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Stuttgart21:
Steif schlagen und weichkochen

Spätestens seit die Polizei in Stuttgart die Demonstrant_innen gegen Stuttgart21 zusammengeschlagen hat, ist dieses Großprojekt in aller Munde.

Und was für ein Großprojekt das ist! Der Bahnhof der Landeshauptstadt soll ein unterirdischer DB-Palast werden, Kostenpunkt: schlappe 2,5 Milliarden Euro (Projektstart), bzw. 4,1 Milliarden Euro (Dezember 2009), bzw. 7,4 Milliarden Euro (Baustart), bzw. … Neuere Gutachten rechnen sogar mit mindestens 14 Milliarden. Aber die Staatskassen sind ja voll genug, oder? Es ist schon interessant, dass „Vater Staat“ einerseits so zahlungswillig ist, während man uns gegenüber immer mit Sparparolen kommt. Aber was soll's! Für so einen schönen Bahnhof verzichten wir doch gerne auf eine ordentliche Gesundheitsversorgung, auf Ausbildungschancen, Rente und so weiter.

Wem nützt es?

Das Stuttgart21-Kartell um Immobilienriesen und Tunnelbauer wird eben von Leuten angeführt, die durch dieses Projekt so richtig Reibach machen. Die Bahn AG verspricht sich aus dem Verkauf der Grundstücke, auf denen jetzt Gleise liegen, enorme Einnahmen. Die kann sie ja dann – wer weiß – für die Übernahme anderer Bahnunternehmen ausgeben – z. B. in England. Solche Investitionen versprechen jedenfalls größere Gewinne als Ausgaben bei der Sicherheit oder die Zahlung von ordentlichen Löhnen. Die privaten Spekulant_innen jedenfalls reiben sich die Hände, wenn wieder einmal öffentliches Eigentum billig zu haben ist.

Wer vertritt unsere Interessen?

Verständlich, warum sich von Anfang an Widerstand gegen das Projekt regte. Der wurde links liegen gelassen und bekam erst Aufmerksamkeit, als sich Menschen massenhaft gegen den beginnenden Bau stellten. Hier kam die Staatsmacht ins Spiel. Die ist schließlich immer bemüht, die Interessen der privaten Wirtschaft zu vertreten. Das kennen wir schon von Bankenhilfen oder Militäreinsätzen. Im Fall von „S 21“ wird diese grundsätzliche Abhängigkeit noch von engen persönlichen Bindungen zwischen Wirtschaft und CDU-FDP-Regierung unterstützt. Die Regierung war im „Musterländle“ ja noch nie mit großem Protest konfrontiert und schickte vielleicht deswegen ihren bewaffneten Arm um die aufmüpfigen Untertanen einfach wegzuputzen (statt gleich die jetzige Propaganda- und Weichkoch-Offensive zu fahren).

Die Hartz IV-Parteien SPD und Grüne wollen sich jetzt profilieren und vor allem die Grünenvorsitzenden gefallen sich in der Volkstribunen-Rolle. Und die Linkspartei? Als Berliner_innen wissen wir, was aus einem sozialen Anspruch wird, wenn man sich den „Sachzwängen“, also den Interessen von Wirtschaftsakteuren, beugen muss. Wichtig wäre deswegen, dass wir uns selber um unsere Interessen kümmern und das Denken und Handeln eben nicht irgendwelchen Vertreter_innen überlassen. Das wurde schließlich schon viel zu oft probiert. Dabei haben wir Beschäftigten auch viel mehr Macht als die Mächtigen des Stuttgart21-Kartells und sonstwo. Oder was würden die wohl machen, wenn ein Streik der Stuttgarter Arbeiter_innen sie an ihrem liebsten Stück – dem Geldsack – packen würde?

//von Victor Jalava, RIO, Berlin //19. Oktober 2010 //Unser Werkblatt Nr. 13

 

Debatte: Die Proteste gegen Stuttgart 21 und die Polizei

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