Diese Seite ist ein Archiv und wird nicht mehr aktualisiert. Die neue Seite von RIO ist: www.klassegegenklasse.org


 

Revolten in Indonesien


Vor 7 Jahren wurde der Militärdiktator Suharto durch Proteste gestürzt. Interview mit einem Aktivisten von REVO Indonesia

Du lebst in einem Land, das die meisten von uns nur als Werbung im Reisebüro kennen. Kannst du uns zunächst einige einleitende Fakten über Indonesien erzählen?

Indonesien liegt zwischen Australien und dem indischen Subkontinent, zwischen dem Indischen und dem Pazifischen Ozean. Indonesien hat mehr als 13.000 Inseln und eine Gesamtbevölkerung von 240 Mio. Menschen.

Am Ende des 16. Jh. wurde Indonesien vom holländischen Kolonialismus erobert. Während des 2. Weltkrieges kam das Land dann unter die Herrschaft des japanischen Imperialismus. Es kam aber zu massiven nationalen Befreiungskämpfen, so dass sich Indonesien schließlich 1945 von den Kolonialisten befreien konnte.

Wie sah die weitere Entwicklung nach der nationalen Unabhängigkeit aus?

Die ersten Wahlen hat es 1955 gegeben. Sie haben General Sukarno an die Macht gebracht, der sich selbst zum Führer der Revolution und zum Präsidenten auf Lebzeiten ernannte. In dieser Periode initiierte er den „Non-Aligned Block“ – ein Versuch, den Einfluss der westlichen imperialistischen Mächte zu reduzieren. Bekannt wurde er vor allem mit seinem Slogan: „America, go to hell with your aid!“ Aber Sukarno hat nicht den Kapitalismus an sich infrage gestellt und hatte auch keine Orientierung bezüglich der Arbeiterklasse. Sein Hauptprojekt und größtes Anliegen war die Erweckung nationalistischer Bestrebungen.

Wie haben die USA auf diese Politik reagiert?

Obwohl Sukarno kein Antikapitalist war, hat seine Forderung nach mehr Unabhängigkeit für die sog. Dritte Welt ernsthafte Beunruhigung bei den Imperialisten hervorgerufen, so dass die herrschende Klasse in den USA fest dazu entschlossen war, das Sukarno-Regime zu stürzen. Noch viel mehr störte sie aber der aufkommende Klassenkampf und der Einfluss kommunistischer Ideen, woraufhin die CIA 1965 einen blutigen Staatsstreich, geführt von General Suharto, anstifteten. Der Vorwand dafür war der Mord an sieben führenden Generälen. Als „Gegenschlag“ ermordeten die Putschisten eine Million Kommunisten. Von da an folgten mehr als drei Jahrzehnte der blutigen Diktatur. In der Suharto Ära wurde Indonesien für US-Konzerne frei verfügbar, welche unter den für sie günstigsten Bedingungen die billige Arbeitskraft ausbeuten konnten.

Kam es zu Protesten und Widerstand aus der indonesischen Bevölkerung?

Es kam zu einer Revolution 1998. Nach der Phase der sog. „Asien Krise“ 1997 traf das Suharto Regime eine Vereinbarung mit dem Internationalen (IWF), die zu einer Inflation führte und die Schließung vieler Fabriken zur Folge hatte. Aber dies konnte die Situation nicht stabilisieren, eher das Gegenteil. Die Wut der Menschen machte sich in den Massenprotesten auf der Strasse bemerkbar und bald war die Wut nicht mehr nur gegen die ökonomischen Maßnahmen gerichtet, sondern auch gegen das Suharto-Regime selbst.

Die Studentenbewegung spielte bereits seit Mitte der 90er Jahre eine wichtige Rolle. Aber der entscheidende Wendepunkt kam, als sich Millionen ArbeiterInnen, BauerInnen, Slum-BewohnerInnen den Protesten anschlossen: Im Mai 1998 besetzten die Massen das Parlament und schließlich trat Suharto zurück.

Konnte die Studenten- und Massenbewegung nach dem Aufstand von 1998 konkrete politische und soziale Veränderungen durchsetzen?

Nach dem Sturz des Suharto-Regimes gewann die Bevölkerung viele demokratische Rechte: das Recht auf freie Versammlung, die Presse- und Medienfreiheit, das Recht politische Parteien und Gewerkschaften zu gründen, einschließlich des Rechts auf eigenständige 1. Mai-Demos.

Tatsächlich aber war die erste Regierung unter Habibi nur eine Weiterführung des alten Regimes unter einer bürgerlich-demokratischen Maske. Aber weder Habibi noch sein Nachfolger Gus Dur konnte die sozialen Probleme des Landes lösen, und wurde schon 2001 von der Demokratin Megawati abgelöst.

Welche Richtung schlug die Politik unter der neuen Präsidentin Megawati ein?

Auch Megawati war nur eine bürgerliche Politikerin und sie versuchte, Kompromisse einzugehen mit dem Militär und seiner „Golkar Partei“. Die Studentenbewegung sah in ihr nur die Weiterführung des alten Regimes, nicht zuletzt weil sie sich weigerte, Suharto ins Gefängnis stecken zu lassen. Nach den letzten Wahlen 2004 wurde Susilo Bambang Yudoyono (SB) Präsident. Er war der frühere Minister für Energie unter Gus Dur und der Ex-Verteidigungsminister unter Megawati. Er spielte eine zentrale Rolle in dem Massaker von 1996, bei dem etwa 100 Studenten-AktivistInnen während der Anti-Suharto-Proteste vom Militär und der Polizei ermordet wurden. Er war es auch, der verantwortlich war für den Ausnahmezustand in Aceh während der Megawati-Ära.

Die höchste Priorität der SB-Regierung liegt in der Privatisierung, es ist eine sehr stark neoliberal ausgeprägte Regierung. Viele der Minister sind Ex-Generäle oder Geschäftsmänner, die nach einem starken Militär und einer starken polizeilichen Macht für die Sicherung günstiger Verhältnisse für Investitionen streben.

Die neoliberale Politik der Regierung unter Susilo Bambang klingt wie eine erneute Annäherung an die USA, kann man das so sehen?

Ja, die jetzige Regierung spricht sich auch für eine stärkere Bindung der indonesischen Regierung an das US-Militär aus.

Du erwähntest die Ermordung von über einer Million Kommunisten unter Suharto, welche Rolle hat die kommunistische Bewegung in Indonesien gespielt?

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam der Widerstand gegen die kolonialen Mächte größtenteils von nationalistisch gesinnten bürgerlichen Intellektuellen wie Budi Utomo, der 1908 einen nationalistischen Kreis gründete. Diese Gruppe hatte aber keine Orientierung auf die Massen. Die erste Massenbewegung war der Sarekat Islam, dessen Antikolonialismus mit starken religiösen Doktrinen verwoben war.

Der Marxismus wurde von Henrick Sneevielt in Indonsien eingeführt, der von der holländischen Regierung 1913 nach Indonesien verbannt wurde. Ein Jahr später gründete er die „Indies Social-Democratic Association“. Diese Organisation bildete einen revolutionären Flügel innerhalb des Sarekat Islam und schließlich kam es zur Aufsplitterung des Sarekat Islam in „Rot“ und „Grün“.

Die Kommunistische Partei Indonesiens (PKI) entsprang dem Roten Sarekat Islam. 1926 wollte die PKI-Führung einen „eigenen“ Aufstand gegen die koloniale Besetzung durchführen. Dieses linksradikale Abenteuer wurde heftig niedergeschlagen führte zu einer ernsthaften Schwächung der PKI für viele Jahre.

Als Massenkraft entstand die Kommunistische Partei erst wieder mit der Massenrebellion 1948. In den ersten Wahlen Indonesiens 1955 wurde die PKI viertstärkste Partei. Zu dieser Zeit gewann sie starken Einfluss unter den Bauern und hatte schätzungsweise 9 Millionen Mitglieder, und war damit die größte kommunistische Partei außerhalb eines „kommunistischen“ Landes. Die Partei erlitt ihre bis dahin schlimmste Zerschlagung 1965 als General Suharto an die Macht kam und über eine Million KommunistInnen ermordete.

Wie sieht die heutige Perspektive aus? Welche Alternativen gibt es?

Heute ist die größte Gefahr besteht jetzt in einer Wiederkehr zum alten Regime wenn auch mit einem demokratischerem Gesicht. Diese Gefahrt basiert auf drei Faktoren: die Militär-Partei Golkar spielt noch immer eine wichtige Rolle in der indonesischen Regierung und dem Staatsapparat. Auch in den Unternehmen und in den Medien sind die Suharto-Anhänger stark präsent. Und dann ist noch das Militär, das versucht, religiöse und ethnische Konflikte anzustiften, damit sich die Menschen nach einer starken Führung durch die Generäle sehnen.

Was jetzt wichtig ist für die Studenten- und Pro-Demokratie-Bewegung ist eine Bilanz der letzten 7 Jahre. Sie müssen ihr Augenmerk auf die Arbeiterklasse als die führende Kraft der Revolution in Indonesien legen. Sie, und nicht die Intellektuellen sind die entscheidende Kraft für die Veränderung der Gesellschaft. Wir brauchen dringend neue revolutionäre Ideen und eine revolutionäre Organisation. Dabei spielt auch die internationale Solidarität eine sehr wichtige Rolle.

//Interview: Isobel aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 12

RIO • Revolutionäre Internationalistische Organisation • www.revolution.de.com • info[ät]revolution.de.com • (c)opyleft   

Diese Seite ist ein Archiv und wird nicht mehr aktualisiert. Die neue Seite von RIO ist: www.klassegegenklasse.org