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Eine Verfassung für das europäische Kapital Die Europäische Union wirbt für ihre neue Verfassung – z.B. am Brandenburger Tor – und verspricht „Demokratie“, „Frieden“ und andere tolle Sachen. Doch zwei Drittel aller EuropäerInnen wissen nicht, was die Verfassung beinhaltet. (Ein Drittel hat nie was davon gehört!) Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn die SpanierInnen per Referendum ihr „Ja“ gegeben haben – mit 40% Wahlbeteiligung! Deshalb schauen wir, ob der Verfassungsentwurf wirklich was mit „Frieden“ zu tun hat... Gegen das EU-Imperium!!! Nach dem Irak-Krieg und der neu erstarkten Anti-Kriegsbewegung glauben viele AktivistInnen und Linke, Europa könnte ein friedlicher und sozialer Gegenpol zu den USA werden. Die scheinbaren Anti-Kriegspositionen von Frankreich und Deutschland haben viele getäuscht. Die wahren Gründe für die Ablehnung des Krieges durch Frankreich und Deutschland waren die Gefährdung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen im Irak – deutsche und französische Konzerne mussten im Laufe des Krieges bedeutende Investitionen an ihre amerikanischen Konkurrennten abgeben. Die EU wird nicht gebildet, um Frieden und soziale Sicherheit zu schaffen: im Gegenteil. 1999 trafen sich die Regierungschefs der EU in Lissabon und verkündeten den „Lissabon-Prozess“. Sein ehrgeiziges Ziel: die EU bis 2010 zur stärksten Wirtschaftsregion der Welt zu machen. Die neue EU-Kommission hat nun festgestellt, dass die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung des Prozesses zu langsam waren und das Ziel bis 2010 deshalb nicht erreicht werden kann. Der Kurs muss daher noch verstärkt werden: Flachrasur aller sozialen Leistungen, radikale Senkung der Sozialausgaben, Abschaffung aller Schutzregelungen zu Gunsten der ArbeiterInnen und beste Bedingungen für Unternehmen weltweit. In der BRD kennen wir das unter dem Namen „Agenda 2010“. Gleichzeitig soll eine weltweit einsetzbare EU-Armee mit neuester Technik geschaffen werden. Der Kurs der EU ist klar: man will zur imperialistischen Supermacht aufsteigen. Diese Absicht soll nun durch das wichtigste Projekt gestärkt werden: eine gemeinsame Verfassung. Dieses Europa wird nicht ein friedlicher Gegenpol zu den USA werden, sondern der direkte imperialistische Konkurrent! Dieses Europa wird zur weltweiten Ungerechtigkeit und Ungleichheit beitragen! Dieses Europa wird neue Kriege schüren! Dieses Europa stützt sich auf jenes Wirtschaftssystem, dass die Probleme dieser Welt verursacht: den Kapitalismus. Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa!!! Schon vor 90 Jahren, im Laufe des ersten Weltkrieges, schrieb der russische Revolutionär W.I. Lenin: „Vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus ... sind die Vereinigten Staaten von Europa unter kapitalistischen Verhältnissen entweder unmöglich oder reaktionär.“ Diese Aussage hat sich als doppelt richtig erwiesen. Dass die europäischen Kapitalisten unmöglich Europa vereinigen können, zeigte sich durch zwei Weltkriege, in denen ca. 70 Millionen Menschen gestorben sind, um die konkurrierenden Interessen der europäischen Mächte durchzusetzen. Jetzt sehen wir die zweite Möglichkeit: die reaktionäre, kapitalistische Vereinigung Europas. Eine Vereinigung, welche Verschlechterungen für die Massen und Aufrüstung für künftige Kriege bedeutet. Diesem Modell des EU-Imperiums setzen wir ein anderes entgegen: die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa. Der Kapitalismus erweist sich als unfähig, Probleme wie Arbeitslosigkeit, Armut, Hunger und Krieg zu lösen. Mehr noch: er bringt sie selbst hervor und lebt von ihnen! Der Kapitalismus hat weltweit ein System extremer Ungerechtigkeit geschaffen. Um diese Probleme zu lösen, brauchen wir keinen neuen imperialistischen Block, sondern ein anderes Wirtschaftssystem. Deshalb müssen sich die ArbeiterInnen international gegen den Kapitalismus zur Wehr setzen und ihn durch eine sozialistische Revolution stürzen. Wir treten für ein sozialistisches Europa ein, gestützt auf demokratische Arbeiterräte, in dem die ArbeiterInnen selbst bestimmen, was wie und zu welchem Zweck produziert wird. Ein andere Welt ist nicht nur möglich, sondern auch dringend nötig! Deshalb lehnen wir die europäische Verfassung, der Kapitalismus, Militarismus und Imperialismus festschreibt, entscheidend ab. Deshalb beteiligen wir uns an jede Mobilisierung gegen das neoliberale EU-Projekt, z.B. der europaweiten Demonstration in Brüssel. Und deshalb engagieren wir uns für den Aufbau einer internationalen Jugendorganisation, die sich konsequent für den Sturz der kapitalistischen Gesellschaft und den Aufbau einer neuen einsetzt: WORLD REVOLUTION.
Undemokratisch Um im globalen Kapitalismus mithalten zu können, muss der Staatsapparat der EU „effizienter“ werden. Dabei steht zu viel Demokratie nur im Weg. Deshalb entscheiden in der Union auch Experten, wie der Ex-Binnenmarktkommissar Bolkestein oder Aussenhandelskommissar Lamy. Dass diese Experten meistens standhafte Vertreter von Marktöffnung, Lohndumping und Sozialabbau sind, entspricht natürlich dem „Willen des Wahlvolkes“. Zwar wirft sich die EU-Verfassung am Anfang mit Worten wie Demokratie und Bürgernähe um sich, doch schreibt sie gleichzeitig fest, dass die zentralen Fragen der Europäischen Union entweder nur vom Ministerrat oder von der EU-Kommission entschieden werden dürfen. Diese Gremien werden nicht direkt gewählt, sondern von den nationalen Regierungen bestimmt. Das direkt gewählte Parlament hat die wenigsten Befugnisse – die Abgeordneten dürfen nicht mal einige Anträge einbringen, sondern beraten lediglich die Anträge der Kommission oder des Ministerrats. Kein Wunder, dass bei den Wahlen zum EU-Parlament nur 40% der Wähler teilnehmen, in manchen Ländern weniger als 20%! Die wichtigen Gremien sind von einem massiven Lobbyapparat der Wirtschaft und Industrie umgeben, der absichert, dass die EU-Politik den Wirtschaftsinteressen entspricht. Der Europäische Runde Tisch ERT und der europäische Arbeitgeberverband UNICE sind die wichtigsten Lobbyvereinigungen, die in Brüssel ein- und ausgehen. Große Konzerne wie Siemens oder BP geben jährlich Millionen dafür aus, ihre Leute nach Brüssel zu schicken, um ihre Interessen durchzusetzen. Facts... Die EU, und damit ihre Lobby um Ministerrat und Kommission, bekommt durch die Verfassung weitreichende Macht, z.B. über Sozialpolitik: Über Einsätze der EU-Armee entscheidet nicht das Parlament, sondern der Ministerrat:
Neoliberal Zur Umsetzung des „Lissabon-Prozesses“ gehört auch der europaweite Umbau der Mitgliedsstaaten auf neoliberalen Kurs. Das bedeutet: radikale Kürzung der Sozialausgaben und die Öffnung des europaweiten Arbeitsmarktes mit möglichst wenig Sicherheiten der ArbeiterInnen in Bezug auf Arbeitszeiten, bezahlten Urlaub, Krankenstand usw. Laut Kommissionspräsident Barroso soll ein „möglichst unternehmerfreundliches Klima“ geschaffen werden. Das Kapital verwirklicht damit seine größten Ambitionen: möglichst leichter Zugang zu möglichst vielen, möglichst billigen jedoch gut ausgebildeten Arbeitskräften. Durch den europäischen Binnenmarkt kann das Kapital seine Ausbeutungsrate enorm erhöhen. Auch die Absenkung des Arbeitslosengeldes dient diesem Zweck. Arbeitslose werden gezwungen sein, jede Arbeit zu auch noch so miesen Bedingungen anzunehmen. Dadurch werden die ArbeiterInnen enorm unter Druck gesetzt. Wenn sie nicht billiger und länger arbeiten, werden sie einfach ersetzt. Somit wird europaweit dem Lohndumping Tür und Tor geöffnet. Doch zum Neoliberalismus gehört auch die Öffnung sämtlicher Bereiche, die dem Kapital noch verschlossen sind. Öffentliche Versorgung wie etwa Gesundheit, Bildung oder Wasser sollen für den freien Markt geöffnet werden. Die „Bolkestein-Richtlinie“, ein Papier von Ex-EU-Kommissar Fritz Bolkestein, sieht den europaweiten Markt für Dienstleistungen vor. Dabei soll für jeden Anbieter die Regelung des Herkunftslandes gelten, d.h. die Mitgliedsstaaten konkurrieren direkt um niedrigere Löhne und Sozialstandards. So könnte eine deutsche Baufirma eine Filiale in der Slowakei eröffnen und die Beschäftigten in Deutschland nach den wesentlich schlechteren Bedingungen der Slowakei bezahlen. Facts... Lohndumping im Dienstleistungsbereich wird durch die Verfassung ermöglicht: Die Verfassung schreibt den Kapitalismus als Wirtschaftssystem fest – Antikapitalismus ist in Zukunft verfassungswidrig!
Militaristisch Die Bildung einer EU-Armee und einer „gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ spielt in der gesamten EU eine besondere Rolle. Außenminister Fischer betonte deshalb auch bei einer Rede Ende 2003 in den USA, dass Europa unter einer „militärischen Schwäche“ leide, „modernisierte und gestärkte militärische Fähigkeiten“ bräuchte und sich zu „politischer Entschlossenheit und militärischer Fähigkeit“ verpflichte. Um im Kapitalismus beim Kampf um weltweite Märkte und Ressourcen ganz oben mitzuspielen, braucht man auch die militärische Fähigkeit, seine Interessen durchzusetzen. Der Irak-Krieg war sicherlich eines der besten Anschauungsbeispiele in dieser Hinsicht: Der diplomatische Konflikt zwischen USA und EU ging im wesentlichen darum, wer die Rohstoffe des Iraks kontrollieren durfte. Die letzten Ecken dieser Erde, die noch nicht durch und durch „vermarktwirtschaftet“ sind, müssen notfalls mit Gewalt geöffnet werden, wenn der politische (UNO) und wirtschaftliche (IWF, WTO, WB) Druck nicht ausreicht. Natürlich spielen Menschenrechte dabei – wenn überhaupt – nur eine Nebenrolle, sind aber ein sehr willkommener medienwirksamer Grund für die Rechtfertigung globaler imperialistischer Gewalt und Aufrüstung. Und „last but not least“ sind Rüstungsausgaben auch ein Dauergarant für Profite – für Waffen gibt es immer eine garantierte staatliche Nachfrage. Deshalb dürfte sich die EU-Rüstungsindustrie, z.B. Daimler-Tochter EADS sehr über die EU-Verfassung freuen. Facts... Die Aufrüstung wird in der Verfassung festgeschrieben: Es wird ein extra Amt auf europäischer Ebene durch die Verfassung festgeschrieben, das die Aufrüstung überwachen und durchsetzen soll: Kritik an Entscheidungen der Union wird verfassungswidrig:
Imperialistisch Die gesamte EU war von Anfang an ein wirtschaftliches Projekt. Wie die „Lissabon-Strategie“ ja auch schamlos ausspricht, will die EU mit der USA als Supermacht konkurrieren. Um im Kapitalismus Supermacht zu sein, muss man die ArbeiterInnen sowohl im eigenen Territorium als auch außerhalb verstärkt ausbeuten. Dieses Vorhaben bestimmt auch die EU-Außenpolitik. Bei der Ministerkonferenz der WTO in Cancun, Mexico 2003 machte die EU besonders deutlich, worum es ihr bei der weltweiten Handelspolitik geht. Sie bestand darauf, die sog. „Singapur Issues“ auf jeden Fall in die neue Verhandlungsrunde aufzunehmen. Die „Singapur Issues“ enthalten v.a. imperialistische Forderungen, wie z.B. den Schutz von geistigem Eigentum, also Patentrechte weltweit oder den Schutz ausländischer Investitionen. Damit wollen die Konzerne erzwingen, dass ihr Monopol auf bestimmte Forschungsergebnisse weltweit anerkannt wird und niemand diese Ergebnisse benützen darf (was z.B. in der Medizin katastrophale Folgen hat). Dass diese Forderungen also vor allem den großen Konzernen nützen, liegt auf der Hand. Benachteiligt davon ist die „3. Welt“, genauer gesagt die ArbeiterInnen und die Massen dieser Halbkolonien. Um diese imperialistische Großmachtpolitik in Zukunft noch entschlossener und tatkräftiger durchsetzen und ausführen zu können, sind eine gemeinsam koordinierte Politik, gemeinsame Gremien und eine Art Statut zur Festsetzung dieser Vorhaben notwendig: die EU-Verfassung. Mit der Verfassung stärkt die EU ihre Position als Wirtschaftsstandort. Als imperialistische Großmacht lässt sich bekanntlich besser und verstärkt Druck auf den Rest der Welt ausüben. Facts... Über die Handelspolitik entscheidet zukünftig die Union und damit weitgehend der Aussenhandelskommissar: Die Verfassung setzt die EU auf eine neoliberale Strategie fest, damit EU-Konzerne verstärkt ArbeiterInnen in Europa selbst als auch in der “3.Welt” ausbeuten können: //von Jim aus Stuttgart //REVOLUTION Nr. 10 |
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