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Kämpfen wie in Frankreich

Französische Jugendliche geben ein Beispiel, wie wir die Angriffe auf unsere Rechte zurückschlagen können!

Ein Gespenst geht um in den deutschen Hochschulen – das Gespenst der „französischen Verhältnisse”!

Protestversammlung der Studis rufen nach „französischen Verhältnissen”, während Hessens Ministerpräsident, Roland Koch von der CDU, lächelnd vor der Presse verspricht, dass es in Deutschland „keine französischen Verhältnisse” geben wird.

Aber was heißt das genau? Es heißt, dass der Widerstand von unten die Angriffe von oben zurückschlägt.

Was war eigentlich geschehen?

Letztes Jahr hat das französische Parlament ein Gesetz zum Ersteinstellungsvertrag (CPE) beschlossen, welches den Kündigungsschutz für Menschen unter 27 abgeschafft hätte. Dieser Angriff auf die Rechte der Jugendlichen löste eine breite Protestbewegung aus.

Angefangen mit der Besetzung der Sorbonne-Uni in Paris, breiteten sich die Besetzungen auf landesweit Hunderte Schulen und Unis aus. Die Zentralen der Gewerkschaften, die Proteste gegen das CPE anfangs für sinnlos hielten, ließen sich dazu bringen, einen eintägigen Generalstreik zu organisieren, an dem sich 2-3 Millionen Menschen beteiligten. Eine Woche später fand ein zweiter Generalstreik statt.

Am Abend vor dem dritten Generalstreik hat Chirac das Gesetz zurückgezogen.

Diese ganze Erfahrung zeigt, dass man die Kürzungen, den Sozialabbau und die Politik des „Es gibt keine Alternative” stoppen kann, wenn der Druck auf der Straße hoch genug ist. StudentInnen und SchülerInnen können so eine Bewegung anstoßen.

Auch gegen die Angriffe auf die Jugend in Deutschland (Studiengebühren, Ausbildungsplatzmangel, keine eigene Wohnung für Arbeitslose unter 25 usw.) wäre eine solche Protestbewegung angebracht. Hierzulande hat es ebenfalls schon radikale Aktionsformen der Studentinnen gegeben: die Blockaden auf der Autobahn in Frankfurt oder die Besetzung der Säle während der Senatssitzung in Münster, um nur zwei Beispiele zu nennen. Trotzdem dachten die Herrschenden in der BRD keine Sekunde lang darüber nach, die Einführung von Studiengebühren fallen zu lassen oder überhaupt zu bremsen. Was fehlte?

Und wer hat das geschafft?

Entscheidend für den Erfolg der Proteste in Frankreich war, dass nicht nur Jugendliche auf die Barrikaden gingen, sondern auch Millionen Lohnabhängige. Die Teilnahme der Bahnarbeitergewerkschaft sorgte dafür, dass an den Streik­tagen kaum ein Zug im ganzen Land fahren konnte.

Die ArbeiterInnen können viel mehr Druck auf die Herrschenden ausüben, denn im Gegensatz zu den StundentInnen schuften sie Tag für Tag, um das System am Laufen zu halten.

Zum Beispiel können Hunderte von Student­Innen und SchülerInnen einen Bahnhof besetzen und den Verkehr lahm legen, aber nur einige wenige LokführerInnen brauchen in den Streik zu treten, um die gleiche Wirkung zu erzeugen.

Natürlich gibt es bedeutende Unterschiede zwischen der französischen und der deutschen Arbeiterbewegung: Die vielen Gewerkschaften in Frankreich, die untereinander konkurrieren, begünstigen eine etwas kämpferischere Gewerkschaftskultur als die Einheitsgewerkschaften der BRD.

Aber das soll nicht von der Tatsache ablenken, dass die StudentInnen und SchülerInnen Frankreichs aktiv in die Fabriken gingen, um die ArbeiterInnen von ihren Forderungen zu begeistern. Das – mehr als jede lustige Aktion auf dem Weihnachtsmarkt - wäre ein wirklicher Schritt zu französischen Verhältnissen in der BRD.

Wie kommen wir dahin?

Jacques Chirac erteilte uns, sicherlich unbewusst, mit seinem Handeln eine gute Lektion über die bürgerliche Demokratie. Man hört pausenlos etwas über Recht und Ordnung, Gesetze und Verfassungen. Aber so bald sich die herrschende Klasse mit einer Protestbewegung konfrontiert sah, der sie nicht mehr Herr zu werden wusste, hat sich ihr Vertreter über jede verfassungsrechtliche Regel hinweggesetzt und das Gesetz „einfach so” zurückgezogen.

Angesichts dessen entpuppen sich die Argumente vieler Gewerkschaftsfunktionäre, in Frankreich wie in Deutschland, dass solche Aktionen „illegal!” seien, als ziemlich plumpe Ausreden. Eine radikale Jugendbewegung kann die Arbeiterklasse inspirieren und diese Hemmungen überwinden.

Dass solche Entwicklungen auch in der BRD möglich wären, zeigt ein kleines Beispiel vom Berliner Schülerstreik am 13. September. Zur Abschlusskundgebung kamen PflegerInnen von der Charité, die gerade auch in den Streik getreten waren, um ihre Solidarität mit den SchülerInnen kundzutun. Ihr Vertreter rief den jungen DemonstrantInnen zu: „Wir müssen mit der Regierung französisch reden!”

Aber damit aus dem Spruch Realität wird, muss die Einheit zwischen radikalen Jugendlichen und ArbeiterInnen, die immerhin in diesem Moment zum Ausdruck kam, permanent fortgeführt und intensiviert werden.

Für französische Verhältnisse!

Für den Generalstreik!

(wf)

 

„Die Linke.“

Diese „neue Linke“ könnte noch ein bisschen weiter links stehen

An verschiedenen deutschen Hochschulen haben Mitglieder von PDS, WASG und Solid sogenannte „Die Linke.” - Hochschulgruppen gegründet. Fast 500 Studierende nahmen an einem Hochschulkongress für eine neue Linke in Frankfurt/Main teil.

Und in Berlin errang „Die Linke. FU” drei Sitze bei den Wahlen zum Studierendenparlament. Ihr Hochglanzflyer zu den Wahlen versprach in Großbuchstaben: „Französische Verhältnisse!”.

Wenn man den Wahlaufruf durchliest, fällt positiv auf, dass „Die Linke.” sich nicht nur auf Hochschulpolitik konzentriert. Viele linke Listen beschränken sich leider auf Probleme auf der Uni (diese Kritik soll keineswegs von ihrem ehrenwerten Engagement ablenken). Aber die Einführung von Studiengebühren ist im Kontext von Sozialabbau auf der ganzen Welt zu verstehen: Einführung von Hartz IV, Erhöhung des Rentenalters, Privatisierungen usw. Man kann nicht effektiv gegen die Angriffe auf Studierende kämpfen, ohne die Angriffe auf Arbeitslose, SchülerInnen, junge ArbeiterInnen und MigrantInnen zu thematisieren.

Deswegen sind „uni-fremde” Forderungen wie etwa „Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr“, die im Aufruf der „Die Linke.” zu finden sind, richtig und wichtig.

Weitere Forderungen im Wahlaufruf sind „Gegen Studiengebühren und Studienkonten”, „Nein zu Militarismus und Privatisierung” und „Keine Macht der G8 - auf nach Heiligendamm!” usw. usf. Wir können all diese Forderungen vorbehaltlos unterstützen.

Aber wie sollen wir das umsetzen?

Es stellt sich die Frage, wie diese Forderungen umgesetzt werden könnten. Z.B. das geforderte bundesweite „Verbot von Studiengebühren” ist sicherlich wünschenswert, aber wie kann es durchgesetzt werden? Über einen Aufstand der Studierenden, der den Startschuss für einen Generalstreik gibt (ähnlich wie in Frankreich)? Oder über eine „antineoliberale” Regierung mit Oskar Lafontaine an der Spitze?

Es ist die alte Frage zwischen Reform und Revolution. Und keine Antwort ist in diesem Fall auch eine Antwort, und zwar eine Antwort im Sinne der herrschenden Verhältnisse!

In Berlin dringt die Frage nach politischen Perspektiven besonders, weil die “Neue Linke” an der Spree in der Regierung sitzt und verschiedenste Sozialabbaumaßnahmen mitträgt: die Privatisierung der Sparkasse, die Freigabe der Ladenöffnungszeiten, die Streichung der Lernmittelfreiheit auf Schulen usw. usf. Die Ernennung von Jürgen Zöllner, der als Erfinder von Studienkonten gilt, zum Berliner Bildungssenator macht deutlich, dass der „rote“ Senat unmittelbar die Einführung von Studiengebühren plant.

Natürlich gibt es anderslautende Wahlversprechen. Die PDS hätte schon im Jahr 2003 Studienkonten (als Schritt zu richtigen Studiengebühren) eingeführt. Aber die StudentInnenproteste, einschließlich der Besetzung des Karl-Liebknecht-Hauses, haben die PDS-Basis gegen dieses Vorhaben der Bürokraten aufgehetzt.

Dieses Beispiel zeigt, dass man die Linkspartei oft besser durch Aktionen auf der Straße beeinflussen kann als durch Anträge auf Parteitagen. Eine linke Hochschulgruppe kann also nicht einfach das „Projekt einer neuen linken Partei“ unterstützen, sondern muss auch große Teile dieses Projektes direkt bekämpfen!

Und wie soll die Welt aussehen?

Überhaupt sagt „Die Linke.” recht wenig darüber, wie man die Gesellschaft ändern kann - oder ob man das überhaupt möchte. Dass der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine mit seiner Aufforderung, die Linke müsse den Begriff „Klassenkampf” wieder aufgreifen, sich links von den meisten linken StudentInnen positioniert, ist schon irgendwie traurig. Denn StudentInnen haben oft in der Geschichte eine klassenkämpferische Perspektive in die breite Masse getragen, da sie über das Privileg der Bildung verfügen und vergangene Niederlagen weniger auf die lasten.

Sehr dringend brauchen wir eine linke Strömung an den Unis, die die Proteste ausweitet und radikale Aktionsformen wie Besetzungen bundesweit verallgemeinert. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob „Die Linke.“ so etwas werden kann oder ob wir es eher mit einem Verein zu tun haben, der lediglich dem „Funktionärsnachwuchs“ dient.

Wir von REVOLUTION werden mit „Die Linke.” und allen linken Kräften auf der Uni zusammenarbeiten. Aber eine unabhängige, revolutionäre Organisation an den Hochschulen ist notwendig, um die Proteste gegen Studiengebühren in jeder Situation voranzutreiben.

Denn wir brauchen mehr als eine Kritik an der Berliner PDS. Wir brauchen eine Perspektive, um die ArbeiterInnen zu mobilisieren und mit ihnen den Sozialabbau – und das System, das dahinter steht – zu stoppen.

Die Programmatik, wie etwa im Flyer der “„ie Linke.FU” formuliert, gibt schon wichtige Anstöße. Wir würden nur folgende Forderungen hinzufügen:

Besetzungen, Blockaden und Streiks gegen Studiengebühren!

Einheit in der Aktion zwischen Studierenden, SchülerInnen, Arbeitslosen, ArbeiterInnen, Azubis und MigrantInnen!

Gleiche Rechte für Deutsche und Nicht-Deutsche! Keine zusätzlichen Gebühren für AusländerInnen! Keine Einwanderungskontrollen!

Massendemokratie auf der Uni! Die Uni muss durch gewählte VertreterInnen von Versammlungen der Studierenden geleitet werden!

für die sozialistische Weltrevolution!

(wf)

//REVOLUTION-Hochschulbulletin 25.01.07 //als PDF

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