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Wer ist Leo?!?

//von Peter //REVOLUTION Nr. 3

JedeR hat schon mal von Liebknecht, Luxemburg oder Lenin gehört. Doch kaum einer kennt Leo Trotzki, obwohl auch er ein bedeutender Revolutionär war.

Trotzki hieß eigentlich Lew Dawidowitsch Bronstein. Trotzki war sein Pseudonym, weil man im zaristischen Russland als Revolutionär nur illegal arbeiten konnte. Trotzki wurde 1879 in einer ukrainischen Mittelbauernfamilie geboren. So erlebte er auch, wie elend und rechtlos die Masse der Bauern und LandarbeiterInnen vegetieren musste.

In Odessa besuchte er die Mittelschule. Als er sich mit anderen Schülern gegen Repressionen und gegen Ungerechtigkeiten seitens der Lehrer wandte, machte er schon früh die Erfahrung, wie rabiat die staatliche Schulgewalt dann werden konnte.

In Odessa erfuhr Trotzki auch, wie die schlecht die Lage der Arbeiterklasse war und wie sie sich dagegen mit Streiks wehrte. Er schloss sich einem geheimen politischen Zirkel an, der diskutierte und Flugblätter herstellte. Der junge Trotzki glänzte bald nicht mehr nur als Redner und Schreiber, sondern auch als sehr guter Kenner der Schriften von Marx und anderen revolutionären Theoretikern.

Verbannung und Exil

Doch die zaristische Geheimpolizei Ochrana kam dem „Treiben“ der Aufrührer um Trotzki bald auf die Schliche. Er und seine Gefährten wurden verhaftet. Verhaftung bedeutete damals sehr oft Verbannung an einen von aller Zivilisation abgeschnittenen Ort irgendwo im weiten Sibirien. Nachdem Trotzki und seine Frau, die er bei der illegalen politischen Arbeit kennen gelernt hatte, in ihrem sibirischen Verbannungsort angekommen waren, bestand ihre neue Umgebung aus Schwärmen von Mücken, ständig betrunkenen Bauern und unfreundlichen Polizisten.

Trotzdem stand Trotzki in regem Briefwechsel mit vielen russischen Revolutionären. Sein Ruf als theoretisch und schriftstellerisch äußerst begabter Revolutionär drang schnell auch zu jenen russischen MarxistInnen, die wegen der zaristischen Repression im Ausland leben mussten. Auch Lenin, einer der Führer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SdAPR) erfuhr von Trotzki. Doch eine Zusammenarbeit zwischen Trotzki und den wichtigsten Köpfen der SdAPR war nur unter einer Bedingung möglich – Trotzki musste aus Sibirien fliehen.

Das war nicht nur deshalb schwer, weil er dazu seine Frau und seine beiden Kinder zurück lassen musste; es gehörten Mut, viel Geschick und auch Glück dazu, quer durch Sibirien zu fliehen. Trotzki versuchte es – und es gelang. Das war 1902.

Statt in der sibirischen Einöde saß Trotzki nun in Wiener Cafes und diskutierte mit seinen MitstreiterInnen darüber, wie das brutale Zarenregime in Russland gestürzt und damit die schreckliche Rückständigkeit des Landes überwunden werden könnte. Klar war Eines: mit Reformen war nichts zu erreichen, ohne eine Revolution ging nichts. Doch dann hörte die konzeptionelle Einigkeit auch schon auf.

Unter den russischen RevolutionärInnen gab es Meinungsverschiedenheiten darüber, wie diese Revolution aussehen sollte, welche Klasse – Arbeiterklasse oder Bürgertum (Kapitalisten) – die Revolution gegen den Zaren führen sollte, welche Rolle das Millionenheer der Bauern spielen sollte und wie die SdAPR selbst beschaffen sein sollte. Schwierige Fragen, deren richtige Beantwortung darüber entscheiden sollte, ob die Revolution in Russland Erfolg hat.

1903 kam es zum politischen Bruch in der SdAPR. Obwohl es scheinbar um nicht so wichtige Probleme ging, verbarg sich dahinter doch die Frage, ob die Partei in der Lage wäre, die Revolution zu führen oder nicht. Lenin, der die Mehrheit (Bolschewiki) hinter sich hatte, sollte recht behalten. Die Bolschewiki waren in der Revolution von 1917 als einzige Partei bereit und in der Lage, die Massen zum Sieg zu führen. Trotzki hatte in der Parteifrage damals noch eine andere Position als Lenin und polemisierte scharf gegen ihn.

Das Jahr 1905 war gekommen. Die Massen erhoben sich gegen den Zarismus. In Sankt Petersburg bildeten die Arbeiter Sowjets (Räte). Diese Räte waren nicht nur sehr demokratische Gremien von Diskussionen unter den ArbeiterInnen, sie waren zugleich Machtorgane der Arbeiterklasse. Zum Vorsitzenden des Petersburger Sowjets wählte man – Trotzki. Das war seine erste große Bewährungsprobe als revolutionärer Führer.

Die Revolution von 1905 scheiterte, doch sie war die Feuertaufe des russischen Proletariats, das zwölf Jahre später zeigte, dass es seine historische Lektion gelernt hatte.

Auch Trotzki zog seine Lehren. Ihm war klar geworden, dass die künftige russische Revolution nicht von der schwachen und ängstlichen russischen Bourgeoisie geführt werden würde, sondern nur vom Proletariat (Arbeiterklasse) selbst. Insofern konnte es auch nicht nur um den Sturz des Zarismus, um bürgerlich-demokratische Ziele gehen, sondern um die Beseitigung des Kapitalismus insgesamt und die Machtergreifung des Proletariats.

Diese Konzeption der Revolution, die nicht bei einer bürgerlich-demokratischen Zwischenetappe stehen bleibt, sondern in die sozialistische übergeht, bezeichnete Trotzki als Permanente Revolution. In diesem Punkt sah er klarer als Lenin.

Krieg und Revolution

1914 brach der erste Weltkrieg aus. Unter Mitwirkung der westeuropäischen Sozialdemokratie schlugen sich Millionen Proletarier aller Länder an den Fronten die Schädel ein. Es waren Revolutionäre wie Liebknecht, Luxemburg, Trotzki und Lenin, die nicht nur den Verrat der Sozialdemokraten geißelten, sondern sich zugleich für den Aufbau einer neuen revolutionären Internationale, einer Weltpartei gegen imperialistischen Krieg und Kapitalismus, einsetzten.

Während der Kriegsjahre arbeitete Trotzki als Pressekorrespondent auf dem Balkan, so erlebte er die Schrecken dieses Völkerschlachtens für Profit hautnah mit.

Als im Februar 1917 in Russland erneut eine Revolution ausbrach, eilte Leo Trotzki erneut nach Petersburg, das inzwischen Petrograd hieß. Hier war das Zentrum der Revolution. Wieder wurde Trotzki zum Vorsitzenden des Petrograder Sowjets gewählt.

Die Arbeiter, die Soldaten, die Bauern hatten von Krieg und Zarismus endgültig genug. Ihre Forderungen hießen: Land, Brot, Frieden. Diese Forderungen waren keine sozialistischen, aber sie konnten nur erfüllt werden, wenn die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Soldaten und den armen Bauern die Staatsmacht ergreift. Die Staatsmacht war gespalten. Zur Hälfte lag sie in Händen der provisorischen bürgerlichen Regierung zur Hälfte in Händen der Sowjets. Die einzige Partei, die bereit und in der Lage war, diese Doppelmachtsituation revolutionär zu lösen, war Lenins Bolschewiki.

Im Frühjahr 1917 schloss sich auch Trotzki den Bolschewiki an. Sie organisierte den bewaffneten Aufstand, die provisorische Regierung wurde gestürzt und die gesamte Macht lag in den Händen der Sowjets. Die bekanntesten und populärsten Führer der Revolution waren Lenin und Trotzki.

Trotzkis Konzept der permanenten Revolution hatte sich in der Realität bestätigt. Das Proletariat übernahm die Führung in der Revolution, die bürgerlich-demokratische Revolution wuchs unmittelbar in die sozialistische hinüber.

Trotzki kontra Stalin

Nach der Revolution führte die Reaktion mit Unterstützung der Kapitalisten aller Länder einen blutigen Bürgerkrieg gegen das junge Sowjetrussland, um die Errungenschaften der Revolution zu zerstören und ihre internationale Ausweitung zu verhindern. Sie hatten allen Grund dazu: in vielen Ländern entstanden revolutionäre Parteien, in etlichen Ländern gab es Revolutionen und Kämpfe der ArbeiterInnen. Trotzki war der Begründer und Führer der Roten Armee, die letztlich alle konterrevolutionären Kräfte besiegte.

Doch die russische Revolution blieb isoliert und der politische und ökonomische Druck des Weltkapitalismus auf die Sowjetunion, die von Zarismus, Krieg und Bürgerkrieg ausgelaugt war, zeigte Wirkung. Nach Lenins Tod 1924 entbrannte ein Richtungsstreit in der Partei über die weitere Strategie. Die aufgrund des allgegenwärtigen Mangels immer mächtiger werdende Bürokratie kämpfte für die Absicherung ihrer Privilegien und suchte nach einem Kompromiss mit dem Weltkapitalismus. Ihr Konzept war der „Sozialismus in einem Land“, eine illusorische und unmarxistische Idee. Ihr Führer war Stalin.

Trotzki dagegen beharrte auf der Strategie der Weltrevolution und den Prinzipien der Arbeiterdemokratie in Partei und Gesellschaft. Seine MitstreiterInnen schlossen sich in der Linksopposition zusammen. Gestützt auf die Bürokratie gelang es Stalin jedoch, mit Lügen, Demagogie und offenem Terror, die Linksopposition, ja jede Anwandlung von offener Diskussion und Kritik auszuschalten. Die Räte und die in sich demokratische und lebendige Partei wurden zu abstoßenden bürokratischen Instrumenten der „roten“ Bürokraten. Tausende aufrechte RevolutionärInnen wurden umgebracht oder verbannt. Fast alle bolschwistischen Führer wurden von Stalin ermordet. Trotzki selbst wurde 1928 außer Landes getrieben.

Für eine neue Internationale

Für Trotzki begannen Jahre des erzwungenen Exils in verschiedenen Ländern. Es waren Jahre des politischen Kampfes gegen den Stalinismus, dessen Politik die Sowjetunion und die kommunistische Bewegung nicht nur zu bürokratischen Monstern umformte; mehr noch: Stalins Strategie brachte der Arbeiterbewegung ausschließlich Niederlagen ein, wo sie die Chance hatte, die Macht zu übernehmen.

Als 1933 mit der kampflosen (!) Niederlage der deutschen Arbeiterklasse gegen den Faschismus klar war, dass die stalinistische „kommunistische“ Bewegung unreformierbar war, kämpfte Trotzki für den Aufbau einer neuen, der Vierten Internationale, die 1938 gegründet wurde.

Ihr Programm nannte sich Übergangsprogramm, weil es einen Übergang, eine Verbindung herstellte zwischen den Alltagskämpfen, dem Alltagsbewusstsein der Klasse (mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen, gegen Sozialabbau usw.) und der Notwendigkeit der Eroberung der ganzen Macht und dem Sturz des Kapitalismus.

Trotzkis Vierte Internationale trat dafür ein, dass in die Sowjetunion (und später in allen anderen Staaten des Ostblocks) die herrschende Bürokratie durch eine politische Revolution gestürzt werden muss, weil sonst der Kapitalismus wieder Einzug hielte. Spätestens 1989 hat sich gezeigt, wie richtig diese Einschätzung war.

Stalin versuchte alles, seinen Widersacher Trotzki zu verleumden und zu bekämpfen. 1940 schließlich wurde Trotzki von einem Agenten Stalins umgebracht.

Die Vierte Internationale war seit Anfang der 1950er Jahre keine revolutionäre Organisation mehr und zersplitterte in viele Teile. Doch Trotzkis politisches Erbe, seine theoretischen Erkenntnisse existieren. Sie gehören nicht in einen Heiligenschrein, sie müssen studiert und weiterentwickelt werden. Diese Aufgabe – an der sich auch die meisten „Trotzkisten“ vorbeimogeln wollen – muss angepackt werden! Denn: ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis. Deshalb hat REVOLUTION ein Programm erarbeitet: „Der Weg zur Revolution“.

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