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90 Jahre Russische Revolution: Teil 4

Der Kornilowputsch

Im September versucht ein alter General einen Militärputsch

Die russische Revolution war im Sommer auf einem Tiefpunkt: nach einem gescheiterten Aufstand im Juli hatte die Reaktion hart zurückgeschlagen. Die Sowjets wurden entmachtet, viele RevolutionärInnen landeten im Gefängnis, Überfälle auf ArbeiterInnen und ihre Organisationen waren an der Tagesordnung. Die Bolschewiki hatten massiv an Einfluss verloren. Doch noch vor Beginn des Augusts begann die bolschewistische Partei, wieder zu wachsen – und zwar rasanter als je zuvor. Die Repression entfremdete die Arbeiterschaft weiter von der „demokratischen“ provisorischen Regierung unter dem Ministerpräsidenten Kerenski.

Die Staatsberatung

Kerenski berief eine „Staatsberatung“ nach Moskau ein, die seine Stärke demonstrieren sollte. Am 12. August kamen VertreterInnen einiger Arbeiterorganisationen und der Oberschichten nach Moskau, um dort ein Theaterstück der Einheit und Stärke aufzuführen. Doch unter der Führung der von der Beratung ausgeschlossenen Bolschewiki traten die Moskauer ArbeiterInnen in den Generalstreik: Kein Licht, kein Verkehr, keine Produktion. Die „Staatsberatung“ demonstrierte eher die Spaltung Russlands in zwei gegnerische Lager: Auf der einen Seite die ArbeiterInnen und armen Bauern/Bäuerinnen, auf der anderen die KapitalistInnen und GutsbesitzerInnen.

Schon während der Moskauer Beratung zeigte der Oberbefehlshaber der russischen Armee seine Präsenz: General Kornilow drohte, „entscheidende Schritte zur Rettung des Landes“ an, falls Riga in die Hände der Deutschen fiele. Doch Kornilow hatte den Termin für seinen Aufstand bereits auf den 27. August festgelegt. Sein Plan war folgender: Unter dem Vorwand der Reserve für die Verteidigung Rigas wurden Truppen um die Hauptstadt Petrograd zusammengezogen. Dann sollte ein „bolschewistischer“ Aufstand provoziert oder imitiert werden, worauf Kornilows Truppen in die Stadt einziehen würden, um dort die Regierung abzusetzen, die Bolschewiki zu vernichten und, so Kornilow, „wenn es notwendig sein sollte, den ganzen Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten aufzuhängen.“

Im Hauptquartier

Dem Ministerpräsident Kerenski war nicht entgangen, was sich im Hauptquartier der Militärs tat. Die Mächtigen gingen dort ein und aus, es war nur eine Frage der Zeit bis zur Erhebung der Generäle. Auf der anderen Seite standen die Volksmassen, die in immer größerer Zahl zu den Bolschewiki gingen. Kerenski stand allein und sah nur einen Ausweg: Er selbst würde die Forderungen der Generäle erfüllen.

Er trat in geheime Verhandlungen mit dem Hauptquartier und sie einigten sich darauf, den Belagerungszustand zu verhängen und repressive Gesetze zu erlassen. Kornilow ging auf einige Forderungen Kerenskis ein, denn der Ministerpräsident mit dem Parteibuch der „Sozialrevolutionäre“ bot ihm eine wunderbare demokratische Deckung.

Doch diese Deckung währte nur kurze Zeit. Als Kerenski am 26. August weitere Verhandlungen über eine Militärdiktatur anbot, glaubte man im Hauptquartier, der Ministerpräsident wäre geliefert, und bat ihn, zur eigenen Sicherheit, ins Hauptquartier zu kommen. Doch Kerenski dachte nicht daran, in die Höhle des Löwen zu reisen.

Am 27. August erklärte Kerenski Kornilow für abgesetzt. Kornilow ging daraufhin an die Öffentlichkeit: „Gezwungen offen hervorzutreten erkläre ich, General Kornilow, dass die provisorische Regierung unter dem Druck der bolschewistischen Sowjetmehrheit im völligen Einverständnis mit den Plänen des deutschen Generalstabs handelt, ... die Armee mordet und das Land im Innern erschüttert.“ In Eisenbahnstaffeln machten sich die Truppen der Putschisten auf den Weg nach Petrograd. Mit dabei waren auch englische Panzerwagen – der britische General Knox erklärte gegenüber einem amerikanischen Kameraden: „Ich bin an der Kerenski-Regierung desinteressiert, sie ist zu schwach; man braucht die Militärdiktatur ... dieses Volk braucht die Knute!“

Verhandeln und Verhandeln

Und Kerenski war schwach. Er verhandelte mit Generälen und bürgerlichen Politikern über die Errichtung eines diktatorischen Regimes, zusammen mit Kornilow. Fast wäre es Kerenski noch gelungen, auf die Seite der Konterrevolution überzugehen, als Vertreter eines Komitees bei ihm vorstellig wurden. Das „Komitee zum Kampfe gegen die Konterrevolution“ forderte ihn zum Handeln auf. Nun konnte Kerenski nicht anders als zu versprechen, gegen die Konterrevolution zu kämpfen.

Nun betraten die revolutionären ArbeiterInnen und Soldaten die Bühne des Kampfes. Ihre Sowjets (Räte) tagten ununterbrochen. Die „Roten Garden“ wurden aufgestellt, Soldaten lehrten den Umgang mit Waffen. Am 29. August standen vierzigtausend RotgardistInnen unter Waffen. In Windeseile wurden Schützengräben ausgehoben, Unterstände und Stacheldrahtverhaue errichtet. Die Waffenfabriken liefen auf Hochtouren. Die Angestellten der Telegrafenämter fingen die Nachrichten des Armee-Oberkommandos ab und leiteten sie an das Komitee weiter. Aus Kronstadt und Wyborg kamen große Abteilungen revolutionärer Soldaten. Und von den zweitausend Konterrevolutionären, die in Petrograd den Aufstand beginnen sollten, war kein einziger auf den Straßen zu sehen.

Den wichtigsten Teil aber erledigte die Eisenbahnergewerkschaft. Sie bewaffnete sich nicht nur, sie nahm die Schienen auseinander. Planlos wurden die putschistischen Truppen mal hierhin, mal dorthin geleitet. Schließlich unterwarf sich ein General am 31. August, ohne eine einzige Kampfhandlung, dem Ministerpräsidenten Kerenski. Kornilow bekam zur Strafe Hausarrest.

Bolschewiki als SiegerInnen

Die Bolschewiki waren die klaren SiegerInnen des Kampfes. Schon lange vor dem Aufstand hatten sie unermüdlich vor der Gefahr der Konterrevolution gewarnt. Für die KapitalistInnen war die „demokratischen“ Regierung zu schwach – als diese durch eine offene Militärdiktatur ersetzt werden sollte, waren die Bolschewiki vorbereitet und wussten, wie der Putsch zu verhindern war. Der Sozialdemokrat Suchanow schreibt: „Ungeachtet dessen, dass sie in der Minderheit waren, war es ganz klar: im Militärischen Revolutionskomitee gehörte die Hegemonie den Bolschewiki“.

Durch den direkten Kampf wurden die Bolschewiki, von denen viele in Kerenskis Gefängnissen saßen, automatisch in den Vordergrund gestellt. In den Tagen des Kampfes gegen Kornilow schrieb Lenin: „Wir werden kämpfen, wir kämpfen gegen Kornilow ... aber wir unterstützen Kerenski nicht, sondern entlarven seine Schwäche. Das ist ein Unterschied.“

Im Kampf gegen Kornilow sammelten die ArbeiterInnen die Kräfte (und die Waffen), um zwei Monate später auch die provisorische Regierung zu stürzen.

//von Jalava, Revo Berlin //REVOLUTION Nr. 25

//die Revolution ging nach Sept. weiter – diese Serie auch

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