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Wer hat Angst vorm roten Mann?

Die Äußerungen einer DKPlerin bieten Anlass für eine antikommunistische Hetzkampagne

Ende Januar bekam die Linkspartei mehr als 5% bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen. Gerade zwei Wochen später war eine riesige Medienkampagne im Gang: bürgerliche Zeitungen schrieen auf ihren Titelseiten, Linkspartei-Abgeordnete wollen „die Stasi zurück haben!“

Es ging um Christel Wegner, ein Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), die über die offenen Listen der Linkspartei in den Landtag von Niedersachsen gewählt wurde. In einem Interview in der Fernsehsendung „Panorama“ äußerte sie sich zu ihren politischen Ziele und auch zu ihren Differenzen mit der Linkspartei.

Im Interview äußerte sie sich gar nicht zur „Stasi“, zum Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Wörtlich sagte sie, unter anderem: „Ich denke nur, wenn man eine andere Gesellschaftsform errichtet, dass man da so ein Organ wieder braucht, weil man sich auch davor schützen muss, dass ... reaktionäre Kräfte die Gelegenheit nutzen und so einen Staat von innen aufweichen.“ Sie meinte außerdem: „Die Macht des Kapitals kann nur dadurch überwunden werden, dass wir eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel bekommen.“

Die Reaktionen der Linken

Die gesamte Linkspartei reagierte innerhalb weniger Stunden mit Distanzierungen. Parteistar Gregor Gysi meinte wörtlich: „Es gibt für uns keinen Weg zurück zur DDR. Es gibt für uns keinen Weg zur Verstaatlichung der Produktionsmittel.“ Seine Kritik an der DDR ist also nicht, dass eine Partei- und Staatsbürokratie die ArbeiterInnen von der Kontrolle über die Planwirtschaft ausschloss, sondern dass es überhaupt zu einer Enteignung des Kapitals gekommen war. Jetzt versichert er den KapitalistInnen – auch im Hinblick auf mögliche Regierungsbeteiligungen auf Bundesebene –, dass sie von der Linkspartei nichts, aber wirklich gar nichts, zu befürchten haben.

Die Linksfraktion im niedersächsischen Landtag schloss Christel Wegner sofort aus (obwohl bis heute nicht geklärt ist, was sie genau gegenüber Panorama gesagt hat, weil die Redaktion die Veröffentlichung des Interviews verweigert). Aber fast alle Bestandteile der Linkspartei unterstützen diese Kampagne: Die Jugendorganisation Linksjugend [‘solid], die sich selbst gern als linker Teil der Partei sieht, forderte Christel Wegner zur Mandatsniederlegung auf. Selbst die Europabgeordnete Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform der Linkspartei stimmte in den „Leg dein Mandat nieder!“-Chor mit ein.

Solidarität, aber...

Tatsächlich sind die Ansichten von Christel Wegner nicht unproblematisch. Sie und die DKP insgesamt sehen die DDR und die ehemalige Sowjetunion als mehr oder weniger sozialistisch an. Für sie ist es OK, dass keine gewählten Arbeiterräte sondern eine priviligierte und tyrannische Bürokratie regierte. (Solche „Sozialismus“modelle werden auch einer der Gründe sein, warum der Sozialismus heutzutage nicht besonders populär ist.)

Wir stimmen tatsächlich damit überein, dass eine sozialistische Gesellschaft sich verteidigen muss. Denn die Herrschenden werden sich mit allen Mitteln gegen eine Revolution zur Wehr setzen – das können wir bei allen erfolgreichen und gescheiterten Revolutionen sehen. Aber wir glauben nicht, dass „ein Organ“ im Sinne einer staatlichen Bürokratie à la Staatssicherheit notwendig sein wird. Die ArbeiterInnen und Werktätige werden sich in Räten organisieren und durch diese die gesamte Gesellschaft verwalten – damit werden sie auch in der Lage sein, die Konterrevolution abzuwehren.

W.I. Lenin war auch der Meinung, dass nach der Revolution die Niederhaltung der ehemaligen AusbeuterInnen notwendig sein wird. Aber er fügte hinzu: „die Niederhaltung der Minderheit der Ausbeuter durch die Mehrheit der Lohnsklaven von gestern ist eine so verhältnismäßig leichte ... Sache, daß sie viel weniger Blut kosten wird als die Unterdrückung von Aufständen der Sklaven, Leibeigenen und Lohnarbeiter ... Und sie ist vereinbar mit der Ausdehnung der Demokratie auf eine so überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, daß die Notwendigkeit einer besonderen Maschine zur Unterdrückung zu schwinden beginnt. Die Ausbeuter sind natürlich nicht imstande, das Volk niederzuhalten ohne eine sehr komplizierte Maschine zur Erfüllung dieser Aufgabe, das Volk aber vermag die Ausbeuter .... ohne einen besonderen Apparat niederzuhalten, durch die einfache Organisation der bewaffneten Massen.“

Die StalinistInnen in der ehemaligen DDR (und der DKP heute) haben Lenins Vorstellung vom Sozialismus – die zunehmende Selbstverwaltung der Massen, das zunehmende Verschwinden des Staates – stets abgelehnt. Wir hatten oft genug hitzigen Streit mit Mitgliedern der DKP über genau diese Frage.

Aber uns ist klar, dass diese Hetzkampagne nicht nur gegen DDR-Fans, sondern gegen alle SozialistInnen gerichtet ist. Durch diese Medienkampagne (und auch durch die oben zitierten Äußerungen von Gregor Gysi) wird suggeriert, dass jeder Versuch, den Kapitalismus zu überwinden, zwangsläufig zu einer stalinistischen Diktatur wie in der DDR führt. Deswegen sagen wir gleichermassen:

Solidarität mit Christel Wegner! Gegen die mediale Hetzkampagne!

Für revolutionären Sozialismus statt Reformismus oder Stalinismus!

//von Wladek, Revo Berlin //REVOLUTION Nr. 28

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