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Solidarité in Frankreich

Was wir aus den Kämpfen der letzten Jahre lernen können

Die jungen FranzosInnen rebellieren gegen die herrschende Gesellschaftsordnung. Dieser Kampf geht nicht nur von den StudentInnen aus, sondern auch von den SchülerInnen und den Jugendlichen der Vorstädte. Er lässt die Unzufriedenheit großer Teile der Gesellschaft erkennen. Seit ein paar Jahren erfahren diese jungen Leute, wie sie Druck auf die Herrschenden ausüben können. In einer Gesellschaft, in der die HerrscherInnen wollen, dass alle glauben, dass keine Änderung möglich sei, müssen wir alles selbst erlernen: welche Zukunft wollen wir aufbauen? Welche Mittel stehen uns zur Verfügung, um diese Zukunft zu schaffen?

2005/2006 gab es zwei grundlegende Bewegungen. Diese zwei Bewegungen haben die Idee verbreitet, dass die Massen gemeinsame Interessen haben und zusammen eine bedeutende Kraft darstellen.

Herbst 2005: zwei Jugendliche werden in einer Vorstadt von Paris von der Polizei getötet. Anstatt sich zu entschuldigen, lügen die PolitikerInnen über die Schuld der Polizisten. Das führt dazu, dass die Jugendlichen in den Banlieues (armen Vorstädten) in ganz Frankreich rebellieren. Sie haben keine politischen VertreterInnen und keinen politischen Raum, um sich zu äußern. Um sich Gehör zu verschaffen, benutzen sie Gewalt. Sie kämpfen gegen die Polizei, sie zünden Autos, Polizeiwachen, Schulen, Geschäfte, Finanzämter usw. an. Die Regierung ruft den Notstand aus: es gibt eine Ausgangssperre und die Polizei und die Armee bekommen umfassende Macht. Im Fernsehen kommen Bilder wie aus einem Kriegsschauplatz.

Frühling 2006: ein neuer Arbeitsvertrag wird vom Parlament beschlossen, das sog. "CPE". Die Macht der UnternehmerInnen wird verstärkt. Die StudentInnen können nicht eine noch prekärere Lage (also noch beschissenere Jobs) akzeptieren. Fast alle Universitäten werden bestreikt. Viele Medien, GewerkschaftsführerInnen und linke PolitikerInnen behaupten, dass dieser Streik sinnlos sei, weil das Gesetz schon im Parlament abgestimmt würde. Aber die StudentInnen sind entschlossen. Mehr als zwei Monate lang werden die Unis besetzt. Kein Unterricht finden statt. Demonstrationen werden zwei oder drei Mal in der Woche organisiert. Nach kaum zwei Wochen ist das CPE fast in Vergessenheit geraten: die StudentInnen denken über ihre Zukunft aber auch über die Zukunft der Gesellschaft nach. Die Polizei ist gewalttätig. Viele StudentInnen und SchülerInnen werden festgenommen. Noch einmal laufen Kriegsbilder im Fernsehen.

Kurz danach: Die französischen ArbeiterInnen unterstützen diese Bewegung. Die StudentInnen fordern die ArbeiterInnen auf, einen Generalstreik zu organisieren. Darauf folgen eintägige Streiks, besonders in Schulen, bei der Post und bei der Eisenbahn. Diese Streiks ermöglichen, dass die ArbeiterInnen zusammen mit den StudentInnen demonstrieren, und damit wird wirtschaftlicher Druck auf die Regierung ausgeübt. Zwei Monate nach den ersten Demos wird der Arbeitsvertrag von der Regierung zurückgenommen. Das bedeutet das Ende des Streiks. Die GewerkschaftsführerInnen sind froh, dass sie eine Bewegung beenden können, die schon (aus ihrer Sicht) außer Kontrolle geraten war. Die linken ReformistInnen sagen, alle müssen die Proteste beenden und auf die nächsten Präsidentschaftswahlen warten. Doch es gibt keine Zufriedenheit unter vielen StundentInnen: die Abschaffung des Gesetzes war nicht mehr das Ziel gewesen. Aber die Massen erleben einen kleinen Sieg: alle haben erfahren, dass sie ihre Zukunft selbst gestalten können. Einheit heisst Kraft!

Frühling 2007: Sarkozy wird zum französischen Präsidenten gewählt. Mehr als 80% der FranzosInnen haben gewählt – Sarkozy hat die Menschen in Frankreich wiederpolitisiert, entweder für oder gegen ihn. Seine Demagogie und sein kaum versteckter Rassismus überzeugen. Er spielt mit den Ängsten und der Unzufriedenheit der FranzosInnen. Angst vor Entlassungen können rechte PolitikerInnen in Angst vor "Terrorismus" verwandeln. Aber das ist ein gefährliches Spiel. Sarkozy merkt das heute, nur sechs Monate nach der Wahl.

Sommer 2007: ein Gesetz für die Reform der Universitäten wird vom Parlament beschlossen, das sog. "LRU". Dieses Gesetz leitet den europäischen Bologna-Prozess zur Privatisierung der Hochschulen ein. Sarkozy dachte, dass eine Abstimmung im Sommer eine einfache Lösung wäre. Aber die StudentInnen haben leider schon verstanden, dass sie nicht alles über sich ergehen lassen müssen. Seit etwa vier Wochen sind mehr als dreißig Universitäten und fünfzig Schulen bestreikt und geschlossen. Obwohl der Vorsitzender der Studentengewerkschaft sich für die Beendigung des Streiks und die Räumung der Barrikaden ausgesprochen hat, setzt sich der Kampf fort. Die Lage ist schwierig und gewalttätig, da Sarkozy sich entschieden hat, die Bewegung mittels Polizeigewalt zu zerstören. Aber wieder einmal verstehen die PolitikerInnen nichts: diese Gewalt führt dazu, das brutale Wesen der kapitalistischen Herrschaft ans Licht zu bringen. Wir könnten uns fast bei Sarkozy bedanken, weil er jeden Tag die Entschlossenheit der StudentInnen verstärkt.

Gerade eben: zwei Jugendliche aus den Vorstädten sind wegen der Polizei gestorben. Das gleiche Drehbuch wie zwei Jahre davor: die Regierung lügt und die EinwohnerInnen der Banlieues rebellieren. Diese Rebellion war kurz aber bedeutungsvoll. In zwei Tagen haben diese Jugendlichen ungefähr hundert PolizistInnen verletzt. Und der Aufruhr fand in einer einzigen Stadt in der Umgebung von Paris statt. Diese jungen Leute haben sich seit 2005 besser organisiert. Sie haben jetzt Waffen, Molotov-Cocktails, Benzin... Sie haben Kampfgruppen gebildet. Die Familien in den Wohnhäusern unterstützen ihre Kinder unten: sie werfen Steinen auf die PolizistInnen. Die politischen Hintergründe werden deutlicher: es geht um einen Krieg gegen ein System, das sie unterdrückt. Sie wollen keine Opfer mehr sein. Sarkozy brauchte mehr als tausend schwerbewaffnete Polizeikräfte, um die Rebellion in einer Stadt mit 25 000 EinwohnerInnen zu vernichten. Was wird er tun, wenn sich der Aufruhr über ganz Frankreich ausbreitet, wie in 2005? Die 160 000 französischen PolizistInnen reichen gar nicht aus, um eine solche gewalttätige Lösung in ganz Frankreich durchzusetzen.

Und jetzt? Diese zwei Jungendbewegungen haben letztendlich das gleiche politische Ziel: gegen das kapitalistische System zu rebellieren, um die Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen. Aber für den Erfolg gibt es mindestens eine Bedingung: la Solidarité. Das bedeutet die Einheit der beiden Jugendbewegungen aber auch die Einheit mit den ArbeiterInnen, um wirklichen Druck auf die Herrschenden auszuüben. Wann? Wie? Niemand kann es vorhersehen. Dennoch können diese Jugendliche den Weg zeigen: sie müssen sich politisch organisieren und eine revolutionäre Perspektive aufzeigen. Sie müssen sich an die ArbeiterInnen wenden und sie zum Kampf ermuntern. Sie müssen die GewerkschaftsführerInnen zu militanten Aktionen und der Organisierung eines Generalstreiks auffordern, statt Verhandlungen und Kompromisse mit der Regierung. Auf diesem Weg können sie die ersten Schritte hin zu einer Zukunft ohne Kapitalismus unternehmen.

Tous ensemble! (Alle zusammen!)

Pour la grève generale!
(Für den Generalstreik!)

Polizei raus aus den Vorstädten!

Für eine revolutionäre Jugendorganisation!

Für eine revolutionäre Partei der ArbeiterInnen!

One solution: Revolution!

//von Flora (aus Frankreich), Revo Berlin //11. Dezember 2007 //auf Indymedia

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