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Che & die Revolution

//von Jürgen & Alberto //REVOLUTION Nr. 1

Ernesto Che Guevara wurde 1928 im argentinischen Rosario geboren. Er hat als junger Mensch zwar marxistische Klassiker gelesen, war aber ansonsten kaum politisch aktiv.

Nach seinem Medizinstudium, ging Che 1953 nach Guatemala. Dort hatte Präsident Arbenz das Eigentum der amerikanischen United Fruit Company verstaatlicht. Che verachtete die bürgerlich-nationalistischen Parteien wegen deren Ablehnung der gewaltsamen Revolution. Ernesto forderte Arbenz auf, das Volk zu bewaffnen, um dem drohenden Verrat der Streitkräfte zuvor zu kommen.

Im Juli 1954 hatten die US-Söldnertruppen gewonnen und Arbenz dankte ab. Ohne sich einer Organisation angeschlossen zu haben, hatte Che sich erstmals für eine politische Sache engagiert und fühlte sich als revolutionärer Kommunist.

In Mexiko traf er die Brüder Castro. Sie waren gerade aus der Haft wegen der Erstürmung der Moncada-Kaserne am 26. Juli 1953 auf Kuba entlassen worden. Sie boten ihm einen Platz in ihrer Guerillabewegung „26. Juli“ an und gaben ihm den Spitznamen Che, ein argentinisches Wort für Kamerad.

Castros Bewegung einte der Wunsch nach bewaffnetem Kampf, um die USA-hörige Diktatur Batistas in Kuba zu stürzen, doch sie war keine sozialistische Bewegung. Obwohl anfänglich einziger „Marxist“, errang Guevara durch Mut und Kompromisslosigkeit schnell Ansehen. Dass die Bewegung des 26. Juni sich zunehmend sozialistischen Ideen annäherte, ist in hohem Maße Che zu verdanken.

Der militärische Sieg der Rebellen und der Generalstreik in Havanna führten am 2. Januar 1960 zum Zusammenbruch der Staatsmacht. 12 Monate lang herrschte nun eine Volksfrontregierung aus Stalinisten und linken Nationalisten. Die wirkliche Macht hatte indessen Castros Armee. Die Regierung hatte aber nicht die Absicht, den Kapitalismus abzuschaffen.

Guevara forderte eine radikalere Landreform, als sie die Regierung vorsah. Er plädierte für schnelle Industrialisierung und die Verstaatlichung der Wirtschaft. Außerdem trat er für die Verkürzung des Arbeitstages ein.

Über die Frage der gesellschaftlichen Neugestaltung Kubas kam es zu heftigen Konflikten in der Regierung. Bis Mitte 1960 verteidigte das Regime, dessen Führung inzwischen fast nur noch aus Anhängern Castros bestand, immer noch die kapitalistische Produktionsweise.

Die USA widersetzten sich dem aufkommenden Handel Kubas mit der UdSSR und weigerten sich, importiertes Rohöl aus Kuba zu verarbeiten. Ab dem 29. Juni enteignete die Castro-Regierung das kubanische und amerikanische Privateigentum, so dass sich Ende 1960 80% der gesamten Industrie in Staatshand befanden. Doch die Arbeiterklasse spielte bei der Abschaffung des Kapitalismus nur eine Statistenrolle, indem sie auf Demonstrationsaufrufe der Regierung zugunsten der Verstaatlichungen reagierte.

Das Vorbild für die Kubanische Revolution war nicht der russische Oktober 1917, es waren die stalinistischen bürokratischen Umstürze nach 1945 in Osteuropa. Die kubanische Führung reagierte auf den US-imperialistischen Druck, um ihr eigenes Überleben zu sichern und bildete ab Sommer 1960 eine „bürokratisch-antikapitalistische Arbeiterregierung“.

Die UdSSR gab den wirtschaftlichen, diplomatischen und militärischen Rahmen für den neuen – aber von Anfang an degenerierten – Arbeiterstaat Kuba.

1961 war Guevara hauptsächlich mit der Konsolidierung des Staats- und Parteiapparates befasst; dazu gehörten auch die Unterdrückung der Kritik von links (z.B. der „TrotzkistInnen“) und die Fusion der stalinistischen PSP mit Castros Bewegung zu einer neuen Partei (ORI) im Juli.

Nach der vom CIA inszenierten und gescheiterten Invasion in der Schweinebucht machte v.a. Guevara Druck auf die UdSSR, Atomraketen auf Kuba zu stationieren. Unter Che Guevara als Chef der Nationalbank und der Agentur für Industrieaufbau wurde 1962 ein einheitlicher Wirtschaftsplan eingeführt – allerdings beruhte dieser auf den Entscheidungen der Bürokratie und nicht auf der Demokratie von Produzenten und Konsumenten.

Castro verweigerte sich allen Formen demokratischer Wahlen. Auch Che stimmte dem zu. Auch er lehnte Arbeiterselbstverwaltung und die Rechenschaftspflicht des Staates gegenüber Arbeiter- und Bauernräten ab. Er verließ sich aber nicht nur auf Partei und Geheimpolizei, sondern schuf Nachbarschaftstribunale und Komitees für die Verteidigung der Revolution. Diese waren aber nicht Macht- und Kontrollorgane der Massen, sondern nur Kommunikationskanäle von oben nach unten sowie Sicherheitsventile für aufkommenden Unmut. Wenngleich diese Komitees Kuba im Vergleich zu anderen stalinistischen Staaten ein volkstümlicheres, „demokratischeres“ Aussehen gaben, war Kuba von wirklicher lebendiger Massendemokratie weit entfernt. Auch Guevara kam nie über eine bevormundende, elitäre Rolle hinaus („Das Ohr für die Massen öffnen!“).

Schon 1961 rückte Guevara von der UdSSR ab. Ursachen dafür waren der chinesisch-sowjetische Konflikt im Oktober 1961, die Versorgungsmängel und schlechte Qualität der sowjetischen Importgüter für die Industrie, die materiellen Privilegien der Moskauer Bürokratie und der „Saustall“, in dem „ihre“ Arbeiterschaft leben musste.

Nach der Kapitulation Chruschtschows während der Raketenkrise im Oktober 1962 vor Kennedy riss Che endgültig der Geduldsfaden. Auch die Meinungsverschiedenheiten mit Castro nahmen zu, nachdem dieser 1963 einseitig für Moskau im Konflikt gegen Peking Stellung bezogen hatte und die Politik der „friedlichen Koexistenz“ mit den USA rechtfertigte. Das lehnte Che ebenso ab wie die Strategie der friedlichen parlamentarischen Machteroberung, welche die westlichen KPen vertraten.

Castro unterstützte Guevaras „Guerillaabenteuer“ nur taktisch, als Verhandlungsunterpfand mit den USA. Che dagegen verfolgte die Strategie eines verallgemeinerten antiimperialistischen Bürgerkriegs gegen die US-hörigen Marionettenregierungen.

Die UdSSR und Castro zeigten sich darüber höchst besorgt. Sie wollten nicht die sozialistische Revolution verbreiten; sie waren nur an der Konsolidierung ihrer Positionen interessiert. So bot Castro an, die Hilfe an andere revolutionäre und Befreiungsbewegungen einzustellen und „innerhalb internationaler Rechtsnormen“ zu operieren, wenn die Feindseligkeiten gegen Kuba eingestellt würden.

1964 erkannte der im kubanischen Apparat inzwischen schon in die Minderheit geratene Guevara, dass auch die beschleunigte Industrialisierung ad acta gelegt war. Kubas Entwicklung sollte weiter auf der Abhängigkeit vom Zuckerrohranbau und Importen aus der UdSSR beruhen. Daraufhin trat er aus der Regierung aus.

Che im Kongo

Ende April 1964 traf er im Kongo ein, um sich der von China unterstützten Kongolesischen Befreiungsarmee anzuschließen. Im Oktober führte ein Regierungsputsch zu einem Abkommen mit den RebellInnen, das den Abzug ausländischer Truppen einschloss. Guevara zögerte, bis seine Einheit vollkommen aufgerieben wurde. Che musste sich verstecken, bis er im Juli 1966 heimlich nach Kuba zurück kehren konnte.

Im November 1966 ging Che mit einigen MitkämperInnen nach Bolivien. Der Chef der bolivianischen moskautreuen KP versprach zuerst Unterstützung, brach aber dann sein Versprechen und boykottierte Ches Kampf. Schließlich musste die ausgehungerte und kranke Guerillatruppe den schützenden Regenwald verlassen. Am 8. Oktober 1967 fand ihr letztes Gefecht nahe La Higuera statt. Nur noch 17 KämpferInnen waren übrig geblieben. Die meisten wurden getötet, Guevara selbst wurde gefangen genommen. Der Feldwebel Mario Terán erschoss Guevara am 9. Oktober, 13 Uhr 10 Ortszeit.

Die auch in Bolivien praktizierte „Fokusstrategie“ Ches erhebt die kleine, bewegliche, auf dem Land operierende Guerillagruppe – den „Fokus“ – zur absoluten Kampftaktik. Alle anderen Kämpfe sind ihm untergeordnet. Massenaktivitäten sollen vom „Fokus“ initiiert werden, der aber den von ihm stimulierten Massen gegenüber nicht rechenschaftspflichtig ist.

Das Versagen dieser Strategie in Bolivien war offenkundig. Hier bildeten die Zinnbergarbeiter den fortschrittlichsten Teil der Massen. Im Gefolge der Revolution von 1952 war die Bauernschaft durch die Landreform zu einer Kleinbesitzerklasse geworden. Der „Fokus“ konnte darum keinen Kampf um Land entfachen. Gleichzeitig war es unmöglich, durch den Partisanenkampf im Urwald die gut organisierte, klassenbewußte Arbeiterbewegung zu erreichen und einzubeziehen. Dafür wäre auch ein politischer Kampf gegen die stalinistische Führung des bolivianischen Proletariats erforderlich gewesen. Für die Lösung dieser Aufgaben war die Focus-Strategie Guevaras völlig untauglich. Im Unterschied zu Kuba 1959/60 fehlten diesmal die außergewöhnlich günstigen Umstände für die Guerilla-Taktik.

Als Strategie zur Eroberung der politischen Macht war der Guerillakrieg auch in Lateinamerika letztlich nur durch die Hilfe aus den Städten und der Arbeiterbewegung erfolgreich. Die solcherart erfolgten Umstürze der kubanischen und nicaraguanischen Diktaturen blieben aber Ausnahmen. Hier spielten die unglaubliche Schwäche der Staatsapparate, mangelnde Unterstützung der USA für die herrschenden Oligarchien und die Tatsache, dass der Großteil der Nationalbourgeoisien die Sache der Guerilleros unterstützten, eine ausschlaggebende Rolle bei ihren Erfolgen. Selbst in diesen Fällen war der „Erfolg“ aber begrenzt: immerhin blieb Kuba ein degenerierter Arbeiterstaat und Nicaragua blieb kapitalistisch.

Mit der Strategie der proletarischen sozialistischen Revolution ist Guevaras Focus-Methode unverträglich, weil sie die Arbeitermassen zum Anhängsel einer kleinen Verschwörergruppe degradiert und deren eigene demokratische Organisationen, Räten und Milizen, und die revolutionäre Partei an der Spitze missachtet. Die Guerillastrategie ist elitär und führt zur Unterordnung und politischen Entmündigung der Arbeiterklasse und der Massen. Er wies die Idee zurück, dass die politische Macht in Händen der ArbeiterInnen selbst anstatt bei einer selbsternannten Vorhut liegen solle.

Trotzdem war seine Strategie nicht ganz deckungsgleich mit Programm und Ideologie des russischen Stalinismus. Fidel Castro und der Kreml tolerierten den bewaffneten Kampf nur insoweit, wie er zu einem besseren Kräftegleichgewicht innerhalb des Rahmens der friedlichen Koexistenz mit dem Weltkapitalismus beitrug. Guevara lehnte dieses Herzstück konterrevolutionärer stalinistischer Strategie dagegen ab! Sein Antiimperialismus entsprang auch nicht einem national bornierten Kampf gegen den Imperialismus, wie seine Einsätze im Kongo und in Bolivien beweisen.

Che war kein Konterrevolutionär wie Stalin oder Breschnew, welche die blutige Erdrosselung der Revolution „im Ausland“ billigten, um die eigene bürokratische Herrschaft zu schützen. Er glaubte an eine „ununterbrochene“ Revolution von der revolutionär-demokratischen, anti-imperialistischen „Etappe“ bis zu einem – nach seinen Vorstellungen jedoch bürokratisierten – Arbeiterstaat. Er verfügte über kein Konzept für Arbeiterdemokratie, sondern stellte ihr eine Mischung aus bevormundender Volkstümelei und bürokratisch überwachten Institutionen des „Volkswillens“ gegenüber.

Ches Mythos speist sich wesentlich daraus, dass er im bewaffneten Kampf gegen den Klassenfeind umgekommen ist. Er wurde populär, weil er als Minister Privilegien für sich und seine Familie ablehnte. Der Mythos Ches wurde möglich, weil Che starb, bevor er selbst vollständiger Bestandteil der herrschenden bürokratischen Kaste werden konnte. Sein Ruf überdauerte, weil er nie mit einer von der Arbeiterklasse geführten Revolution konfrontiert war. Sie hätte ihn vor die Wahl gestellt, mit seiner pro-stalinistischen Strategie zu brechen oder aber selbst zum Hindernis einer solchen Revolution zu werden.

MarxistInnen teilen seine Strategie der Machtergreifung und etliche seiner politischen Auffassungen nicht.

Doch sein unerbittlicher Kampf gegen den Imperialismus, sein Mut, seine äußerste Selbstlosigkeit, seine Neugierde und sein weiter geistiger Horizont, seine Hingabe für Ideen aus echter Überzeugung und nicht aus Dogmatismus, sind Qualitäten, denen RevolutionärInnen nacheifern sollten. Ohne mit dem Stalinismus letzten Endes gebrochen zu haben, ist er doch ein subjektiver Revolutionär geblieben und kein Bürokrat geworden.

Che mit den herrschenden Bürokraten in Moskau (links) und Peking

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