„Ich bin Jude, aber ich unterstütze Israel nicht“
Brief an REVOLUTION von Richard aus Nordlondon
Ich komme aus einer jüdischen Familie. Wie viele jüdische Menschen in England bin ich nicht gläubig und sehr assimiliert. Aber wie nur wenige jüdische Menschen bin ich gegen Israel. Ich möchte erläutern, warum ich dagegen bin, dass die furchtbaren Sachen, die die israelische Armee Tag für Tag den PalästinenserInnen antut, in meinem Namen geschehen.
Israel wurde nach dem zweiten Weltkrieg errichtet, als sechs Millionen Juden und Jüdinnen von den Nazis in Konzentrationslagern vernichtet wurden. Aber es wurde in einem Land gegeründet, in dem bis 1949 die Mehrheit der Bevölkerung PalästinenserInnen waren, hauptsächlich MuslimInnen und ChristInnen.
Israel behauptet von sich oft, die einzige Demokratie im Nahen Osten zu sein. Doch es hat ein rassistisches Staatsbürgerschaftsgesetz, um festzulegen, wer in Israel leben darf und wer nicht. Damit wird künstlich eine jüdische Mehrheit im Land geschaffen. Das nennt man „Wiederkehrgesetz“. Es heißt, ich könne nach Israel fahren und Staatsbürger werden, so bald ich aus dem Flugzeug ausgestiegen bin. Aber PalästinenserInnen, deren Familien seit Generationen dort gelebt haben, wird das Recht auf “Wiederkehr” verweigert. Stattdessen müssen sie in Flüchtlingslagern leben.
Manche sagen mir, ich sollte Israel unterstützen. Warum? Für mich ist die Lektion des Holocaust, nicht dasselbe gegen jemanden anderen zu machen, sondern gegen jegliche Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu kämpfen, egal wer dafür verantwortlich ist. Als die JüdInnen im Europa der Nazis unterdrückt wurden, gab es mutige Menschen in Deutschland, die sich diesem Projekt ihrer Landsleute widersetzten. Sie liefen Gefahr, als Verräter gebrandmarkt zu werden, weil sie wussten, dass „ihr“ Staat was Falsches gemacht hat. Sie weigerten sich, einfach zu sagen: „Hin oder her: es ist mein Land.“ Ich hoffe, ich hätte mich auch so verhalten, wäre ich in der Situation gewesen. Deshalb lasse ich mich auch von meiner Herkunft nicht abhalten, mich gegen Israel auszusprechen.
Manche Menschen glauben, die Antwort ist, in Palästina zwei Staaten zu haben - einer für PalästinenserInnen und einer für JüdInnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktioniert. Die Aufrechterhaltung eines jüdischen Staates in Palästina bedeutet, das rassistische Wiederkehrgesetz zu behalten. Sonst würde es keine mehrheitlich jüdische Bevölkerung geben.
Es ist eine Tragödie, dass der Versuch, einen jüdischen Staat aufzubauen, in einem Land durchgeführt wurde, das schon zuvor bewohnt war. Doch die Schlussfolgerung ist, dass ein rein jüdischer Staat in Palästina nur auf der Basis rassistischer Diskriminierung der AraberInnen existieren kann. Diese Tatsache hat den Teufelskreis von Blutvergießen und Krieg verursacht.
Die einzige Antwort ist ein Staat, in dem JüdInnen und AraberInnen zusammen leben, ohne besondere Privilegien für irgendeine nationale, ethnische oder religiöse Gruppe - ein sozialistisches Palästina für alle Menschen in diesem Land. Deshalb unterstütze ich die Rebellion der palästinensischen Jugend und die Bestrebungen von REVOLUTION, eine Jugendbewegung in Palästina aufzubauen, die eine sozialistische Perspektive in den Kampf hineinträgt.