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Haus besetzt in Hennigsdorf

Linke Jugendliche wollen aus einer alten Wäscherei in Berliner Vorort ein alternatives Jugendzentrum machen

Die alte Wäscherei hinter dem Gymnasium in Hennigsdorf, nordwestlich von Berlin, stand seit 1989 leer. Seit Mittwoch morgen ist das Haus von der Hennigsdorfer Antifaschistischen Initiative (HAI) und linken Jugendlichen besetzt. Sie wollen daraus ein autonomes, selbstverwaltetes Jugendzentrum machen.

Neonazis aus der Region haben im Ort bereits einen Treffpunkt, den Szeneladen »On the Streets«. Gleich am ersten Abend der Besetzung versuchten etwa 40 Rechtsradikale, die besetzte Wäscherei zu stürmen. Mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern griffen sie an. Weil der Zugang zum Haus über einen schmalen Weg führt, gelang es den zahlenmäßig unterlegenen Verteidigern, die Attacke erfolgreich abzuwehren.

Henningsdorf verfügt bereits über ein Jugendzentrum, das »Conny Island«. Dieses versteht sich ausdrücklich als »politisch neutral«. Wie das gemeint ist, wurde im vergangenen Jahr deutlich, als man der Antifa untersagte, auf Werbeplakaten für ein Konzert die Parole »Gegen Nazis« zu verwenden. Seit über einem Jahr laufen Verhandlungen mit der Stadt, um einen Raum für ein alternatives Jugendzentrum zu bekommen. Die Jugendlichen fühlen sich mittlerweile »verarscht«, so ein Beteiligter.

Die Stadt verspricht nun, eine Arbeitsgemeinschaft einzurichten, die bis zum Ende des Jahres eine Lösung finden soll – aber nur, wenn zunächst die Besetzung beendet wird. »Wenn anderthalb Jahre Verhandlungen nichts geholfen haben, warum soll das jetzt helfen?« meint Johannes Schwarz, ein Sprecher der Antifaschisten. Die scheinen entschlossen, in dem Haus zu bleiben.

Der Eigentümer des Gebäudes konnte noch nicht ermittelt werden, wahrscheinlich handelt es sich um eine Baufirma aus NRW. Die Besetzer haben die Fassade weiß angestrichen und Unmengen von Müll weggeschleppt. Die Tür sei seit Jahren eingetreten gewesen, sagt einer der Besetzer, so könne die Aktion nicht als Hausfriedensbruch gewertet werden. Allgemein sei die Resonanz positiv: Viele Anwohner freuten sich, daß jemand das Haus aufräumt. Die Aktivisten wurden zum Frühstück in den Kindergarten nebenan eingeladen.

//von Wladek Flakin //aus der jungen Welt vom 16.07.07

 

Interview mit BesetzerInnen

Hausbesetzung in Hennigsdorf nach einer Woche beendet, aber Jugendliche fordern weiter linkes Zentrum


Am vergangenen Mittwoch haben Jugendliche in Hennigsdorf die alte Wäscherei hinter dem Gymnasium besetzt. Dienstag früh wurde das Haus von der Polizei gestürmt. Wie verlief die Räumung?

Um sechs Uhr morgens kam ein Beamter in das Haus, in dem die Leute schliefen. Er sagte, der Eigentümer des Hauses habe nun Strafantrag gestellt und fragte die Besetzer, wie sie damit umgehen wollten. Die verschlafenen Besetzer waren erst mal ganz verwirrt und wollten sich beraten. Der Polizist ging wieder, aber keine fünf Sekunden später stürmte ein Haufen Polizisten mit Schildern, Knüppeln und Sturmhauben ins Haus. Die Leute blieben friedlich. Die Polizisten haben sich dann vor der Tür aufgestellt und einen nach dem anderen aus dem Haus geholt, die Personalien festgestellt, die Leute durchsucht und Platzverweise erteilt. Dann durfte jemand von den Besetzern nochmal rein und die Wertgegenstände herausholen.

Die Polizei war bis dahin, laut einem Sprecher der Besetzer, »erstaunlich kooperativ, für Brandenburg«. Wie erklären Sie sich dann das brutale Vorgehen von gestern?

Die waren nicht brutal, nur etwas schnell.

Sie fordern ein alternatives Jugendzentrum. Aber Hennigsdorf verfügt bereits über eins, nämlich das »Conny Island«. Warum reicht Ihnen das nicht?

Der vorhandene Jugendclub kann nicht so genutzt werden, wie wir und die anderen Besetzer es gerne tun würden. Im Conny gibt es zwar manchmal Konzerte, und man kann da rumhängen, aber man kann in Jugendclubs noch viel mehr machen. Wir wollen einen Raum, in dem Infoveranstaltungen, Parties und Konzerte stattfinden – und zwar mit einem klar antifaschistischen Anspruch. Es gibt in Hennigsdorf viele rechte Jugendliche, und denen muß eine aktive, kreative linke Jugendkultur entgegengestellt werden. Das ist aber im Conny nicht möglich, weil der Club wegen seiner »Neutralität« nicht einmal »Nazis raus«-Flyer erlaubt.

Wie haben die Anwohner auf die Besetzung reagiert?

Erstaunlich positiv. Viele haben sich gefreut, daß endlich mal etwas mit dem Haus passiert. Es stand ja schon 18 Jahre leer. Besonders haben sie sich gefreut, daß wir den Platz erst mal ordentlich entmüllt und die Fassade gestrichen haben. Nachbarn haben uns Putzmittel und Werkzeug ausgeliehen. Einmal wurde uns sogar ein großer Topf mit Suppe gebracht. Nur ganz wenige Anwohner guckten kritisch oder baten um mehr Ruhe.

Sie sagten schon, daß es in Hennigsdorf, nur eine S-Bahn-Station von Berlin entfernt, viele rechte Jugendliche gibt. Wie sind die Neonazis organisiert?

Zentraler Anlaufpunkt ist ihr Laden »On the Streets«, der sich in der Hauptstraße gegenüber der Polizeidirektion befindet. Dort bekommen sie rechte CDs und Kleidung, außerdem wird der Laden als Treffpunkt genutzt. Am Mittwoch wurden wir ja von den Rechten angegriffen. Später wurden die Angreifer in der Nähe des Ladens von der Polizei angehalten. Auch sonst haben sich in der vergangenen Woche dort mehrfach Gruppen getroffen.

Aber nach dem ersten Angriff von fast 40 Neonazis ist nichts mehr passiert?

Abends kamen manchmal Nazis vorbei und haben die Leute, die Schutz und Nachtwache gemacht haben, angepöbelt und beleidigt. Auch den Hitlergruß haben sie gezeigt. Nach dem ersten Angriff standen aber immer Polizisten vor dem Haus. Sie haben Platzverweise ausgesprochen und die Personalien der Rechten aufgenommen. Am Montag hat es dann noch einen Übergriff gegeben. Drei Nazis haben vermummt vor der Wohnung einer Frau gestanden, die ein paarmal bei uns im Haus war. Sie ist nichtsahnend aus dem Haus gekommen und wurde sofort mit dem Kopf gegen den Briefkasten gestoßen, so daß ihr schwarz vor Augen wurde. Sie hat Anzeige erstattet.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir haben ein Anliegen und werden keine Ruhe geben, bis wir dem näher kommen. Wir überlegen, einen Verein zu gründen und wieder Gespräche mit der Stadt aufzunehmen. Aber auch Aktionen werden sicherlich nicht fehlen.

//Interview: Wladek Flakin //aus der jungen Welt vom 18.7.07.

 

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