Diese Seite ist ein Archiv und wird nicht mehr aktualisiert. Die neue Seite von RIO ist: www.klassegegenklasse.org |
|||||
„Wir müssen uns international organisieren...“ eine Rede von Chris am 1. Mai in Schorndorf (bei Stuttgart) //REVOLUTION Nr. 6 Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Vertreter der Jugend möchte ich natürlich zuerst auf diese zu sprechen kommen, speziell auf das Thema Ausbildung. Bei der bescheidenen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt macht auch der Bereich Ausbildung keine Ausnahme. In der Tat sieht es hier sehr düster aus und der Himmel verdunkelt sich weiter. Im März diesen Jahres lag die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen um 5,8% niedriger als im März 2003. Von Oktober 2003 bis März 2004 stieg die Differenz zwischen gemeldeten Stellen und Bewerbern stetig an, von 63.650 unversorgten Bewerbern auf 176.000. Ich wage die unvorsichtige Prognose, dass im September diesen Jahres der Negativrekord von 2003, 234.364 unversorgte Bewerber, noch übertroffen werden wird. Es steht außer Frage, dass diese Situation für alle Beteiligten äußerst unbefriedigend ist. Für viele Jugendliche startet das Berufsleben mit Arbeitslosigkeit, was sich natürlich nur negativ auf ihre Entwicklung auswirken kann. In 10-20 Jahren wundert man sich dann, dass nicht genügend Fachkräfte in Deutschland vorhanden sind. Die Unternehmer in diesem Land sprechen ununterbrochen vom Wirtschaftsstandort Deutschland – ich kann es schon nicht mehr hören! Da frage ich mich, warum sie dann ihre Verantwortung in Bezug auf Ausbildung derart vernachlässigen!!! Nur noch 23% aller Betriebe in Deutschland bilden überhaupt aus! Die Wirtschaft ist offensichtlich nicht in der Lage, genügend Ausbildungsplätze zu schaffen. Ausbildungsplätze, die wichtig sind für die Jugend, für die Gesellschaft und theoretisch sogar für die Wirtschaft selbst!!! Und was macht die Politik? Ja, es steht immerhin eine Ausbildungsplatzabgabe bei der SPD auf dem Programm. Hier kann man sehr schön sehen, wie die Wirtschaft sich schon mit Händen und Füßen gegen kleinste Reglementierungen seitens des Staates wehrt und jegliche Verantwortung von sich schiebt, obwohl hier ein mehr als deutliches Defizit besteht. Hier handelt es sich ja wirklich nur um ein kleines Sandkorn im Getriebe der Profit-Hungrigen, denn, und darüber macht sich hoffentlich keiner mehr Illusionen, die angeblich Roten in Berlin haben sich schon längst von einer Arbeiter- in eine Arbeitgeberpartei verwandelt. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie soll man sonst diese Politik verstehen, die derzeit bei der Bundesregierung auf der Agenda steht? Ich glaube, darüber muss ich nicht mehr viel sagen, jede(r) von Euch hat es wahrscheinlich schon zu oft gehört, was auf ihn zukommt – und wenn man krank wird, spürt man es auch schon. Was leider bisher viel zu wenig bzw. zu leise gesagt wird, ist, dass der Sozialabbau keineswegs nur eine schrödersche Formel, sondern Programm in ganz Europa ist!!! Egal, in welches europäische Land man auch schaut, überall sind die Kassen leer, kann man sich die Sozialsysteme nicht mehr leisten, muss halt den Gürtel enger schnallen bla bla bla ... Alles Teil einer groß angelegten Offensive, die es sich zum erklärten Ziel gesetzt hat, bis „2010 stärkste Wirtschaftsregion der Welt“ zu werden. So wurde es 1999 bei einer Konferenz in Lissabon von unseren lieben Regierungschefs formuliert, natürlich mit tatkräftiger Unterstützung und Zustimmung der Spitzen aus der Wirtschaft. Auf wessen Drängen und zu wessen Nutzen die europäische Union gebildet wurde und noch wird, zeigt der Verfassungsentwurf, der dieses Jahr noch verabschiedet werden soll, ohne dass die Bürger in Deutschland und anderen EU-Staaten ausreichend informiert werden, geschweige denn mitbestimmen dürfen. Zur Handelspolitik heißt es in Art. I-12, Abs.1, dass Handelsfragen zur ausschließlichen Angelegenheit der Union werden. Hierzu wurde bereits der sog. „133er-Ausschuss“ gebildet, welcher z.B. zum Ziel hat, die Liberalisierung und Privatisierung sämtlicher Dienstleistungsbereiche auf EU-Ebene voranzutreiben. Bildung, Gesundheit und Wasser werden zur Ware; die Wirtschaft bedankt sich, wir sind die Leidtragenden! Außerdem wird das Wirtschaftssystem der profitorientierten Marktwirtschaft in der EU-Verfassung ausdrücklich festgeschrieben und erhält damit Verfassungsrang! Antikapitalismus wird in Zukunft damit zum Verfassungsbruch. Der Irak-Krieg hat uns wieder deutlich vor Augen geführt, dass die Wirtschaft ohne Krieg nicht genug verdienen kann, und auch hier zieht die EU in beeindruckender Weise hinterher. Art. 40 Abs. 3 des EU-Verfassungsentwurfs: „Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ Na klar, wunderbar, Aufrüstung wird zur Verfassungspflicht, aber soziale Sicherheit können wir uns leider nicht mehr leisten... Wie denn auch, wenn Deutschland heute schon am Hindukusch verteidigt wird? Aber wir können ja leider nichts machen, es gibt ja keine Alternativen. Tagtäglich hören wir von Wirtschaft und Politik, dass der „böse“ internationale Wettbewerb, die unaufhaltsame Globalisierung uns dazu zwingen, eine Politik der sozialen Demontage und des Lohndumpings zu machen. Dabei ist die Globalisierung immer etwas von außen, das uns überfällt, das man halt nicht mehr aufhalten kann und man deshalb mitziehen muss. Mein lieber Herr Gesangverein! Unsere Politiker vom Typ Joschka Fischer und Co. wissen ganz genau, dass es sie selber und ihre Kollegen sind, die im Auftrag der Wirtschaft die neoliberale Globalisierung in Institutionen wie der WTO und dem IWF vorantreiben. Die Globalisierung kommt nicht von irgendwo her: sie ist bewusste Politik im Interesse des Kapitals, und es sind hauptsächlich die reichen Industriestaaten, die diese Politik auf dem Rücken der armen Staaten sowie der Mehrheit ihrer eigenen Bevölkerung vorantreiben. Berufslügner!!! Ich stehe hier, zünde den Wald an und erzähle gleichzeitig, gegen Waldbrände kann man halt nichts machen. Und die ach so billige Konkurrenz im Ausland? Unsere Unternehmer erzählen uns hier – nachdem sie jahrelang unsere Wirtschaftskraft abgeschöpft haben – dass sie hier leider nicht mehr bleiben können, dass wir zu teuer sind und dass sie leider gezwungen sind, ins Ausland zu gehen. Die Gewerkschaft und die Belegschaft wollen ja nicht kooperieren, um Arbeitsplätze zu retten. Dabei vergessen sie oft zu erwähnen, dass es sich bei der ausländischen Konkurrenz um die eigene Tochterfirma handelt! Das nenne ich vernünftige Geschäftspolitik! Ich investiere mein mit europäischer Wirtschaftskraft erwirtschaftetes Kapital ins Ausland und schaffe somit meine eigene Konkurrenz. Dadurch kann ich alle Arbeiter zwingen, noch billiger und besser zu arbeiten. Es lebe die Ausbeutung!!!! Ach ja, die CDU/CSU schießt natürlich wieder mal den Vogel ab, indem sie den ehemaligen Direktor des IWF als Bundespräsidenten nominiert. Aber da haben wir endlich einen Übeltäter bei der Hand. Jetzt brauchen die Elitefunktionäre unserer Nation nicht mehr die Globalisierung ins Dunkle zu schieben, jetzt können sie sich direkt an unseren lieben Horst wenden. Der war nämlich die letzten paar Jahre an der Spitze des IWF wesentlich mitverantwortlich dafür, dass viele Entwicklungsländer die Türen für ausländische Konzerne geöffnet und somit der internationalen Konkurrenz freien Lauf gelassen haben. Er ist also einer derjenigen, der uns laut Politik und Wirtschaft zum Sozialabbau zwingt. Als Dank dafür darf er vielleicht bald unser höchstes Staatsoberhaupt sein. Herzlichen Glückwunsch, Horst!!! Liebe Kolleginnen und Kollegen, was tun? Dem internationalen Frontalangriff des Kapitals kann nur eines entgegentreten: die internationale Antwort der Arbeiterklasse. Die erste Erkenntnis für den Arbeiter ist, das er sich nicht allein gegen das Kapital wehren kann, sondern sich organisieren muss. Die zweite Erkenntnis muss sein, dass der organisierte Arbeiter seine Interessen nicht wahrnehmen kann, wenn er national beschränkt denkt und handelt. Wir müssen uns international organisieren und gemeinsam für eine bessere Welt kämpfen. Der europäische Aktionstag am 3. April war ein guter Anfang, doch es muss mehr folgen. Lasst uns gemeinsam in Europa diskutieren, wie wir uns gegen diese Angriffe zur Wehr setzen können und wie wir auch über europäische Grenzen hinweg Widerstand organisieren können, natürlich gemeinsam mit den jeweiligen nichteuropäischen Kolleginnen und Kollegen. Eine breite, entschlossene und internationale Bewegung für eine bessere Welt ist dringend nötig!!! Dabei darf man Eines nicht vergessen: diese Bewegung muss von unten kommen, wir müssen uns selbst organisieren! Ich weiß, dass wir das Potential dazu haben; wir dürfen und müssen uns nicht von Funktionärinnen und Funktionären auf hoher Ebene abhängig machen!!! Vielen Dank. |
|||||
RIO Revolutionäre Internationalistische Organisation www.revolution.de.com info[ät]revolution.de.com (c)opyleft | |||||
Diese Seite ist ein Archiv und wird nicht mehr aktualisiert. Die neue Seite von RIO ist: www.klassegegenklasse.org |