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Nach Hause, Arbeitsloser!

Neue Sozialabbaumaßnahmen betreffen v.a Jugendliche

Die ersten Änderungen an der Hartz-IV-Gesetzgebung wurden diesen Monat beschlossen. Arbeitslose unter 25 müssen nun genau darlegen, warum sie von zu Hause ausziehen wollen. Der arbeitslose Jugendliche darf nicht selber entscheiden, ob er/sie eine eigene Wohnung haben will. Gleichzeitig wurde der Grundbetrag Ost auf Westniveau angeglichen, eine Erhöhung um 11 € für die Betroffenen. Ein Abgeordneter der Linkspartei fand im Bundestag einen recht treffenden Vergleich: So dürfen Jugendliche zwar am Hindukusch für die Bundeswehr dienen, aber ein Recht auf eine eigene Haushaltsführung bleibt ihnen verwehrt.

Von nun an muss der/die Arbeitslose beweisen, dass die Lebensverhältnisse bei den Eltern für ihn/sie unzumutbar sind. Welcher Grad an Zerrüttung oder sozialer Katastrophe ihm/ihr das Recht zur Selbständigkeit gewährt, bleibt den Mühlen der Bürokratie, den einzelnen Ämtern und Sachbearbeitern vorbehalten. Von nun an wird geprüft, ob ein Jugendlicher ausziehen darf, gleichzeitig wird auch der Höchstbeitrag für zu Hause lebende Arbeitslose gesenkt – auf knapp 270 €!

Wie auch bei den weiter bestehenden Hartz-Gesetzen versucht der Staat, die Kosten der Arbeitslosigkeit zu senken und auf die Familien und Lebensgemeinschaften zu wälzen. Schon als Mitglied einer „Bedarfsgemeinschaft“ wurden die Kinder und deren Versicherungen und Einkommen voll miteingerechnet, auch ihre Vermögenswerte werden nun von der Agentur kontrolliert und ggf. für die Berechnung des Arbeitslosengeldes der Eltern mit herangezogen.

Gerade schulpflichtige Kinder und Kinder Alleinerziehender waren bislang die größten Opfer dieser Hartz Gesetze. Jede Kürzung von sozialen Leistungen trifft besonders die Schwächsten der Familie und das sind meistens die Kinder – daher leben auch mehr als eine Million von ihnen unterhalb der Armutsgrenze.

Mit dieser Änderung beschneidet die Große Koalition die Rechte von allen Arbeitslosen unter 25, allen Auszubildenden und allen SchülerInnen, die zukünftig von diesen Gesetzen betroffen sind. Nach einer Schul- oder Berufsausbildung haben Jugendliche kein Anrecht auf eine eigenständige Haushaltsführung. Die Jugendlichen werden ihrer eigenen Verwertbarkeit untergeordnet: haben sie einen Job, können sie eine eigene Wohnung mieten; sind sie arbeitslos, müssen sie zu Hause bleiben.

Ins Armenhaus, Renter!

Aber auch auf der anderen Seite der Demographie betreibt die Große Koalition Sozialabbau. Erleben die RentnerInnen in diesem Jahr die faktisch vierte Rentenkürzung in Folge, werden zukünftige RentnerInnen erst ab 67 in den Ruhestand gehen können. Der Renegat Müntefering zeigte seinen entschlossenen Willen, den Kapitalisten zu dienen, indem er möglichst früh die Rente ab 67 einführen will. Gerade in diesen Fragen müssen wir politische Solidarität üben – so schwer das mit manchen Rentnerorganisationen auch fallen mag – denn in der Frage des Sozialabbaus dürfen sich die Generationen nicht durch Angie & Münte spalten lassen.

Jede Rentendiskussion ist auch für die Jugend wichtig. Hier und heute wird entschieden wie wir später einmal im Alter leben können, wie viel Rente wir tatsächlich bekommen, welche Kranken- und Pflegeversicherung wir brauchen, usw. Jede/r, der/die schon heute mal einen Blick in ein staatliches Pflegeheim werfen durfte, weiß, unter welch erbärmlichen Bedingungen viele alte Menschen leben müssen.

Die „Politik aus einem Guss“, die uns Kanzlerin Merkel versprochen hatte, wird nun neoliberale Realität – untermalt von freundlichen Kommentaren des SPD-Vorsitzenden Platzeck, der inhaltlich anscheinend keine Position hat, solange er freundlich in die Kameras schauen darf.

Zu Aldi, Konsument!

Neben den Kürzungen bei Hartz IV für Jugendliche und dem Angriff auf die staatliche Rentenversicherung steht die Mehrwertsteuererhöhung für 2007 an. Mit Mehreinnahmen von ca. 18 Milliarden € wird der Umbau des Staates finanziert, eine weitere Verteilung von unten nach oben forciert. Die Mehreinnahmen werden natürlich nicht für dringend notwendige Investitionen wie Pflege oder Ausbildung eingesetzt, sondern dienen eher zum Aufbau einer flexiblen Bundeswehr und zur Schuldentilgung bei privaten Bankkonzernen. Besonders diese Erhöhung der direkten Steuern trifft hauptsächlich die Lohnabhängigen, Arbeitslosen und Rentner. Zwar dürfen sie weiterhin für den gleichen Steuersatz bei Aldi Lebensmittel kaufen, doch alles was außerhalb dieser biologischen Reproduktion liegt wird teurer für die unteren Klassen der Gesellschaft. Dadurch wird ihnen der Zugang zum sozialen Leben weiter erschwert – wenn man nur noch essen und trinken kann bleibt man meistens auch zu Hause.

Das sollen die jugendlichen Arbeitslosen auch, ohne Recht auf eigene Lebensführung. Natürlich machen wir uns nichts vor: Wirklich selbstbestimmtes Leben ist unter kapitalistischen Verhältnissen nicht möglich und Hartz IV stellt keinen wirklichen Anreiz zur Selbständigkeit dar. Das dies jetzt aber noch schwieriger als zur Zeit der Sozialhilfe gestaltet ist, muss den entschlossenen Widerstand der jungen GewerkschaftlerInnen, jungen AktivistInnen und SchülerInnen hervorrufen.

//von Lothar aus Kassel //REVOLUTION Nr. 16

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