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Graffiti ist kein Verbrechen!

300 Leute auf der Demo gegen den Anti-Graffiti-Kongress

Rund 300 Jugendliche haben am Sonnabend in Berlin gegen den bevorstehenden Anti-Graffiti-Kongress am 26. und 27. April demonstriert. „Graffiti ist kein Verbrechen“ war auf dem Fronttransparent zu lesen, in dicken Graffitibuchstaben natürlich.

Bei dem Kongress der Initiative „Noffiti e.V.” werden Reinigungsfirmen, Polizisten und Bürgermeister über härtere Strafen und „Null Toleranz” gegen die Graffiti-Szene diskutieren. Die Demonstranten dagegen forderten andere Lösungen: Statt Millionen in Videoüberwachung, Hubschraubereinsätze, Haftanstalten zu investieren, sollte das Geld sinnvoller für neue Jugendeinrichtungen eingesetzt werden. „Graffiti sind ein Ausdruck der Perspektivlosigkeit der Jugendlichen” sagte Adrian Wendel vom Bündnis „Pro-Graffiti” gegenüber einem ZDF-Kamerateam. Dass Berliner Sprayer nun auch Flusssäure einsetzen, sei Resultat des „Aufrüstungswettbewerbs“ zwischen Sprayern und Polizei. Diese Spirale kann nur durchbrochen werden, in dem man sich „mit den Kids an einem Tisch setzt”. Zufälligerweise zog die Demo auch am Landesparteitag der Berliner WASG vorbei. Viele Delegierte begrüssten die Demonstration, einige schlossen sich spontan an.

Aus Angst, dass die SprayerInnen während der Demo ihre verbotene Kunst praktizieren könnten, hat die Polizei keine Schikane ausgelassen: So wurden Jugendliche, die die Demo kurz verliessen, um pinkeln zu gehen oder Kartons aus dem Müll zu holen, um darauf etwas zu sprayen, verfolgt und kurzzeitig festgenommen.

Außerdem hat die Polizei die Auflage erteilt, dass wegen der Anmeldung als politische Veranstaltung nur 50 Prozent der Zeit Musik gespielt werden dürfte. Weil es angeblich während der Demonstration schon zu viel Musik gegeben hatte, so durften bei der Abschlusskundgebung auf dem Marianenplatz nur noch Redebeiträge gehalten werden.

Am Mittwoch beginnt der Anti-Graffiti-Kongress im Roten Rathaus. Um 14 Uhr gibt es vor dem Neptunbrunnen eine Kundgebung mit Musik und Graffiti-Wettbewerb.

In den letzten zwei Jahren hat REVOLUTION die Pro-Graffiti-Proteste mitorganisiert, und wir werden gegen jede Kriminalisierung von Jugendlichen mobilisieren.

//von Wladek aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 17 //www.pro-graffiti.tk

 

Revo-Redebeitrag auf der Pro-Graffiti-Demo

Die Repression gegen die Graffiti-Szene nimmt ein wahnsinniges Ausmaß an. Vor kurzem wurde in Italien ein Sprayer von der Polizei erschossen. Im Vorfeld des Anti-Graffiti-Kongress letztes Jahr gingen Hubschrauber und Mannschaftswagen der Polizei auf die Jagd nach SprayerInnen. Dabei wurde ein unbeteiligter Motorradfahrer überfahren.

Aber warum die ganze Repression? Läuft der Staat nur deswegen Sturm, weil wir ein paar Wände beschmieren? Ich glaube nicht! Es geht dem Staat darum, Jugendliche zu kriminalisieren. Die Gesetze gegen Graffiti, gegen Drogen, gegen Raubkopien usw. dienen dazu, verschiedene Jugendkulturen zu unterdrücken.

In den letzten zehn Jahren sind über hundert Berliner Jugendzentren geschlossen worden. Wir Jugendliche, die keine Hoffnung auf eine Ausbildung, ein Studium oder einen Arbeitsplatz haben, werden auf die Straße getrieben. Wir sollen in ein Einkaufszentrum gehen und konsumieren, oder wenn wir uns das nicht leisten können, dann sollen wir am besten einfach verschwinden.

Aber es geht um mehr als Repression. Wenn wir etwas an eine Wand schreiben, stellen wir damit die Frage: wem gehört diese Wand? Gehören die Wände den Menschen, die im Kiez leben? Oder gehören sie irgendwelchen Spekulanten aus Charlottenburg? Graffiti stellen das Eigentumsrecht in Frage.

Wenn Menschen sich über Graffiti aufregen - und das tun sehr viele -, so beschweren sie sich kaum über die wahre Plage im Stadtbild: die Werbung. Ja, Werbung. Die Werbe-Chaoten malen ihre Namen auf allen möglichen Wänden, es stört, es ist hässlich und vor allem, niemand will es sehen. Warum wird das gesellschaftlich akzeptiert? Weil es zu den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen passt.

Das kapitalistische System basiert darauf, dass der ganze gesellschaftliche Reichtum sich im Privatbesitz befindet. Wer ganze Wohnungsblöcke besitzt, kann damit machen, was er will. Das heißt, er kann den Namen von McDonalds in riesigen Buchstaben darauf malen. Er kann aber einem Sprayer verbieten, sein eigenes Tag darauf zu malen.

Die Medien gehören natürlich auch zum Privatbesitz von wenigen reichen Menschen. Zwar gibt es offiziell Meinungs- und Pressefreiheit, aber was nützt uns das, wenn wir keine Zeitungsdruckereien, Fernsehsender oder Radiosender haben? Wir Jugendliche haben kaum eine Möglichkeit, uns auszudrücken. Wir haben keine Möglichkeit, die Stadt, unseren ganzen Lebensraum (mit)zugestalten.

Deshalb hat der Versuch, sich selbst ins Stadtbild einzubringen, in dem man Züge oder Betonwände bemalt, etwas emanzipatorisches an sich. Er bedeutet die Zurückeroberung des öffentlichen Raumes, der durch Privatisierung immer mehr zum Spielzeug von Konzernen wird.

In Venezuela und anderen lateinamerikanischen Ländern ist es normal, dass arme Slumbewohner und linke Aktivisten ihre politische Botschaften durch Wandmalerei rüberbringen. Dort heißt es sprichwörtlich: „Die Wand ist die Zeitung der Massen.” Auch in Berlin müssen die Wände zu Massenzeitungen werden. Stellt euch mal vor, es würden im Vorfeld des G8-Gipfels nächstes Jahr in Heiligendamm S-Bahn-Züge vorbei fahren, von oben bis unten bemalt mit „STOPPT DIE G8!”

Letztendlich wollen wir nicht nur das Recht, die Wände von anderen zu besprühen. Wir wollen die Wände selbst. Wir wollen die Medien, die Schulen und die Fabriken in die eigenen Hände nehmen. Wir wollen eine Welt, in der jeder Mensch so leben und sich ausdrücken kann wie er oder sie möchte. Wir wollen eine Welt, in der wir die Wände nicht besprühen müssen!

Das geht nur, wenn die Menschen, die ausgebeutet oder ausgegrenzt werden, also Migranten, radikale Jugendliche und Arbeiter, gemeinsam gegen das kapitalistische System kämpfen. Um mit einer klassischen Graffiti-Parole, die in aller Welt bekannt ist, abzuschliessen: Viva la revolucion!

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