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Alle Räder stehen still...

Streiks in ganz Europa gegen Arbeitszeitverlängerung, Sozialabbau und Privatisierung

Streik in Deutschland!

Seit Anfang Februar ist Streik das Schlagwort, wenn es um den öffentlichen Dienst geht. In elf Bundesländern haben die Gewerkschaften zum Arbeitskampf aufgerufen. Grund dafür ist die Forderung der Länder und Kommunen, die Wochenarbeitszeit der ArbeiterInnen von 38,5 auf 40 Stunden zu erhöhen. Auch das Weihnachts- und Urlaubsgeld wird in Frage gestellt. Die 40 Stunden pro Woche, das wären ja nur 18 Minuten mehr pro Tag, sagen die Arbeitgebervertreter und grinsen in die Kameras. Doch sagen sie nicht, dass damit etwa 400.000 Arbeitsplätze vollkommen überflüssig würden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass bei den Abstimmungen durchschnittlich 95 % der Beschäftigten für den Streik stimmten.

Die beeindruckte Gegenseite griff in einigen Städten sogar zu illegalen Methoden: Ein-Euro-Jobber wurden zum Streikbruch gezwungen! Dies ist zwar nach geltendem Recht unzulässig, doch nur wer seine Rechte genau kennt, weiß sie auch durchzusetzten. ALG-II-EmpfängerInnen, deren Bezüge ohnehin auf ein Minimum reduziert sind, können es sich nicht leisten eine, wenn auch „nur“ bis zum Urteil währende Leistungskürzung abzubekommen.

Der Begriff „Lohnsklave“ bekommt hier seine eindeutige Bestätigung.

Die Gewerkschaftsführer der Lohnsklaven im öffentlichen Dienst werden jedoch auch diesen Streik verkaufen. Wer wirklich ein Interesse an einem erfolgreichen Abwehrkampf hat, geht nicht mit der Forderung der Beibehaltung der 38,5-Stunden in die Verhandlungen! Ein weiterer Beweis dafür, dass die ver.di-Bonzen mehr am „nationalen“ Wohl interressiert sind als an dem der Mitglieder, zeigt der hamburger Abschluss, der jüngeren ArbeiterInnen die 40-Stunden-Woche bescherte. Die gewählte „flexible“ Streiktaktik bedeutet, dass nur ein Bruchteil der Beschäftigten gleichzeitig streikt. Auch wenn es in den Medien anders vermittelt wird, der „größte Streik in der Geschichte der BRD“ beibt weit hinter den Möglichkeiten der Gewerkschaft zurück.

Notwendig war und ist verstärkter Widerstand. Wenn die Streiks ausgeweitet werden und der gesamte öffentliche Dienst stillsteht, wenn dieser Kampf mit anderen Arbeitskämpfen in der Privatwirtschaft (z.B. der Tarifauseinandersetzung in der Metallindustrie) verbunden wird, können die „Arbeitgeber“ nicht lange lamentieren und müssen sich beugen! Dann wäre es möglich, die Arbeitszeit Aller nicht nur beizubehalten sondern sogar noch zu verkürzen.

Streik in Frankreich!

Die Universität Sorbonne war erneut besetzt – wie schon im Mai 1968 als die französischen StudentInnen mit den ArbeiterInnen die de-Gaulle-Regierung kurzzeitig entmachteten, so dass diese nach Deutschland floh. Auch wegen dieses Symbolcharakters wurde die Universität von der Spezialeinheit CRS gestürmt. Gut, den 68er Umfang haben die jetzigen Proteste (noch!) nicht, aber dennoch: Die französische Jugend geht dieser Zeit auf die Barrikaden. Nach den Aufständen der Jugend in den Banlieus gegen die unzumutbaren Zustände, richtet sich der aktuelle Widerstand nun gegen das CPE-Gesetz von Premierminister de Villepin.

Der „Contrat première embauche“, der „Erstanstellungsvertrag“, soll angeblich ein adäquates Mittel zur Senkung der hohen Jugendarbeitslosikeit sein. Die liegt bei 20 Prozent, in einigen Gegenden sogar bei 40 Prozent.

Doch die Einführung des CPE ist keine karitative Maßnahme sondern ein direkter Angriff auf den Kündigungsschutz. Er erlaubt nämlich die Kündigung von jungen ArbeiterInnen innerhalb der ersten 24 Monate – ohne Angabe von Gründen.

Auf diesen Angriff antworteten die SchülerInnen und StudentInnen, dann auch die Gewerkschaften mit massenhaften Protesten. Hunderttausende gingen auf die Straße, unzählige Universitäten und Schulen wurden besetzt.

Doch de Villepin erfüllte dem Kapital den großen Wunsch und drückte das Gesetz durch. Auch mit massivem Polizeieinsatz, dem u.a. der Gewerkschaftsaktivist Cyril Ferez zum Opfer fiel. Er liegt bis heute im Koma.

Die jungen WiderständlerInnen lassen sich nicht unterkriegen. Sie fordern die sofortige Zurücknahme des Gesetzes und unterstreichen ihre Forderung mit Millionenprotesten. Die Gewerkschaften haben einen eintägigen Generalstreik angekündigt, aber gleichzeitig ihren Wunsch nach Schlichtung bekräftigt.

Wenn neben den 70 Unis und 800 Schulen auch die Fabriken besetzt würden, hätten de Villepin, die CRS und der ganze französische Kapitalismus düstere Aussichten...

Streik europaweit!

Wozu ein Streik führen kann, zeigen die Proteste gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie Port Package 2 (PP2).

Nachdem schon 2003 Port Package 1 am Widerstand der HafenarbeiterInnen gescheitert war, wurde ein neuer Versuch gestartet, die Häfen Europas der Markt(un)logik anzupassen. PP2 hätte eine enorme Verschlechterung der Situation der HafenarbeiterInnen bedeutet, weil Schiffsbesatzung dadurch zu Dumpinglöhnen und ohne gesicherten Arbeitsverhältnisse das Be- und Entladen selbst übernommen hätten.

Auf einer Konferenz der europäischen gewerkschaftlichen Dachverbände ETF und IDC wurde ein mehrwöchiger Aktionsplan festgelegt. Die ETF und IDC repräsentieren zusammen die ArbeiterInnen von ungefähr 100 europäischen Häfen. Der Plan war, dass die Europäische Transportarbeiterföderation (ETF), zu der auch Ver.di und einige Hafenarbeitergewerkschaften in Belgien gehören, am 11. Januar die Arbeit niederlegen. Das International Dockworker Council (IDC) rief auf zu einen 48-stündigen Streik am 16. Januar, zwei Tage vor der Entscheidung der EU.

Dem IDC gehören die großen französischen, spanischen und griechischen Hafenarbeitergewerkschaften an. Dadurch, dass der Streik international koordiniert war, konnte gesichert werden, dass das Verladen nicht auf andere Häfen überging.

Am 16. Januar gab es zugleich eine Massendemonstration mit ca. 8000 HafenarbeiterInnen durch Straßburg bis vor den Sitz des Europäischen Parlaments. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen, bei denen nicht wenige der Glasscheiben des Parlamentsgebäudes zu Bruch gingen. Der Druck auf das EU-Parlament war enorm. So stimmten die Parlamentarier mit einer großen Mehrheit von 532 zu 120 Stimmen gegen den Vorschlag.

Damit ist die Richtlinie zwar zunächst vom Tisch, aber ein neuer Vorschlag kann jederzeit eingereicht werden. Wie darauf seitens der HafenarbeiterInnen reagiert werden muss, lässt sich mit dem letzten Satz des Aktionsplanes der beiden Dachverbände beantworten: „Jede weitere, für die Hafenarbeiter inakzeptable Initiative, wird mit der gleichen Entschlossenheit bekämpft werden.“

Die Port-Package-Proteste zeigen, dass ein internationaler Streik möglich ist; dass eine komplette Arbeitsniederlegung, verbunden mit militanten Aktionen die Sozialabbau-Pläne der Herrschenden zunichte machen kann. In diesem Licht wirken die gewerkschaftlichen Proteste gegen die Bolkestein-Richtlinie – lahme Demonstrationen ohne Streiks – einfach nur lächerlich.

Nur wenn wirklich alle Räder stillstehn müssen die Herrschenden unsere Forderungen erfüllen.

//von Jalava aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 16

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