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Ende einer Hoffnung

//von Peter //REVOLUTION Nr. 1

Am 4. September 1970 war es geschafft: die Unidad Popular (Volkseinheit) hatte die Wahlen in Chile gewonnen und Salvador Allende wurde Präsident.

Mit diesem Erfolg verbanden Millionen ChilenInnen die Hoffnung, dass nun endlich alles besser würde. Viele wollten ein sozialistisches Chile ohne Kapitalisten; sie wollten endlich genug zu Essen haben, anständig wohnen und ihren Kindern eine gute Bildung ermöglichen.

Schon seit Ende der 1960er Jahre war Chile in Unruhe. Bauern, die kein oder zu wenig Land hatten, besetzten große Güter. Es gab Demonstrationen gegen den Hunger. Die Zahl der Streiks nahm zu. Jeder sah: die bürgerlichen Parteien hatten keine Antwort auf die soziale Krise in Chile. Die Ausgebeuteten und Unterdrückten richteten ihre Hoffnungen in „ihre“ existierenden Parteien: vor allem in die Sozialistische Partei (SP), der auch Allende angehörte, und die Kommunistische Partei (KP).

Die Volksfront

Doch die Hoffnung war trügerisch. Zwar sprachen die PolitikerInnen der Unidad Popular (UP) viel vom Sozialismus, doch ihr Programm war weder sozialistisch noch revolutionär. Warum? Sozialistisch bedeutet, alle Kapitalisten zu enteignen und eine demokratische Planwirtschaft zu errichten, die nicht mehr dem Profit weniger Kapitalisten dient, sondern den Interessen der ganzen Gesellschaft.

Um das durchzusetzen, muss die politische Macht der Kapitalisten gebrochen, d.h. der bürgerliche Staat (Armee, Justiz, Bürokratie usw.) beseitigt werden. An seine Stelle müssen Räte und Milizen treten, in denen die Massen (v.a. die Arbeiterklasse) organisiert sind.

Das Programm der Unidad Popular forderte jedoch nur die Enteignung einiger Kapitalisten und des Auslandskapitals. Dazu zählte v.a. das US-amerikanische, welches die Hälfte von Chiles Hauptwirtschaftszweig, der Kupferindustrie, besaß. Weder Arbeiterräte noch -milizen sollten geschaffen werden. Statt dessen hofften die Volksfrontführer auf die Verfassungstreue der alten Armee. Ein fataler Irrtum, wie sich bald herausstellte.

Vom Erfolg zur Krise

Allende war zu Beginn ein ehrlicher Reformer. Anders als heute Typen wie SPD-Schröder brachten seine Reformen Verbesserungen und – er versuchte seine Wahlversprechen umzusetzen. Eine Bodenreform und eine Bildungsreform wurden durchgeführt. Die Lebensbedingungen verbesserten sich schnell. So erhielten Chiles Kinder täglich einen halben Liter Milch kostenlos – in einem Land mit hoher Kindersterblichkeit eine lebenswichtige Sache! Das US-Kapital wurde enteignet, große Banken und einige Unternehmen wurden verstaatlicht.

Doch die Chilenischen Kapitalisten und die USA sahen nicht einfach tatenlos zu. Auf Druck der USA fielen die Weltmarktpreise für Kupfer, Kredite wurden gesperrt und Investitionen in Chile blieben aus. Das führte dazu, dass die Staatskasse Chiles bald leer war. Im Lande herrschte eine Wirtschaftskrise, aufgrund der Inflation verfiel die Kaufkraft. Die Reformen konnten nicht mehr bezahlt werden. Trotz der Verstaatlichungen blieb Chiles Wirtschaft insgesamt weiterhin eine kapitalistische und funktionierte nach deren Gesetzen.

Diese Situation führte dazu, dass die Massen, die vorher die UP begeistert unterstützt hatten, bald feststellten, dass es so nicht mehr weiter gehen konnte. Während die Allende-Regierung den Bürgerlichen und der Armee immer größere Zugeständnisse machten, um sich deren Verfassungstreue zu sichern, wendete sie sich zugleich immer energischer gegen alle Versuche der Massen, die begonnenen Revolution in Chile weiter zu treiben. Die ArbeiterInnen besetzten – gegen den Willen der Regierung – ihre Betriebe und bildeten betriebliche Komitees und Selbstverteidigungsstrukturen. Die armen Bauern besetzten spontan große Landgüter.

Diese Formen von Selbstorganisation waren Vorstufen von Räten und Milizen, sie hätten zur Basis des ganzen Staates ausgebaut werden müssen. Doch die UP wollte das nicht – um ihre bürgerlichen Bündnispartner in der UP, um die Kapitalisten und die Armee nicht zu verschrecken.

Angesichts dieser Schwäche und Zögerlichkeit der Allende-Regierung ging das Bürgertum in die Offensive. Die Transportunternehmer streikten und verursachten eine landesweite Versorgungskrise. Die Armeeführung bereitete gemeinsam mit dem CIA einen Putsch vor. Die faschistische Organisation Patria y Libertad (Vaterland und Freiheit) terrorisierte die ArbeiterInnen und die Bauern.

Der Putsch

Am 11. September 1973 wurde die Moneda, der Präsidentenpalast, bombardiert. General Pinochet putschte gegen die Regierung und überzog ganz Chile mit Mord und Terror. Tausende ArbeiterInnen kämpften noch tagelang mit der Waffe gegen die Putschisten, aber sie unterlagen. Ihnen fehlte vor allem eine starke und entschlossene Führung, eine Partei, wie sie die russischen ArbeiterInnen in ihrer Revolution 1917 hatten. Zu lange hatten sie an ihren Hoffnungen in die Volksfront gehangen, statt selbst die ganze Macht zu übernehmen und alle Kapitalisten, Generäle und übrigen Reaktionäre hinweg zu fegen.

Für viele Jahre sorgte Pinochet für Friedhofsruhe in Chile. Tausende ArbeiterInnen, Bauern, AktivistInnen, Linke und GewerkschafterInnen wurden ermordet, verhaftet und gefoltert oder mussten ins Exil gehen. Es gab fast keine demokratischen Rechte mehr. Gewerkschaften und Streiks waren verboten. Auf die halbe Revolution der Unidad Popular folgte eine ganze Konterrevolution.

Doch auch Niederlagen sind Lehrstunden der Geschichte. Die Volksfrontpolitik, die von den stalinistischen Parteien seit den 1930er Jahren sehr oft angewendet wurde, führte ohne Ausnahme zu Niederlagen. Nach der chilenischen Erfahrung wissen wir besser denn je: Revolution ist ganz oder gar nicht

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