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Die spanische Revolution

Vor 70 Jahren begann ein faschistischer Militärputsch, aber auch ein revolutionärer Aufstand

Der Putsch der spanischen Faschisten begann am 18. Juli 1936 und endete drei Jahre später mit der Machtübernahme General Francos. Das Ziel des Aufstandes von Kapitalisten und Offizieren war es, Spanien vor dem Bolschewismus zu retten. Was passierte in den drei Jahren des Bürgerkriegs, damit die Arbeiter- und Bauernschaft trotz heftigem Kampf gegen den Faschismus unterlagen?

Die Vorgeschichte

Spanien war ein rückständiges Land. Der überwiegende Teil der spanischen Bevölkerung gehörte der Bauernschaft an. Die Industrie war kaum entwickelt und auf einige wenige Zentren in Spanien konzentriert; die Industriearbeiterklasse machte lediglich 2% der Gesammtbevölkerung aus. Doch gerade der Aufbau der spanischen Wirtschaft in Ballungszentren verhalf der Arbeiterklasse zu höherem Gewicht. Man könnte meinen, das seien schlechte Ausgangsbedingungen für eine sozialistische Revolution, aber es waren gesellschaftlich nahezu die gleichen Verhältnissen wie die in Russland zur Revolution.

Der Kampf der unteren Schichten gegen die Herrschaft begann in Spanien schon fünf Jahre zuvor. 1931 trat König Alfonso XIII wegen starken Protesten der ArbeiterInnen und BauerInnen ab. Es wurde die spanische Republik proklamiert.

Doch schnell zeigte sich, das diese bürgerliche Republik nicht im Stande war, die Probleme der Bevölkerung zu lösen. Das hieß, dass die Macht der katholischen Kirche nicht eingeschränkt wurde, die Offizierskaste (die während der vielen Staatsstreiche ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herangereift war) behielt ihre absolute Herrschaft über die Armee, die ungerechte Landverteilung wurde nicht angetastet und die Kolonie Nordwest-Marokko blieb weiter unter der Knute von Nationalgarde und Söldnern, und damit eine Brutstätte der Reaktion. Das Streikrecht schränkte man bis aufs Äußerste ein und die gewählten Regierungen konnten vom Präsidenten jederzeit aufgelöst oder mit diktatorischen Mitteln ausgestattet werden. Alles in allem wurde nur der König gegen die parlamentarische Regierung ausgetauscht – der Staat mit seinem Gewaltapparat blieb derselbe.

Die Volksfront

Nach dieser ersten großen Enttäuschung konnten bei den folgenden Wahlen im Jahr 1933 die rechtsrepublikanischen und reaktionären Kräfte die Mehrheit erlangen und eine Regierung bilden. Aufgrund des Fehlens einer Massenbasis verzichteten die klerikalfschistische CEDA unter Gil Robles vorerst auf Ministerposten.

Es brodelte seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland vor allem auch in der spanischen Sozialdemokratie. Ein immer größer werdender linksradikaler Flügel entstand, getragen von der Sozialistischen Jugend. Dieser bildete eine Antifaschistische Allianz. Erst aufgrund von Druck durch die Kommunistische Partei, die vollständig von der stalinistischen Bürokratie in Russland kontrolliert wurde, bildete sich die “Volksfront”, ein Wahlbündnis zwischen Arbeiterorganisationen und “fortschrittlichen” Parteien des Bürgertums. Um diese bürgerlichen Verbündeten nicht zu verschrecken, bekannte sich die Volksfront zum Privateigentum.

In ihrem Handlungsspielraum nun sehr eingeschränkt, beschloss die CEDA trotz aller Drohungen in die Regierung einzutreten. Der darauf folgende Generalstreik, wenn auch letztendendes niedergeschlagen, machte klar, dass sich dieses Kabinett nicht mehr lange halten konnte. Gil Robles nutzte die verbleibende Zeit als Verteidigungsminister, Militäranlagen inmitten Spaniens zu errichten, um den sich abzeichnenden Militärputsch zu unterstützen.

Die anarchistische Gewerkschaft CNT, die vor allem in den Industriegebieten wie Katalonien extrem stark war, kam dermaßen in Bedrängnis, dass sie auf ihren traditionellen Aufruf zum Wahlboykott verzichtete, was als ein Wahlaufruf für die Volksfront verstanden wurde.

Mit Ministern der KP, der Sozialisten und etlichen linksbürgerlichen Parteien, und indirekt unterstützt von CNT und POUM (einer Einheitspartei aus Ex-TrotzkistInnen und rechten KommunistInnen), gewann die Volksfront die Wahlen. Ihr Regierungsprogramm war jedoch dasselbe wie das der Regierung 1931-33. Alles wurde beim alten belassen. Die enttäuschte Bauernschaft schritt mancherorts selbst zur Tat, um das durchzusetzen, was die Volksfront versprochen hatte aber nicht umsetzen konnte: sie begannen, Pfaffen zu vertreiben und Kirchen – die Symbole geistiger Knechtschaft – niederzubrennen. Die Regierung stellte sich jedoch sogleich auf die Seite der Herrschenden und entsendete Einheiten der Guardia Civil, der paramilitärichen Polizei Spaniens, um die Bauernschaft zur Ruhe zu bringen. Die Protestwelle auf dem Land und in der Stadt nahm immer größere, bald revolutionäre Ausmaße an und drohte, soweit zu wachsen, dass sie die Republik einfach hinwegspülen würde.

Schnell wurde der Kapitalisenklasse bewusst, dass sie handeln muss.

niemand ist zu jung für den Kampf gegen den Faschismus!

Der Putsch

Am 17. Juli lag der Volksfrontregierung das Manifest Francos vor und am 18. begann der Putsch. Die ganze Spanische Armee stellte sich auf die Seite der Faschisten. Die Einzigen in Spanien, die nichts zu begreifen schienen, war das Regierungskabinett, das lediglich seine Freude über die Solidaritätsbekundungen der Arbeiterorganisationen ausdrückte und zur Fortsetzung des Alltagslebens aufrief. Die Arbeiterschaft hingegen war nicht so schwer von Begriff. In Katalonien begannen Proletarier, nur mit Küchenmesser und Benzin bewaffnet, Kasernen zu belagern. In Madrid baute die sich radikalisierende Sozialistische Jugend Barikaden auf und in Asturien machten sich über 2000 BergarbeiterInnen bereit, mit Dynamit bewaffnet in die Hauptstadt zu ziehen um diese vor dem Faschismus zu bewahren.

Durch spontane Kämpfe der ArbeiterInnen konnten die Aufstände in fast allen Teilen Spaniens niedergeschlagen werden. In Katalonien begannen CNT und POUM mit dem Aufbau von Milizen und die Anarchisten beriefen das Zentralkommitee der antifaschistischen Milizen ein, das de facto die Macht in Katalonien übernahm. Zusammengesetzt war dieses aus fünf AnarchistInnen, zwei SozialdemokratInnen, einem POUM-Mitglied, einem Stalinist und noch einem Vertreter der linksbürgerlichen Bauernunion.

Dieses Komitee stellte sich hinter die Aktivität der Arbeiterschaft, die nun daran ging die Betriebe selbst zu verwalten. Es wurde ein Wirtschaftsrat einberufen, der die proletarische, also kollektive Wirtschaft etablierte. So wurden z.B. Arbeitslose in ihre alten Betrieb eingestellt, das Land wurde aufgeteilt und kollektiv bearbeitet und die Nahrungsmittelvergabe kontrolliert. Diese Art der Wirtschaft zeigte in Katalonien ihre Überlegenheit so deutlich, dass während des Bürgerkriegs (also während immer weniger ArbeiterInnen da waren, um zu produzieren) Löhne erhöht, teilweise die Arbeitszeit gar verkürzt und der Hunger total ausgerottet werden konnte. Wenn Milizen Dörfer befreiten, wurde das Land aufgeteilt oder kollektiviert und die Schuldscheine verbrannt. Vielerorts wurden die Kirchen nun als Lagerhäuser oder Schulen benutzt.

Doch sollten die Komitees dem spanischen Proletariat bald zum Verhängnis werden. Denn sie waren keine von den ArbeiterInnen kontrollierten Räte und als sich die Arbeiterorganisationen der Volksfront und damit der Konterrevolution unterordneten, lösten sich die Komitees schlichtweg auf und ließen das Proletariat im Regen stehen.

Der Wolf im Schafspelz

Der revolutionären Entwicklung standen einige Interessensgruppen gegenüber. Die stalinistische Sowjetunion konnte eine sozialistische Revolution in Spanien nicht dulden: sie erhoffte sich ein Bündnis mit Frankreich und England im kommenden Weltkrieg. Die quasi bedeutungslose spanische KP wurde deshalb mit Geld aus Russland aufgepumpt und ihr wurde befohlen in Katalonien mit der sozialdemokratischen PSOE zusammenzugehen. Durch den Zwangszusammenschluss zwischen der großen sozialistischen Jugend und der viel kleineren stalinistischen Jugend bekam die Sowjetunion die Chance, diese durch den Einkauf ihrer Führung unter Kontrolle zu bringen und ihre Radikalisierung zu stoppen.

Zugleich verschaffte sich Sowjetrussland eine ungeheure Machtposition, indem es als einziges Land Waffen an Spanien verkaufte. So gewannen die Stalinisten die Möglichkeit, sich als UnterstützterInnen der Revolution darzustellen und anderseits immer mehr Druck auszuüben. Die Waffen und Munition waren alt und wurden nur in Schüben geliefert sodass nie eine Generaloffensive möglich wurde. An die Frontabschnitte, wo anarchistische oder POUM-Milizen kämpften, wurden erst gar keine Waffen geliefert. Agenten des sowjetischen Geheimdienstes GPU strömten ins Land, die mit der Errichtung von Folterzentren für gefährliche POUM- und CNT-AktivistInnen ihre Arbeit aufnahmen.

Die zweite Gruppe, die aus natürlichem Interesse nur gegen eine revolutionäre Entwicklung sein konnte, war das Bürgertum und ihre bürgerlichen Parteien in der Volksfront. Die Republik ist für sie stets der vorteilhafteste Staat, da er dem Bürgertum Privateigentum an Produktionsmitteln und eine relativ freie und verschleierte Ausbeutung zusichert – der Faschismus hingegen ist nur das letzte Mittel im Kampf gegen die Arbeiterklasse und die Revolution.

Die Konterrevolution

So wurde POUM und CNT vorgeworfen, durch ihre Positionen das Volksfrontbündnis zu zerstören und die spanische Republik vollkommen von den „Demokratien“ Frankreich und England zu isolieren. Von der Volksfrontallianz gedrängt, trat die POUM und die CNT in die schon so gut wie entmachtete katalanische bzw. gesamtspanische Regierung ein (damit wehrte sich die POUM gegen die schlimmste aller stalinisischen Beschuldigungen, sie sei trotzkistisch, denn TrotzkistInnen würde nie einer bürgerlichen Regierung beitreten).

Dieser Regierungsbeitritt verhalf den konterrevolutionären Kräften nun, ihren Staatsapparat wieder aufzubauen. Dem kämpferische Proletariat fehlte nun die Organisation, welche ihre revolutionären Organe wie Fabrikräte, Bauernräte, Milizkomitees usw. aufrechterhalten und aufbauen konnte. Von ihren Führungen verraten, konnte die Konterrevolution nun in die Offensive gehen. Zuerst wollte man das aufgeregte Bürgertum durch die Rückgabe kollektivierte Ländereien und Betriebe an die alten Besitzer wieder beruhigen. Gleichzeitig wurde der Kampf gegen die Arbeiterpresse aufgenommen indem man die Zensur vorantrieb, für welche ein Ministerium unter CNT-Führung zuständig war.

Schwerer war es, der Bewaffnung des Proletariats ein Ende zu machen. Die Regierung verbat jetzt den Besitz und das Tragen von Waffen, und so kam es in Barcelona dazu, dass die bürgerliche Polizei die Arbeitermilizen, diese aber wiederum auch die Polizei entwaffnete, wo immer eine Partei die Überhand hatte.

Die absehbare Zuspitzung dieses Konflikts folgte im Mai 1937. Nach dem fehlgeschlagenen Versuch von Guardia Civil, das von der CNT besetzte und verwaltete Telefonhaus zu stürmen, begannen die Gefechte zwischen Arbeitermilizen und Polizei. Barrikaden wurden errichtet und die Arbeiterviertel von der Polizei befreit. Nur noch die CNT-Führung konnte helfen und half der Konterrevolution ihre eigenen Milizen zu besänftigen. Schließlich kam es zur Vereinbarung, dass beide Seiten die Waffen niederlegen sollten. Nach dem Einreißen der Arbeiter-Barrikaden wurde das Telephonhaus, das Symbol der CNT-Macht in Barcelona, von der Guardia Civil besetzt und die Quartiere von CNT und POUM gestürmt. Es folgten Massenverhaftungen und Erschießungen. 500 Tote und unzählige Verwundete und Gefangene war das Ergebnis der „Maitage”.

Das Ende der Linken

Nachdem die POUM- und die CNT-Führungen ihren Job in der Regierung getan hatten, nämlich die Kraft des Proletariats zu brechen, wurden sie, wie die linken SozialistInnenen, aus der Regierung geschmissen und es bildete sich ein neues Kabinett. Dieses bestand nur noch aus Stalinisten, rechten Sozialdemokraten und Bürgerlichen. Der Propagandafeldzug gegen die POUM – mit solch absurden Vorwürfen wie sie würde mit den Faschisten unter einer Decke stecken – wurde verstärkt. Mit neuen Gesetzen und wütenden Anschuldigungen wurde die Festnahme der POUM-Führung und die Zerschlagung der ganzen Organisation gerechtfertigt und durchgeführt. Auch die CNT und vor allem ihre Presse wurden weiter unterdrückt.

Viele ProletarierInnen werden sich zu recht gefragt haben, ob es überhaupt einen Unterschied zwischen dieser Republik – mit all ihrem Polizeiterror, Verboten und GPU-Agenten – und einem faschistischen Staat gäbe.

Der Sieg der Faschisten

Zwar gab es gerade zu Anfang des Bürgerkriegs aussichtsreiche Chancen, Franco aufzuhalten. Doch sind die Gründe für die Niederlage der Republik schnell genannt: so die bekannte Unterstützung der Faschisten von Deutschland und Italien, welche die Armee mit neuster Waffentechnik und Soldaten verstärkte; die Kämpfe der Regierung gegen die Arbeiterschaft, die ungeheuer viel Moral und auch militärische Kraft kosteten; zuletzt noch das Bündnis mit dem Bürgertum, welches auch noch dazu führte das viele Städte kampflos aufgegeben wurden. Denn die Besitzer und Ausbeuter unter den „Antifaschisten” wollten um jeden Preis vermeiden, dass ihr Besitz bei einer Belagerung möglicherweise zerstört werden würde. Auch haben Kapitalisten nie das gleiche Interesse gegen den Faschismus zu kämpfen wie die ArbeiterInnen. Sie können immer noch hoffen, ihren Besitz zu behalten, nachdem der Faschismus die Macht ergriffen hat. Für das Proletariat hingegen heißt Faschismus Elend, Terror und Tod und keinerlei Interessensvertretung ihrer Klasse.

Anfang 1939 rückten die Faschisten dann in Katalonien ein und eroberten Barcelona ohne weitere Probleme - die größten Kämpfer gegen den Faschismus waren schon vorher gefallen, durch die Klinge der bürgerlich-stalinistischen Republik.

Die Möglichkeiten der Revolution

Die beginnende Revolution hatte gute Ansätze und alle Möglichkeiten. Doch durch den Verrat am Proletariat durch die Führung seiner Organisationen war sie zum Scheitern verurteilt. Die Angst vor der Isolation von England und Frankreich, an deren Intervention noch viele bis kurz vor Francos Sieg gehofft hatten, war offensichtlich Schwachsinn. Die beiden „Demokratien“ hatten gar nicht vor, eine so schwache Republik zu unterstützen, die keine Basis in der Bevölkerung haben konnte. Viel eher nahmen sie Verhandlungen mit Franco auf und noch vor dem faschistischen Sieg konnten sich die Regierungen von Frankreich und England sicher sein, dass Spanien im kommenden Weltkrieg neutral bliebe.

Die POUM, anstatt zu versuchen, dem Proletariat den revolutionären Weg zu weisen und sich an seine Spitze zu stellen, schmiss Mitglieder, die für sich für Revolution und Rätemacht aussprachen, zu welcher es gerade mit den selbstverwaltenden Betrieben Kataloniens und den Bauernkollektiven freilich Ansätze gegeben hatte, aus der Organisation. Viele dieser Individuen schloßen sich daraufhin als Bolschewiki-Leninisten, also Anhänger der Vierten Internationale aka Trotzkisten, zusammen, konnten aber nicht mehr viel Einfluss gewinnen.

Was in Spanien gefehlt hat, war eine Organisation die die Revolution vorantreibt und dem Proletariat eine Perspektive eröffnet für die es sich zu kämpfen lohnen würde. Solch eine Organisation, die den Kampf gegen den Faschismus mit dem Kampf für die Revolution verbindet, brauchen wir auch heute.

//von Joss aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 20

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