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Bolivien brennt!

//von Peter //REVOLUTION Nr. 2

Manchmal endet eine Amtszeit ganz plötzlich. So erging es Boliviens Presidente de Lozada, der am 18. Oktober aus seinem Palast in La Paz per Hubschrauber entschwebte. Er hatte allen Grund für diesen plötzlichen Aufbruch. Vor seinem Amtssitz protestierten Hunderttausende, die ihm wohl am liebsten den Hals umgedreht hätten.

Ihre Wut traf den Richtigen. Der Millionär de Lozada hatte die umfangreichen Erdgasvorkommen Boliviens an ausländische Konzerne zu Spottpreisen verhökert. Die so verschenkten Erlöse aus den Verkäufen wurden von den BolivianerInnen zu Recht als Betrug am eigenen Volk gesehen. Ein spanischer Konzern-Spitzenmanager frohlockte auf seine Weise über den Deal, weil „jeder in Bolivien investierte Dollar zehn Dollar Gewinn“ bringe.

Die Gasvorkommen Boliviens waren wie andere Bereiche schon in den 80er und 90er Jahren auf Druck des Internationalen Währngsfonds IWF, der unter Kontrolle der großen imperialistischen Mächte, v.a. der USA, steht, privatisiert worden. Unter maßgeblicher Mithilfe de Lozadas wurde so die Ausplünderung der Ressourcen Boliviens durch die internationalen Energiemultis gesichert.

Wie überall in der Welt – zuletzt besonders krass in Argentinien sichtbar – führen auch in Bolivien die IWF-Programme zur „Strukturanpassung“ der Wirtschaft zu Verschuldung und Abhängigkeit, zum Absinken des Lebensstandards der Massen. Der jedes Mal versprochene Wirtschaftsaufschwung bleibt aus oder führt nach einem kurzem Konjunkturintermezzo umso tiefer in die Krise.

Erfolgreich ist diese Politik nur für die großen Banken und Konzerne der führenden kapitalistischen Länder – und für einheimischen Kapitalisten und Spekulanten vom Schlage de Lozadas, die sich für ihre „Kooperationsbereitschaft“ mit dem IWF schadlos halten.

Massendemonstration von BergarbeiterInnen, Coca-Bauern und StudentInnen in La Paz

Basta!

Doch auch die Geduld der bolivianischen Massen ist nicht endlos. Im Oktober begann ein Generalstreik gegen den Gas-Verkauf und gegen die – auch wegen dieses Deals – schlechten Lebensbedingungen. Die Führung des Generalstreiks und der damit verbundenen Kämpfe hatte der Gewerkschaftsdachverband COB. Er forderte die Annullierung des Gas-Deals, die Wiederverstaatlichung privatisierter Unternehmen, höhere Löhne und Renten, eine Landreform und den Austritt Boliviens aus der Lateinamerikanischen Freihandelszone, welche die Ausplünderung des Landes durch den Imperialismus begünstigt.

Obwohl die Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaften die Kämpfe anführten, wurde sie von vielen BolivianerInnen unterstützt. In El Alto, die drittgrößte Stadt des Landes, rebellierten die Arbeitslosen und die verarmte Stadtbevölkerung. Unterstützt wurde der Streik auch von den Coca-Bauern. Sie leiden seit Jahren unter dem Terror der Regierung, die einen „Krieg gegen die Drogen“ führt. Diese von den USA unterstützte Kampagne beraubt die Bauern ihrer Existenzgrundlage, dem Coca-Anbau, ohne ihnen eine Alternative zu eröffnen.

Die ArbeiterInnen waren gemeinsam mit der ländlichen und städtischen Armut eine starke Kraft, die sich auch vom Terror des Staates nicht aufhalten ließ. Wochenlang gab es Kämpfe zwischen ihnen und Armee- und Polizeieinheiten, die über hundert Tote und viele hundert Verletzte forderten.

Erneut zeigt sich, dass der „demokratische“ Staat zu Mord und Terror greift, wenn die Massen nicht nur ihren Stimmzettel in die Wahlurne werfen, sondern über die Geschicke der Gesellschaft – über das Eigentum an Produktionsmitteln und die Verwendung der gesellschaftlichen Ressourcen – selbst bestimmen wollen.

Wut und Entschlossenheit der Massen schlugen sich in der Art und Weise ihrer Aktionen nieder. Sie bewachten nicht nur die geschlossenen Werkstore – sie marschierten zum Präsidentenpalast; sie protestierten nicht nur, sondern errichteten Straßensperren und besetzten wichtige Einrichtungen. Große Teile der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens Boliviens waren lahm gelegt.

Um ihre Forderungen durchzusetzen, organisierten sich die Massen in El Alto in Juntas (Räten), die in Massenversammlungen demokratisch gewählt worden sind. Die etwa 500 Stadtteil-Juntas bestimmten einen kommunalen Zentralrat. Die Juntas sind Machtorgane der ArbeiterInnen, StudentInnen, Bauern und der städtischen Armut zur Verteidigung gegen die staatliche Repression und zur Organisation und Führung des Kampfes. Dazu bildeten die Juntas Milizen, die z.T. auch bewaffnet waren.

Wozu führten der Generalstreik und die Massenaktionen? Zunächst dazu, dass die Regierung unter Ex-Präsident de Lozada von einer Nachfolgeregierung unter dem bisherigen Vizepräsidenten Carlos Mesa ersetzt wurde. Dieser machte zwar einige Zugeständnisse und Versprechungen, doch den „Drogen-Krieg“ wollte er weiterführen.

Weder von Mesa noch von anderen bürgerlichen Politikern ist zu erwarten, dass sie die zentralen Forderungen der Massen umsetzen. Das würde nämlich bedeuten, sich offen gegen die Interessen der einheimischen und ausländischen Kapitalisten, Großgrundbesitzer und sonstigen reichen Halunken zu wenden. Selbst wenn Mesa das wollte, würde er die harte Faust des IWF und der imperialistischen Konzerne zu spüren bekommen.

Er bräuchte als Machtfaktor die Massen, will sie jedoch nicht; die Massen hingegen brauchen ihn nicht, doch ihre Führungen wollen ihn.

Alles oder nichts

Obwohl die Medien hierzulande so tun, als sei mit dem Rücktritt de Lozadas das Ziel der Kämpfe erreicht und die Bergarbeiter und Bauern gingen wieder „nach Hause“, ist der Konflikt noch ungelöst.

Der verhasste Presidente de Lozada – „Goni“

Es existiert eine Situation der Doppelmacht: auf der einen Seite der bürgerliche Staat, auf der anderen die Massen, die hinter den Gewerkschaften und der MAS (Bewegung für den Sozialismus) stehen und in ihren Juntas organisiert sind.

Eine Lösung der Probleme Boliviens ist nicht durch einen Wechsel der Regierung oder einige Reformen erreichbar. Eine Lösung im Interesse der Massen, eine Lösung, die Bolivien aus dem Schraubstock der Abhängigkeit vom Imperialismus befreit, ist nur möglich, wenn die gesellschaftlichen Ursachen der Krise beseitigt werden. Das bedeutet, die Kapitalisten, die Großagrarier, das Auslandskapital zu enteignen. Die Auslandsschulden und die Knebelverträge mit dem Imperialismus zu annullieren und den bürgerlichen bolivianischen Staat, der diese Ausbeutungs- und Unterdrückungsordnung verteidigt, zu zerschlagen.

Dazu müssen die Massen unter Führung der ArbeiterInnen die ganze Macht in ihre Hände nehmen! Die Juntas und Milizen müssen landesweit verbunden werden und die Grundlage einer Arbeiter- und Bauernregierung bilden, die nicht nur die alte Regierung, sondern den bolivianischen Kapitalismus insgesamt zum Teufel jagt! Die politische Führung der Massen, der Kern einer solchen Regierung muss und kann aber nur eine revolutionäre Arbeiterpartei sein, die einen allgemeinen Plan, ein Konzept für die Weiterführung des Kampfes und die Umgestaltung der ganzen Gesellschaft hat. Da es eine solche Partei nicht gibt, muss sie in den Kämpfen selbst aufgebaut werden.

Die Massen haben bewiesen, dass sie die Kraft haben, die Doppelmachtsituation zu ihren Gunsten zu lösen. Tun sie es nicht, nutzt die Regierung, nutzt das einheimische und ausländische Kapital die Zeit, um mittels Betrug und kleineren Zugeständnissen, wenn nötig auch mit brutaler Gewalt, die Bewegung einzulullen oder zu zerschlagen.

Was tun die Führungen der Massenbewegung, der COB und die MAS, in dieser entscheidenden Phase? Sie führen die Bewegung nicht weiter, sie verharren auf halbem Wege! Sie gestehen der neuen Regierung Mesa einige Wochen „Probezeit“ zu! Sie warten ab, was passiert.

Wenn die Massen ihre ersten Erfolge und ihre Machtpositionen nicht verspielen wollen, müssen sie sich andere Führungen und eine Partei schaffen, die nicht einen faulen Kompromiss versuchen, die Bewegung verzögern und alle Chancen verspielen. Ihr Motto muss sein „Wir brauchen nicht Mesa, wir brauchen die Macht!“

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