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"Studierende sollten sich als Teil der ArbeiterInnenklasse sehen" Ein griechischer Student zieht die Bilanz der Proteste in seiner Heimat Dimitrios X, der verständlicherweise anonym bleiben möchte, ist in der Studentenorganisation EAAK (Vereinigte Unabhängige Linke Bewegung) in Athen aktiv. Er sprach auf einer Veranstaltung der Antifaschistischen Linken Liste an der Freien Universität Berlin für die Mobilisierung zum Bildungsstreik Sie waren an der Jugendrevolte im Dezember in Griechenland beteiligt. Es begann damit, daß ein Polizist den 15jährigen Schüler Alexandros Grigoropoulos erschoß. Das war der Auslöser – was aber waren die Ursachen? Der Aufstand hatte soziale wie politische Hintergründe. Unsere Generation hat feststellen müssen, daß wir viel schlechter leben werden als unsere Eltern. Wir werden weniger Geld haben – wenn wir überhaupt einen Arbeitsplatz finden! – und auch weniger soziale Absicherung. Die bürgerlichen Parteien und auch die reformistische Linke können die Jugend nicht mehr überzeugen. Ihre Programme sind weit von dem entfernt, was wir wollen. In den vergangenen Jahren gab es große Bewegungen an den Universitäten gegen die Hochschulreform der Regierung. Vor diesem Hintergrund schien es für viele StudentInnen logisch, an den Demonstrationen teilzunehmen. Wie kann man sich das Ausmaß dieser Proteste vorstellen? In den Medien hierzulande hieß es, daß der Athener Polizei das Tränengas ausgegangen ist. Die Polizei musste Tränengas aus Israel importieren, weil ihre Vorräte ausgingen. Jeden Tag gab es Demonstrationen, die immer gewalttätig von der Polizei angegriffen wurden. Diese Gewalt wurde zentral von der Regierung befohlen. Sie hat sogar laut darüber nachgedacht, den Notstand auszurufen und die Armee auf die Straße zu holen. Selbst die Anforderung von Militär aus anderen europäischen Ländern war im Gespräch. Berichtet wurde meist über "anarchistische ChaotInnen", die alles niedergebrannt hätten. Wie war das Zusammenwirken von "normalen" Jugendlichen und der radikalen Linken? Es gab keine Trennung zwischen "Linksradikalen" und "Normalen". Es war eine ungewöhnliche Erscheinung: die radikale Linke beteiligte sich natürlich an Vollversammlungen an den Unis und Schulen, aber alle StudentInnen unterstützten die Proteste mit Begeisterung. In den ersten Tagen sah man viele Jugendliche, die zum ersten Mal auf einer Demonstration waren. Die größte Demonstration in Athen hatte 40.000 TeilnehmerInnen – und am selben Tag fanden in allen griechischen Großstädten Demonstrationen statt. Während der Jugendrevolte fand auch ein Generalstreik statt. Wie sah die Zusammenarbeit zwischen Jugendlichen und der Gewerkschaftsbewegung aus? Die offiziellen ArbeiterInnenorganisationen waren mehr oder weniger gegen die Jugendproteste. Ihre Vorstände berieten sich mit der Regierung, und am Tag des Generalstreiks organisierten sie eigene Kundgebungen in abgelegenen Gebieten statt gemeinsamer Demonstrationen. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) wollte vor allem verhindern, daß sie die Kontrolle über die Situation verliert. Ihre SprecherInnen haben anfangs öffentlich gesagt, daß die Kämpfe im Zentrum von Athen von PolizeiprovokateurInnen ausgehen. Damit suchten sie den Anschluss an konservative Teile der Bevölkerung. Die Medien stellten die Proteste so dar, als seien sie von illegalen MigrantInnen, Kriminellen, ChaotInnen usw. organisiert. Manche Leute hatten deswegen Angst. Aber es gab mehr als 20 Basisgewerkschaften, die sich koordinierten, um mit der Jugendbewegung zusammenzuarbeiten – bis zum Ende der Jugendrevolte waren es sogar 70. Viele Gewerkschaftsgliederungen entfernten sich im Laufe der Proteste von ihren Zentralen. Haben Sie einen Tip für Aktivisten in Deutschland, die ebenfalls gern eine breite Jugendrevolte sehen möchten? Linke Unipolitik muß davon ausgehen, daß wir als StudentInnen keineswegs zur Elite gehören. Wir müssen uns als Teil der ArbeiterInnenklasse sehen. Wir müssen jetzt schon versuchen, mit ArbeiterInnen zusammen zu kämpfen und zu streiken. //Interview: Wladek Flakin //Original in der jungen Welt am 13. Juni 2009
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