrzehntelange Unterstützung für Saddam Hussein. Das Marionettenregime in Afghanistan verabschiedete erst vor einigen Monaten eine reaktionäre islamistische Verfassung. Es liegt auch im Klassencharakter des Kapitals Diktaturen in Krisen vorzuziehen. Wer also keinen islamistischen Irak haben möchte, sollte den Widerstand unterstützen.

Auch wird bemängelt, dass einige Gruppierungen nur bourgeoise Interessen verfolgen, d.h. eine Stärkung der irakischen Kapitalisten und Großgrundbesitzer, und dass man durch ihre Akzeptierung diesen Kreisen Vorschub leistet. Aber der Großteil der herrschenden Klasse im Irak ist Befürworter der Besatzung und profitiert von dieser. Ihr Einfluss in der Widerstandsbewegung kann nur geschwächt werden, wenn die Arbeiterklasse schon während der Besatzungszeit um die führende Rolle in der Widerstandsbewegung kämpft, also den Kampf gegen den Imperialismus mit dem Kampf für den Sozialismus verbindet. Die Beseitigung der Besatzung muss jedoch Ausgangspunkt eines sozialistischen Kampfes sein. Dazu schrieb Karl Marx: „Solange ein lebensfähiges Volk von einem auswärtigen Eroberer gefesselt ist, wendet es alle seine Kraft, alle seine Anstrengungen, alle seine Energien notwendig gegen den äußeren Feind; solange bleibt also sein inneres Leben paralysiert, solange bleibt es unfähig, für die soziale Emanzipation zu arbeiten.“

Den Schlusspunkt, warum wir den Widerstand unterstützen, kann man jedoch nur verstehen, wenn man das System des Imperialismus verstanden hat.

Imperialismus

Imperialismus ist die höchste Phase des Kapitalismus. In dieser vereinigt sich das Industriekapital zusammen mit dem Bankkapital zu einem finanzkapitalistischen Monopol. In der Epoche des Imperialismus ist das Kapital in noch weniger Händen verteilt als im klassischen Kapitalismus. Diese Zentralisierung der kapitalistischen Macht hat die Folge, dass sich auch die internationalen politischen Beziehungen zu Gunsten einer handvoll Länder ändert, die fast die gesamte Macht auf dem Planeten inne haben. Das Verhältnis der Großmächte im Machtgefüge ändert sich ständig. Neue Technologien, Krisen, Rohstoffknappheiten oder andere Entwicklungen lassen mal die eine oder die andere imperialistische Großmacht stärker oder schwächer werden. Die rivalisierenden Mächte kämpfen um Absatzmärkte für ihre Waren und für ihren Kapitalüberschuss und in diesem System sind Krisen vorprogrammiert. Im Imperialismus kann ein Land nach außen hin unabhängig sein, jedoch durch eine Reihe von diplomatischen und finanziellen Verträgen an eine andere Nation gefesselt sein (z.B. durch Kredite und Handelsverträge).

Eine Niederlage des US-Imperialismus im Irak würde bedeuten, dass die imperialistischen Ambitionen der USA und ihrer Verbündeten erstmal gebremst wären. Der Rückzug der Besatzungstruppen wäre ein Fanal für alle nationalen Befreiungsbewegungen, für alle KämpferInnen gegen Unterdrückung auf der Welt. Es würde den Imperialismus als System in eine Krise stürzen. Dass den Kapitalisten der Widerstand im Irak nicht egal, sondern sie im Gegenteil empfindlich stört, sieht man schon allein an den Auf- und Abfahrten des Ölpreises.

Permanente Revolution

Bis jetzt wird der Widerstand von islamistischen und nationalistischen Kräften dominiert. Die Arbeiterklasse kann hierzu eine unabhängige Alternative bieten. Dass sie dazu in der Lage ist zeigt das Beispiel der Southern Oil Company, deren Gewerkschaft sich vom imperialismushörigen gewerkschaftlichen Dachverband unabhängig gemacht hat und jetzt die größte Einzelgewerkschaft im Irak bildet. Beim ersten Angriff auf Falluja im April 2004 konnte sie durch eine Lahmlegung der Erdölindustrie in Basra, den Angriff erfolgreich stoppen. Hinzu kommen regelmäßige Massenproteste zur Auszahlung von Arbeitslosengeldern und in den wichtigsten Erdölraffinerien in Bagdad und Basra fanden trotz Verbot von der neuen “demokratischen” Regierung Streiks statt.

Eine dominante Rolle im Widerstand kann die Arbeiterklasse jedoch nur dann erlangen, wenn sie ihre eigenen Milizen aufbaut, d.h. selbst zu den Waffen greift. Sie muss auch die heuchlerischen Beweggründe der reaktionären Teile des Widerstandes immer wieder aufdecken: deren Sexismus verhindert die Teilnahme von Frauen am Widerstand, deren Fundamentalismus schliesst Intellektuelle und fortschrittliche ArbeiterInnen aus, kurz: der politische Islam spaltet und schwächt die Widerstandsbewegung.

Die Arbeiterklasse muss dem kleinbürgerlichen Programm der Nationalisten den sozialistischen Internationalismus entgegensetzen, sie muss dem politischen Islam den säkularen Arbeiterstaat entgegenhalten. Und sie darf auf keinen Fall beim Kampf gegen die Besatzungsmacht bei einem „unabhängigen, demokratischen“ Irak Halt machen, denn das stärkt in erster Linie nur die nationale Bourgeoisie. Sie muss schon im Kampf gegen die Besatzung das Ziel der sozialistischen Revolution vorantreiben.

Was tun?

Durch Aufklärungsarbeit, Demonstrationen, militante Aktionen gegen die US-Stützpunkte und anderen Formen des politischen Kampfes, kann man auch hier den irakischen Widerstand unterstützen. Internationale Solidarität ist möglich: Das zeigten die Massendemonstrationen gegen den Irak-Krieg am 15. Februar 2003, die weltweit Millionen Menschen mobilisierten. Ein nahe liegender Termin für Massenmoblisierungen könnte der zweite Jahrestag des Angriffs auf den Irak sein, der 19. März. Die Demonstration in Brüssel richtet sich auch gegen die Besetzung des Iraks und den permanenten Krieg des Imperialismus.

//geschrieben von Okko aus Osnabrück //angenommen von der Konferenz
//REVOLUTION Nr. 10

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