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"Die verschiedenen Kämpfe zusammenführen" Interview mit Suphi Toprak, Unterstützer des UPS-Streiks in der Türkei und Aktivist von RIO in München Seit Juni sind die KollegInnen von UPS in der Türkei im Kampf gegen die Entlassungen von 161 KollegInnen. Hintergrund ist, dass die zuständige Gewerkschaft Tümtis eine Organisierungskampagne bei UPS durchgeführt hat. Nachdem die Geschäftsleitung davon erfahren hat, wurden die KollegInnen entlassen und auf andere, gewerkschaftlich organisierte Druck ausgeübt. Kannst Du auf den Hintergrund des Arbeitskampfes eingehen? Miserable Arbeitsbedingungen und sehr schlechte Bezahlung bei UPS sind die Gründe, warum die ArbeiterInnen sich gewerkschaftlich organisieren wollten. Die Politik von UPS zielt darauf, keine Gewerkschaft bei sich zuzulassen. Obwohl es nach den türkischen Gesetzen verboten ist, ArbeiterInnen aufgrund gewerkschaftlicher Organisierung zu entlassen, hat UPS sie missachtet. Es geht bei diesem Kampf um die gewerkschaftliche Organisierung von 5.000 ArbeiterInnen. Die Entlassenen führen mit Unterstützung ihrer KollegInnen bei UPS und von Tümts einen langen Kampf gegen die Entlassungen und das Verbot gewerkschaftlicher Organisierung. Welche Protestaktionen gab es? Welche Probleme siehst Du? Die KollegInnen sind ununterbrochen seit dem 5. Mai in Aktionen. Es wurde bereits am 1. September ein weltweiter Aktionstag für den UPS-Streik von ITF organisiert. Auf die ArbeiterInnen gab es Polizei-Angriffe. Die ArbeiterInnen haben Demos organisiert und gleichzeitig die KollegInnen bei UPS weitgehend dafür gewonnen, einen Teil ihrer Löhne den Streikenden abzugeben. Die Probleme sind klar: Die Gewerkschaften, die sich mit dem UPS-Streik solidarisieren, kommen zu Besuch und geben finanzielle Unterstützung, was für den Kampf sehr wichtig ist. Aber es gibt keine Mobilisierung für Solidaritätsaktionen mit dem UPS-Streik. So könnte z.B. das Entladen von UPS-Paketen an Flughäfen verlangsamt werden. Ähnlich agieren die linken Parteien. Entweder gibt es ein Desinteresse an Streiks seitens linken Organisationen oder ein Desinteresse an gemeinsamen Komitees und der Aktionseinheit der ArbeiterInnen. Es gibt regelmäßig Besuche bei den Streikenden, wo die Linken ihre Sympathie zeigen. Aber den Streik gemeinsam auf die Straßen auszuweiten, kommt ihnen nicht in den Sinn. Die Forderung der UPS-ArbeiterInnen war, die verschiedenen Kämpfe zusammenzuführen. Dafür ist das Komitee, wo die ArbeiterInnen aus den verschiedenen Kämpfen kommen und diskutieren, notwendig. Ohne ein solches Komitee ist die Zusammenführung nicht machbar. Das ist auch der Anfang einer Räte-Struktur. Ein Komitee soll weitgehend aus ArbeiterInnen bestehen. Es bietet die Möglichkeit, dass die ArbeiterInnen gemeinsam die politische und organisatorische Linie der Kämpfe bestimmen. Diese Auffassungen sind aber nicht im Einklang mit den programmatischen Ausrichtungen der politischen Parteien - bis auf sehr kleine Minderheit, aber auch dort nicht in dieser Klarheit. Was bedeutet dieser Streik für den Klassenkampf in der Türkei? Nach dem Kampf der TEKEL-ArbeiterInn gegen die Privatisierung und den daraus folgenden Entlassungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen ist der Kampf bei UPS der nächste große Kampf zur Verteidigung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Der Kampf bei TEKEL hat anderen Mut gemacht. 2010 haben sehr viele Kämpfe stattgefunden. Darunter z.B. der siebentägige Hungerstreik einer einzelnen Aktivistin, die 118 Tage im Zelt kampierte und ihre Wiedereinstellung erzwang. Es gab auch die Besetzung des Büros der Republikanischen Volkspartei (CHP) durch wütende ArbeiterInnen. Bei TEKEL richtete sich der Kampf direkt gegen die Regierung, bei UPS ist er gegen das Unternehmen gerichtet. Bei TEKEL nahm die Sache sehr schnell einen politischen Charakter an, bei UPS ist es bisher noch ein reiner Arbeitskampf. Das ist aber ein allgemeines Problem: Wie kommen wir von einem defensiven Kampf zu einem offensiven Kampf? Die Beantwortung dieser Frage ist für die Linke in der Türkei ein Buch mit sieben Siegeln. Übergangsforderungen sind ihr unbekannt. Wenn UPS z.B. behauptet, dass den Entlassenen nicht wegen deren gewerkschaftlicher Organisierung gekündigt wurde, dann müssen die Geschäftsunterlagen durch die Belegschaft geöffnet werden, um zu sehen, welche wirtschaftlichen Gründe es tatsächlich gibt. Das wäre der Beginn von Doppelmacht im Betrieb. Ein solches Programm von Übergangsforderungen wäre aber unvollständig, wenn es nicht national sowie international entwickelt wird. Was denkst Du ist international und in Deutschland nötig, um den Kampf der UPS-KollegInnen zu unterstützen und zum Erfolg zu führen? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Aktionen sollten zwei Ziele haben. Erstens dem "guten Image" von UPS entgegenzutreten, also sie zu entlarven und die Wahrheit der internationalen ArbeiterInnenklasse so bekannt zu machen. Zweitens muss der Ablauf der UPS-Arbeit überall gestört werden, wo das den ArbeiterInnen möglich ist. Das ist das, was wir besonders wichtig finden. Wir erleben in verschiedenen Ländern Europas - in Griechenland, Frankreich etc. - zunehmende Kämpfe und Generalstreiks gegen die Angriffe von Staat und Kapital auf die Arbeiterklasse. Welchen Zusammenhang siehst Du zwischen den Protestaktionen der KollegInnen von UPS in der Türkei und den Massen- und Generalstreiks in anderen Ländern? Wir müssen diese Aktionen vom humanistischen „Gutmenschen“-Charakter befreien. Eine Auskunft in Deutschland bezüglich der UPS-Aktionen lautet oft: Was hat das mit uns zu tun? Eine andere Frage lautet: Ist die Türkei demokratisch genug für die EU? Solche Fragen sind für uns Ausdruck des schwachen Klassenbewusstseins in Deutschland, das auch ein Ergebnis davon ist, wie diese Kämpfe hier geführt werden. Weil kein Generalstreik in Deutschland stattfindet, gibt es auch keine praktische Lehre aus den gemeinsamen Kämpfen für die Massen. Die UPS-ArbeiterInnen sind nicht hilflos. Sie sind kämpferische ArbeiterInnen, die um ihre Grundrechte kämpfen. Ihr Kampf ist nicht beschränkt auf die Türkei. Das Agieren von UPS kann auch in Deutschland verlangsamt werden. Um diesen Schritt zu machen, muss eine andere Politik in den Betrieben und Gewerkschaften erfolgen. Das öffnet die Diskussion: Wollen wir, dass sich die Gewerkschaften solidarisieren, indem sie die Arbeit von UPS verlangsamen? Für effektive Aktionen müssen die Gewerkschaften umgestaltet werden. Das ist der Grundstein für einen europaweiten Streik bei UPS und im gesamten Logistik-Sektor. Wenn der Kampf von einem Land auf die anderen überspringt, dann wird auch der Blick der ArbeiterInnen für einen Generalstreik frei. Wenn es aber nicht einmal bei UPS - einem internationalen Unternehmen - gelingt, einen internationalen Kampf effektiv zu führen, wird es für einen europaweiten Streik schwer. Doch letztlich ist nur ein solcher europaweiter Generalstreik eine wirksame Antwort auf die Angriffe der Bourgeoisie. Wer für UPS-Streik-Aktionen auf den Straßen und in den Betrieben vorbereitet, nähert sich gleichzeitig dem Ziel eines Generalstreiks in Europa. Das ist der Kern, um den es geht. //Interview: Gruppe Arbeitermacht //15. Dezember 2010 |
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